Abstract:
Die Rheologie von Suspensionen kann durch die Zugabe von geringen Mengen einer zweiten Flüssigkeit, welche mit der kontinuierlichen Phase nicht mischbar ist, signifikant verändert werden. Das Fließverhalten der Suspension ändert sich von flüssig oder schwach viskoelastisch zu gelartig und es entstehen sogenannte Kapillarsuspensionen. Die Zugabe der Zweitflüssigkeit führt zu einem Anstieg der Viskosität und zur Ausbildung einer Fließgrenze oder zu einem deutlichen Anstieg einer bereits vorhandenen Fließgrenze, welche abhängig ist von der zugeführten Menge an Zweitflüssigkeit. ... mehrKleine Tropfen der zweiten flüssigen Phase lagern sich zwischen den Partikeln an und formen so, gemeinsam mit der festen Phase, ein stabiles Netzwerk. Die Ausbildung eines solchen Netzwerkes ist dabei unabhängig von den Benetzungseigenschaften der Zweitflüssigkeit. Unterschieden wird allerdings zwischen dem sogenannten „pendular state“ und dem „capillary state“. Im ersten Fall benetzt die Zweitflüssigkeit die Partikel besser als die kontinuierliche Phase. Für den Drei-Phasen-Kontaktwinkel 𝜃 gilt hier 𝜃<90° und die Zweitflüssigkeit lagert sich in kleinen Flüssigkeitsbrücken zwischen den Partikeln an. Für 𝜃>90° ist die kontinuierliche Phase besser benetzend und ein stabiles Netzwerk entsteht hier durch die Abschirmung kleiner Tropfen der Zweitflüssigkeit durch die Bildung von Partikelclustern. Das Prinzip der Kapillarsuspensionen wurde schon als vielseitiges Konzept vorgestellt, zum Beispiel zur Formulierung von fettreduzierten Schokoladenaufstrichen oder als innovatives Verfahren zur Herstellung hochporöser Keramiken.
Diese Dissertation beschäftigt sich nun mit der Formulierung von neuartigen, leitfähigen Pasten zur Herstellung von gedruckten Elektronikbauteilen unter Ausnutzung des Phänomens der Kapillarsuspensionen. Dies beinhaltet die Entwicklung eines neuen Formulierungskonzeptes ohne die Verwendung von rheologischen Additiven oder Stabilisatoren, wie sie in klassischen Formulierungen üblich sind. Erste Experimente wurden mit einem Modelsystem durchgeführt, hier Titandioxid (TiO2) Partikel dispergiert in n-Octanol und Wasser als Zweitflüssigkeit. Die Zugabe der Zweitflüssigkeit führt zu einem starken Netzwerk im „pendular state“, dessen Festigkeit als Funktion der Menge an Zweitflüssigkeit mittels Fließgrenzenmessungen quantifiziert wurde. Zusätzlich wurde auch die Viskosität im niedrigen (𝛾̇<100 s-1) und hohen (𝛾̇>100 s-1) Scherratenbereich untersucht, um die Anwendbarkeit für den Druckprozess zu untersuchen. Alle untersuchten Suspensionen zeigen ein strukturviskoses Verhalten, was für die Anwendung als Druckpaste bevorzugt ist. Bei niedrigen Scherraten ist die Viskosität eine Funktion der Menge an Zweitflüssigkeit und steigt mit zunehmendem Anteil an Zweitflüssigkeit. Im Ruhezustand, z.B. während der Lagerung, verhindert das Kapillarnetzwerk so die Sedimentation und Agglomeration der festen Phase. Im hohen Scherratenbereich ist die Viskosität unabhängig von der Zweitflüssigkeit und nur eine Funktion des Feststoffvolumenanteils. Große Deformationen wie sie im Druckprozess auftreten wurden mittels oszillatorischer Messungen simuliert. Der Druckprozess wurde hierfür in drei Intervalle geteilt. Diese sollen den Ruhezustand (kleine Deformationsamplitude), den Druckprozess (große Deformationsamplitude) und den abschließenden Ruhezustand (kleine Deformationsamplitude) darstellen, um die korrespondierenden, viskoelastischen Materialeigenschaften der Kapillarsuspensionen mit unterschiedlichen Zweitflüssigkeitsanteilen zu untersuchen. Diese Versuche haben gezeigt, dass Kapillarsuspensionen und das damit verbundene Netzwerk aus Partikel und Zweitflüssigkeit im Ruhezustand eine hohe Elastizität aufweisen, welche sich zügig nach dem simulierten Druckprozess regeneriert und somit ein sauberes Druckbild ohne Verlaufen unterstützt. Abschließend wurde die auf TiO2 basierten Kapillarsuspensionen mittels Dispenser verdruckt und die Profile der gedruckten Linien mit einem 3D Lasermikroskop untersucht. Der Einfluss des Zweitflüssigkeitanteiles und die daraus resultierende Güte des Druckmotives wurden anhand des Aspektverhältnisses aus Höhe und Breite der Profile und dem Kontaktwinkel zwischen Probe und Substrat beurteilt. Durch die Zugabe der Zweitflüssigkeit und das daraus resultierende Kapillarnetzwerk wird ein Verlaufen des Druckmotives auf dem Trägermaterial unterdrückt und somit die Druckqualität verbessert. So erhöht sich der Kontaktwinkel und das Aspektverhältnis durch die Zugabe von 5 vol% Zweitflüssigkeit um den Faktor drei und die Linienbreite fällt auf 40% des Wertes, der mit der Suspension ohne Zweitflüssigkeit erzielt werden konnte.
Zusätzlich zu den Fließ- und Druckeigenschaften, wurde das Modelsystem auch genutzt, um die Trocknung von Kapillarsuspensionen als Funktion der zugesetzten Menge an Zweitflüssigkeit zu untersuchen. Hierzu wurden kleine Mengen der Suspension als dünne Filme auf Polyester-Folien aufgebracht und zur Trocknung bei Raumtemperatur in einen Abzug gelegt. Die Auswertung der getrockneten Filme zeigt, dass ein bemerkenswerter Zusammenhang zwischen Zweitflüssigkeitsanteil und Rissbildung existiert. So ist die Anzahl der Risse und deren Größe mit zunehmender Menge an Zweitflüssigkeit in der ursprünglichen Kapillarsuspension Schritt für Schritt zurückgegangen. Trocknungsversuche wurden zusätzlich auch mit Zinkoxid (ZnO) und Aluminiumoxid (Al2O3) Partikeln durchgeführt. Diese wurden ebenso in n-Octanol dispergiert und Wasser als Zweitflüssigkeit zugegeben. Mit Zugabe der Zweitflüssigkeit bildet sich ein starkes Netzwerk aus, was in einem Anstieg der Fließgrenze deutlich wird. Ähnlich zu den TiO2 Proben, wird auch die Rissbildung wird mit zunehmendem Zweitflüssigkeitsanteil unterdrückt. Neben der Morphologie der getrockneten Proben mit ursprünglich unterschiedlichem Zweitflüssigkeitsanteil, unterscheiden sich diese auch hinsichtlich ihrer Trocknungsgeschwindigkeit. Infrarot-Absorptionsmessungen deuten darauf hin, dass die Trocknung durch die Zugabe der Zweitflüssigkeit signifikant beschleunigt wird.
Weitere Versuche wurden mit leitfähigen Silber- und Nickelpartikeln durchgeführt. Kapillarsuspensionen wurden mit Paraffinöl als Hauptphase und Wasser bzw. Wasser-Dimethylformamid(DMF)-Gemischen als Zweitflüssigkeit hergestellt. Alternativ wurde Terpineol als Hauptphase eingesetzt. Fließgrenzenmessungen wurden durchgeführt, um die Ausbildung eines Kapillarnetzwerkes und dessen Festigkeit zu untersuchen. Die Bestimmung der Viskosität von Nickel-basierten Kapillarsuspensionen mit variierendem Zweitflüssigkeitsanteil zeigt ein strukturviskoses Fließverhalten, wie es für den Druckprozess gewünscht ist. Im niedrigen Scherratenbereich ist die Viskosität umso höher je mehr Zweitflüssigkeit enthalten ist. Durch diese erhöhte Viskosität kann die Stabilität der Paste zum Beispiel während der Lagerung gewährleistet werden. Im hohen Scherratenbereich zeigt die Formulierungsmethode als Kapillarsuspension keinen Einfluss. Die Viskosität ist unabhängig von der Menge an Zweitflüssigkeit und nur eine Funktion des Volumenanteils der festen Phase. Der Einfluss der Grenzflächenspannung zwischen Haupt- und Zweitflüssigkeit wurden anhand von Nickelpartikeln in Paraffinöl untersucht. Als Zweitflüssigkeit wurde Wasser, ein Wasser-DMF-Gemisch (je 50 vol%) und reines DMF eingesetzt. Wie erwartet, zeigt sich hier ein direkter Zusammenhang zwischen Grenzflächenspannung und gemessenen Fließgrenzen. Je höher die Grenzflächenspannung der Lösungsmittelkombination, desto höher war die gemessene Fließgrenze der jeweiligen Kapillarsuspension bei einer konstanten Menge an Zweitflüssigkeit.
Um die elektrischen Eigenschaften der Kapillarsuspensionen mit Metallpartikeln zu untersuchen, wurden diese auf hitzebeständige Substrate aufgetragen und gesintert. Die resultierenden Schichtwiderstände wurden mittels der Van-der-Pauw-Methode bestimmt und mit den Werten für kommerzielle Druckpasten bzw. für ein patentiertes Formulierungsrezept verglichen. Zusätzlich wurden auch die Schichtdicken der gesinterten Filme untersucht. Anhand von Schichtdicken und Widerstandswerten kann gezeigt werden, dass Kapillarsuspensionen nach dem Sinterprozess dünnere und somit dichtere Schichten und zeitgleich auch eine hinreichend gute Leitfähigkeiten (ca. Faktor zwei gegenüber den kommerziellen Produkten) aufweisen. Die Profile der per Schablonendruck applizierten, feuchten Schichten wurden mit einem 3D Lasermikroskop untersucht. Mit Kapillarsuspensionen können aufgrund der hohen Fließgrenzen Profile mit steilen Kanten generiert werden, welche im Feinliniendruck gewünscht sind. Kapillarsuspensionen sind somit konkurrenzfähig gegenüber bereits etablierten, kommerziellen Pasten. Für Kapillarsuspensionen zeigt sich auch, dass die Linienbreite des Druckmotives durch die Zugabe der Zweitflüssigkeit deutlich reduziert wird. So spreiten Kapillarsuspensionen mit entsprechendem Zweitflüssigkeitsanteil kaum auf dem Substrat und erlauben so eine präzise Darstellung des Druckmotives beim hier verwendeten Schablonendruck.
Im letzten Abschnitt werden weitere Formulierungsansätze für Kapillarsuspensionen vorgestellt, die sich darauf konzentrieren die bisher erzielten Leitfähigkeiten zu verbessern. Zum Beispiel wurden Nickelplättchen statt kugelförmiger Partikel verwendet, die Partikelgrößenverteilung oder auch die Sinteratmosphäre variiert.
Abstract (englisch):
The rheology of suspensions can be altered dramatically by adding small amounts of a secondary liquid, which is not miscible with the continuous phase of the suspension. The addition of the secondary liquid changes the suspension rheology from fluid-like or weakly elastic to gel-like with high yield stresses possible depending on the amount of added liquid. Small droplets of the secondary liquid form a stable network together with the solid phase of the suspension regardless of whether the secondary liquid wets the solid better or worse than the bulk phase. These so-called capillary suspensions are divided into pendular and capillary state systems depending on the three-phase contact angle 𝜃. ... mehrThe contact angle 𝜃 is the angle made by the secondary fluid against the particles when surrounded by the bulk fluid. A capillary suspension with contact angles 𝜃<90° is placed in the pendular state with the secondary liquid forming small liquid bridges between adjacent particles. For contact angles 𝜃>90° solid phase and secondary liquid form a capillary state network, where small volumes of secondary liquid are enclosed by particle clusters. The capillary suspension phenomenon has been demonstrated as versatile tool, for example for the formulation of low-fat cocoa spreads or as novel processing route for highly porous ceramics.
This thesis focuses on the formulation of a novel, conductive printing paste for application in the printable electronics industry based on the capillary suspension phenomenon which excludes typical components of established formulations such as rheological additives and stabilizers. First experiments were conducted with a model system, here titanium oxide (TiO2) dispersed in n-octanol and water as secondary liquid. The addition of the secondary liquid leads to a strong pendular state network and the strength of the capillary network as function of the secondary liquid content was quantified by measuring the yield stress. Viscosity was investigated at low shear rates (𝛾̇<100 s-1) and high shear rates (𝛾̇>100 s-1) to examine the applicability for the printing process. The TiO2 based capillary suspensions show a shear-thinning viscosity function, which is favored for the printing process. The low shear viscosity is gradually increased by the addition of the secondary liquid and therefore the capillary network avoids sedimentation or agglomeration when the paste is at rest. At high shear rates the capillary network collapses and viscosity is determined by the solids loading only. Furthermore, the response of TiO2 based capillary suspensions with different amounts of added secondary liquid to high deformations was investigated by oscillatory shear. A printing process was simulated by a measurement procedure consisting of three intervals, starting with a rest interval and therefore a low deformation amplitude, followed by the simulated printing process with a high deformation amplitude and finally again a rest interval. It is shown, that the addition of the water leads to a tunable increase of elasticity, which is able to recover promptly after a high deformation interval. This is a beneficial characteristic for the printing process, because spreading of the paste on the substrate is suppressed and shape accuracy provided. Finally, the capillary suspensions with 0 %, 3 % and 5 % secondary liquid were printed using a dispenser and the shape of the printed lines was characterized using a 3d laser microscope. The height to width aspect ratio of the profile and contact angle formed between printed line and substrate are discussed as function of the secondary liquid amount. It is shown that the secondary liquid and the inherent capillary network support the shape accuracy of the printed pattern as spreading on the substrate is suppressed. This leads to an increase of the aspect ratio and contact angle by a factor of three and the line width drops down to 40 % of the width achieved with the suspensions with no added secondary liquid.
Additionally, a model system was used to study the drying behavior of capillary suspensions with varying fractions of secondary liquid. Thin layers were coated on polyester foils and dried at room temperature in a fume hood. The evaluation of the dry films shows a remarkable correlation of crack formation and secondary liquid content, which is a decrease in crack number and size for increasing secondary liquid amounts. The same experiments were also made with zinc oxide (ZnO) and aluminum oxide (Al2O3) particles and the result is again an increase in yield stress with increasing secondary liquid amount when using n-octanol as bulk and water as secondary liquid phase. And again, crack formation is reduced for increasing secondary liquid content. Besides of crack formation, also drying rate is influenced by the secondary liquid content. Infrared absorption measurements during drying were performed for the TiO2 suspensions with varying water fractions. These experiments indicate that drying time is significantly reduced when adding water to the suspension.
Further experiments were performed with conductive particles, such as nickel and silver particles. Capillary suspensions were made using either paraffin oil (bulk phase) and water-dimethyl formamid (DMF) mixtures (secondary liquid) as solvent combination or, alternatively, using terpineol and water. Yield stress measurements were performed, in order to investigate the formation of a capillary network and the strength of the resulting network. Viscosity measurements were made with nickel based capillary suspensions showing a shear-thinning behavior, which is preferred for printing pastes. The low-shear viscosity of the suspension is gradually increased due to the addition of increasing amounts of secondary liquid. This high viscosity of capillary suspensions at low shear rates avoids sedimentation and agglomeration of the solid phase, which is an important feature during storage of the paste. The high-shear viscosity remains unaffected by this stabilization method and is only influenced by the solid fraction of the conductive particles. Furthermore, the influence of interfacial tension on the strength of the capillary network was investigated using nickel particles dispersed in paraffin oil and adding either water, a water-DMF mixture (50:50 by volume) or pure DMF as secondary liquid. As expected, a correlation was found between network strength and interfacial tension. The higher the initial interfacial tension between the solvent combinations, the higher was the yield stress of the capillary suspension at a constant secondary liquid content.
To investigate the electronic properties of the metal based capillary suspensions, samples were coated on a heat stable substrate and sintered. The sheet resistivity of each layer was measured with the van-der-Pauw method and compared with the resistivity of commercial samples or formulations following a patent. Together with the sheet thickness measurements made after the sintering step, these experiments showed that capillary suspensions are able to create thinner, and therefore denser films after sintering with about twice the conductivity of the commercial samples and the pastes based on the patent. The profiles of the coated, wet layers, which were applied by stencil printing, were investigated with a 3D laser microscope and revealed that the capillary suspension based samples are able to compete with the commercial pastes. It is possible to generate profiles with steep edges when printing the capillary suspensions, which can be attributed to the high yield stress on account of the capillary network, and this is a desired characteristic when printing fine lines. For the capillary suspensions, the line width of the coated lines is significantly reduced with addition of the secondary liquid. The capillary suspension samples barely spread on the substrate maintaining the original stencil opening size.
Finally, this thesis demonstrates further experiments to improve conductivity of the metal layers made from capillary suspensions, e.g. by employing flake shaped particles, a polydisperse size distribution of the solid phase or a variation of the sintering atmosphere.