Abstract:
Nicht-kanonische α-Aminosäuren spielen unter anderem in der pharmazeutischen Industrie bei der Synthese von Antibiotika eine bedeutende Rolle. Als wichtiges Beispiel sind hierbei D-Phenylglycin oder substitutierte D-Phenylglycine zu nennen, welche Bestandteile von Penicillinen und Cephalosporinen sein können. β-Aminosäuren sind aufgrund ihrer besonderen strukturellen Eigenschaften ebenfalls von großer Bedeutung für pharmazeutische Produkte wie Peptidmimetika, Antibiotika oder biologisch aktive Sekundärmetabolite. Der Hydantoinase-Prozess dient der Herstellung enantiomerenreiner α-Aminosäuren mittels dynamisch kinetischer Resolution und wird bereits erfolgreich industriell angewendet. ... mehrBasierend darauf wurde ein modifizierter Hydantoinase-Prozess zur Synthese optisch reiner β-Aminosäuren untersucht.
Im Hinblick auf die Synthese einer neuen β-Aminosäure mithilfe des modifizierten Hydantoinase-Prozesses wurde in dieser Arbeit ein neu synthetisiertes Substrat, 6-(4-nitrophenyl)dihydro-pyrimidine-2,4(1H,3H)-dione (pNO2PheDU), untersucht. Es wurde eine achirale HPLC-Analytik zum qualitativen und quantitativen Nachweis des Substrates sowie der daraus resultierenden N-Carbamoyl-β-Aminosäure, NCarbpNO2βPhe, etabliert. Des Weiteren wurde eine chirale HPLC-Analytik zum Nachweis beider Entantiomere der N-Carbamoyl-β-Aminosäure entwickelt. So konnte mittels Ganzzellbiotransformationen neben der erfolgreichen enzymatischen Hydrolyse von pNO2PheDU durch die rekombinant exprimierte Hydantoinase aus Arthrobacter crystallopoietes DSM 20117 auch ein (S)-selektiver Umsatz des neuen Substrates durch dieses Enzym nachgewiesen werden. Dies macht pNO2PheDU zu einem vielversprechenden Substrat für die Synthese der Aminosäure para-nitro-β-Phenylalanin. Bei der Analyse dieser Stoffe mittels Dünnschichtchromatographie konnte zum einen gezeigt werden, dass α-Aminosäurederivate durch Ninhydrin- und Ehrlichs-Reagenz unterschiedlich derivatisiert werden als β-Aminosäurederivate und zum anderen, dass die synthetisierten pNO2-Derivate wiederum anders derivatisiert werden als β-Aminosäuren ohne pNO2-Rest.
In industriellen Anwendungen des Hydantoinase-Prozesses zur Herstellung optisch reiner α-Aminosäuren finden bisher hauptsächlich Ganzzellkatalysatoren Einsatz. Da diese jedoch auch Nachteile wie intrazelluläre Abbaureaktionen, Transportlimitierungen und niedrige Substratlöslichkeit mit sich bringen, wurde der Prozess in dieser Arbeit bezüglich einer Einsetzbarkeit in zellfreien Reaktionssystemen untersucht. Hierfür wurde die Hydantoinase aus A. crystallopoietes DSM 20117 zunächst mit einem His-tag versehen und außerdem wurde eine Codon-optimierte Variante dieses Enzyms mit C-terminalen His-tag sowie einem N-terminalen SBP-tag zur Aufreinigung und Immobilisierung synthetisiert.
Um anschließend die Expression funktionaler Hydantoinase in löslicher Form zu verbessern, wurde zunächst die Kultivierung und Expression unter Hypoxie untersucht. Dies resultierte in deutlich erhöhten spezifischen Aktivitäten für die Hydantoinase aufgrund einer verbesserten Expression. Außerdem konnte eine erfolgreiche Codon-Optimierung nachgewiesen werden, da die nicht optimierte Hydantoinase in jedem Fall geringere spezifische Aktivitäten aufzeigte als die optimierte.
Zur weiteren Verbesserung der Expression der Hydantoinase wurden verschiedene Parameter zur Kultivierung und Induktion mittels High-Throughput Screening in einem Mikrobioreaktionssystem (BioLector®) untersucht. Hierbei wies die Codon-optimierte Hydantoinase ebenfalls für jede untersuchte Kultivierungsstrategie höhere spezifische Aktivitäten auf als das nicht optimierte Enzym, was auf höhere Expressionsraten zurückzuführen ist. Die Zugabe von 3 % Ethanol zum Kultivierungsmedium führte zu einer weiteren Verbesserung der Expression sowie Erhöhung der spezifischen Aktivität der Codon-optimierten Hydantoinase. Untersuchungen der Expression ohne Induktion während der Kultivierung zeigten eine sehr hohe Basalaktivität des T7-Promotors auf, die daraus resultierende spezifische Aktivität war jedoch niedriger als bei induzierten Kulturen. Eine Verringerung des pH-Wertes des Mediums ergab keine signifikante Verbesserung der Expression oder Aktivität der Hydantoinase. Aus dem High-Throughput Screening ging die Kultivierung bei pH 7 mit 3 % Ethanol und Induktion mit 1 mM IPTG als beste Variante zur Expression aktiver Hydantoinase hervor.
Zusätzlich wurde die Coexpression der codon-optimierten Hydantoinase mit fünf verschiedenen Sets von Chaperonen zur verbesserten Faltung des Zielproteins untersucht. Ein erneutes Screening zeigte, dass keines der Chaperon-Sets eine Verbesserung der Expression erzielen konnte, wodurch auch keine erhöhte spezifische Aktivität erreicht wurde. Somit wurde aufgezeigt, dass die Überexpression von Chaperonen nicht nur Vorteile, sondern eventuell auch Nachteile, wie zum Beispiel eine erhöhte Proteaseaktivität oder eine Inhibierung der Expression natürlich vorkommender Chaperone mit sich bringen kann.
Um ein zellfreies Reaktionssystem für den Hydantoinase-Prozess zu ermöglichen, wurden die Hydantoinase sowie die Carbamoylase aus Arthrobacter crystallopoietes DSM 20117 über den His-tag mittels Ni-Sepharose Beads aufgereinigt. Das Protokoll konnte optimiert und somit die Aufreinigung für beide Enzyme erfolgreich durchgeführt werden.
Zur Immobilisierung beider Enzyme wurden funktionalisierte Magnetbeads verwendet, die ebenfalls über Metallionenaffinität den His-tag des jeweiligen Enzyms binden können. Nach der Optimierung einiger Parameter, wie beispielsweise der Regenerierung der Magnetbeads, konnte die Immobilisierung für beide Enzyme erfolgreich durchgeführt werden. Es wurden deutlich höhere spezifische Aktivitäten für die immobilisierten Enzyme im Vergleich zu den isolierten Enzymen erzielt. Des Weiteren wurden die funktionalisierten Magnetbeads zur Aufreinigung der Carbamoylase sowie der Hydantoinase über deren His-tag verwendet. Diese Methode führte zu deutlich höheren spezifischen Aktivitäten im Vergleich zur Aufreinigung der Enzyme mittels Ni-Sepharose Beads. Somit konnte eine schnelle und einfach durchzuführende Methode zur direkten Aufreinigung und Immobilisierung der Enzyme aus dem Rohextrakt etabliert werden. Durch eine niedrige Anzahl an Prozessschritten können Verluste an Aktivität und Ausbeute der Enzyme verhindert werden.
Des Weiteren wurde für die immobilisierte Hydantoinase erfolgreich der Umsatz von Phenylhydantoin, Benzylhydantoin und Hydroxymethylhydantoin gezeigt. Mit der immobilisierten Carbamoylase konnten die Substrate N-Carbamoylphenylglycin, N-Carbamoylphenylalanin sowie N-Carbamoylserin ebenfalls erfolgreich zu den entsprechenden Aminosäuren umgesetzt werden. Somit wurden die
Voraussetzungen zur Synthese verschiedener α-Aminosäuren durch den Einsatz des Hydantoinase-Prozesses im zellfreien Reaktionssystem geschaffen.
Abstract (englisch):
Non-canonical α-amino acids are very important intermediates for pharmaceuticals, for example D-phenylglycine or substituted D-phenylglycines as constituents of penicillines and cephalosporines. Due to their structural properties, β-amino acids are also of great relevance for pharmaceutical products like peptidomimetics, antibiotics or biologically active secondary metabolites. The Hydantoinase Process is successfully applied in industries for the production of enantiopure α-amino acids via dynamic kinetic resolution. Based on this process, a modified Hydantoinase Process was investigated for the synthesis of optically pure β-amino acids.
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Regarding the synthesis of a novel β-amino acid by a modified Hydantoinase Process, in this work a new chemically synthesized substrate, 6-(4-nitrophenyl)dihydropyrimidine-2,4(1H,3H)-dione (pNO2PheDU), was investigated. For the qualitative as well as quantitative analysis of this substrate and the resulting N-carbamoyl-β-amino acid (NCarbpNO2βPhe), an achiral HPLC-method was established. Furthermore a chiral HPLC-method for detection of both enantiomers of the N-carbamoyl-β-amino acid was developed. Consequently, alongside with the successful enzymatic hydrolysis of pNO2PheDU, the (S)-selective conversion of this novel substrate was verified conducting whole cell biotransformations with the recombinantly expressed hydantoinase from Arthrobacter crystallopoietes DSM 20117. These findings reveal pNO2PheDU as a promising substrate for the synthesis of the amino acid para-nitro-β-phenylalanine (pNO2βPhe). By analysis of these compounds by thin layer chromatography, it was shown that α-amino acid derivatives were differently derivatized than β-amino acid derivatives when using ninhydrin and Ehrlich´s reagent. Furthermore, derivatization of the synthesized pNO2-β-derivatives differed from other β-derivatives without a pNO2-residue.
Until now, industrial applications of the Hydantoinase Process for the production of optically pure α-amino acids mainly employ whole cell biocatalysts. Nevertheless, whole cell biocatalysis also bears disadvantages as intracellular degradation reactions, transport limitations as well as low substrate solubility. Therefore, this process was investigated regarding its applicability in cell-free reaction systems. For this purpose, the hydantoinase from A. crystallopoietes DSM 20117 was on the one hand genetically modified to receive a C-terminal His-tag and on the other hand the same hydantoinase was codon-optimized and synthesized with a C-terminal His-tag and additionally an N-terminal SBP-tag for purification and immobilization.
To improve the soluble hydantoinase expression, cultivation and induction under oxygen deficiency was investigated. Thus, markedly higher specific activities were achieved due to an improved expression. Furthermore, a successful codon-optimization was verified, since the hydantoinase without codon-optimization exhibited lower specific activities in every cultivation setup.
For further improvement of the hydantoinase expression, various cultivation and induction parameters were tested by conducting high throughput screening in a microbioreactor system (BioLector®). These results also revealed higher specific activities for the codon-optimized hydantoinase compared to the non-optimized enzyme for every investigated cultivation setup. Causing of chemical stress by the addition of 3 % ethanol to the cultivation medium led to a further improvement of expression as well as an increased specific activity for the codon-optimized hydantoinase. Examination of the expression without induction revealed a high basic activity of the T7-promoter, but the resulting specific activities were lower than for the induced cultures. A lower pH value of the cultivation medium caused no significant improvement. Based on the high throughput screening, the cultivation at pH 7 with 3 % ethanol in the cultivation medium and induction with 1 mM IPTG emerged as the best setup for expression of soluble hydantoinase.
Additionally, the coexpression of the codon-optimized hydantoinase and five different chaperone sets to assist folding of the target enzyme was investigated. Another high throughput screening of different parameters showed, that none of the tested chaperones was able to improve soluble hydantoinase expression. This points out, that the overexpression of chaperones involves not only advantages, but propably also drawbacks, like an increased proteolytic activity or the inhibition of natural chaperone expression.
To faciliate a cell-free reaction system, the codon-optimized hydantoinase as well as the carbamoylase from A. crystallopoietes DSM 20117 were purified by immobilized metal ion affinity using Ni sepharose beads. The protocol was optimized and purification was conducted successfully for both enzymes.
For the immobilization of both enzymes, functionalized magnetic beads were applied, which are also able to bind the His-tag of the target molecule by metal ion affinity. After optimization of several parameters as for example the regeneration of the magnetic beads, immobilization of the hydantoinase and carbamoylase was successful. Additionally, for the immobilized enzymes much higher specific activities were achieved. Furthermore, these functionalized magnetic beads were applied for the purification of both enzymes utilizing their His-tag. This method resulted in markedly higher specific activities compared to the purification via Ni sepharose beads. Consequently, a method for direct purification and immobilization from the crude cell extract was established, that is very fast as well as simple to perform and therefore prevents the loss of enzyme activity and recovery caused by an increased number of process steps.
For the immobilized hydantoinase, the hydrolysis of phenylhydantoin, benzylhydantoin as well as hydroxymethylhydantoin was successful and the immobilized carbamoylase was able to convert N-carbamoylphenylgycine, N-carbamoylphenylalanine and N-carbamoylserine to the corresponding amino acids. Therefore, the requirements for the synthesis of different α-amino acids by the Hydantoinase Process in cell-free reaction systems was accomplished.