Abstract:
Das Lernen neuer Bewegungen spielt eine fundamentale Rolle in der Natur. Menschliche Bewegungen sind in der Regel sehr komplex, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so erscheint. Die meisten dieser komplexen Bewegungen werden im Laufe des Lebens erlernt und erfordern somit eine Lernfähigkeit des Individuums. Wie diese motorischen Lernprozesse funktionieren, ist im Detail bisher nicht bekannt. Dennoch ist ein tieferes Verständnis dieser Prozesse notwendig, um Trainingsprotokolle in der Rehabilitation oder im Sport zu verbessern.
In der wissenschaftlichen Literatur liegen zahlreiche Befunde vor, die darauf hindeuten. ... mehrdass Interferenzen im Üben einen Einfluss auf die spätere Gedächtnisleistung und somit die Konsolidierung haben. Solche Einflüsse können sowohl positiv als auch negativ sein, in Abhängigkeit davon, ob Interferenzen während des Übens oder aber in unterschiedlichen Übungseinheiten mit entgegengesetzten kinematischen oder dynamischen Bedingungen stattfinden. Die neuronalen Mechanismen, die entweder zu einem Vorteil oder einen Nachteil führen, sind bisher unbekannt. Das Ziel dieser Dissertationsschrift war es deshalb, in drei empirischen Arbeiten die neuronalen Grundlagen zu untersuchen, die entweder positive oder negative Effekte nach einem interferenzhaltigen Üben hervorrufen. Dabei wurde neben der motorischen Adaptation an Kraftfeldbedingungen auch das Elektroenzephalogramm (EEG) aufgezeichnet.
Die erste Studie untersuchte, ob sehr instabile im Vergleich zu eher stabilen Übungsbedingungen zu einer besseren Konsolidierungsleistung führten. Dieses Phänomen, welches bereits als Kontextinterferenzeffekt bekannt ist, konnte hier mit einer motorischen Adaptationsaufgabe an veränderte dynamische Bedingungen bestätigt werden. Zusätzliche EEG-Analysen zeigten, dass diese positiven Effekte auf der Verhaltensebene mit Veränderungen in den Alpha-Frequenzen des parietalen Kortex in Verbindung zu stehen scheinen. Tiefgreifende Analysen deuten an, dass die positiven Befunde variablen Übens durch effektive Korrekturen auf Grund von Feedbackmechanismen hervorgerufen wurden. Jedoch sind zukünftige Studien notwendig, um diese Annahme zu bestätigen.
Die Befunde aus der ersten Studie konnten auch in der zweiten Studie dieser Dissertationsschrift reproduziert werden. Zusätzlich wurde in dieser zweiten Studie untersucht, ob Schlaf einen Einfluss auf die Konsolidierungsfähigkeit einer Kraftfeldadaptationsaufgabe hat und ob solch ein Einfluss durch instabile Übungsbedingungen beeinflusst wird. Dazu wurden drei unterschiedliche Methoden kombiniert, nämlich: das Kraftfeldparadigma, das EEG und das Polysomnogramm. Die Ergebnisse zeigten keinen Hinweis auf einen Schlafeffekt, unabhängig von den Übungsbedingungen. Dennoch konnte im Polysomnogramm eine erhöhte Spindelaktivität in den niedrigen Frequenzbändern gefunden werden, welche mit der motorischen Leistung korrelierte.
Die dritte Studie untersuchte, ob eine separate Übungseinheit, 24 Stunden nach der ersten Übungseinheit, einen negativen Einfluss auf den Wiederabruf der motorischen Aufgabe hat. Dabei bestand die Interferenz darin, dass das zu adaptierende Kraftfeld in der separaten Übungseinheit dem Kraftfeld der ersten Übungseinheit räumlich entgegengesetzt war. Dieses so genannte 'ABA' Paradigma führte zu einer verringerten motorischen Leistung im Wiederabruf der Aufgabe aus der ersten Übungseinheit, verglichen mit einer Kontrollgruppe, die keine separate Übungseinheit hatte. Die vergleichsweise bessere Leistung der Kontrollgruppe beim Wiederabruf trat zusammen mit einer erhöhten Leistung der Gamma-Frequenzen im EEG über frontalen Gehirnarealen auf. Dieser Effekt war jedoch nur von kurzer Dauer und verringerte sich während der Nachtestung.
Insgesamt konnte diese Dissertationsschrift zeigen, dass EEG Aufnahmen während motorischer Adaptationsaufgaben an Robotermanipulanda möglich sind. Hohe Interferenzen während der Übungseinheit können einen positiven Einfluss auf die Konsolidierungsleistung haben, welche mit den Alpha-Frequenzen über parietalen Gehirnarealen in Verbindung steht. Es ist möglich, dass die positiven Befunde auf der Verhaltensebene durch Feedback-Korrekturmaßnahmen während der Bewegungsdurchführung hervorgerufen wurden. Außerdem konnte die zweite Studie zeigen, dass die Leistung im EEG Alpha Band die behaviorale Konsolidierungsleistung prädizieren kann, sofern das Üben unter eher stabilen Bedingungen stattfand.
Wenn Interferenzen jedoch durch unterschiedliche Übungseinheiten mit gegen-sätzlichen Kraftfeldrichtung hervorgerufen werden, verringert diese Interferenz die motorische Leistung beim Wiederabruf. Dieser verringerte Wiederabruf fällt jedoch weniger stark aus, wenn das Üben mittels eingestreuter 'catch trials' variabler gestaltet wird. Somit scheint die Konsolidierung motorischer Erinnerungen nicht nur auf den Faktor 'Zeit' zu beruhen. Unterschiedliche Resultate ähnlicher Studien lassen vermuten, dass 'Zeit', aber nicht 'Schlaf', ein wichtiger Faktor für die Konsolidierung von Adaptationsaufgabe darstellt, es jedoch noch weitere Faktoren wie zum Beispiel die Übungsvariabilität gibt, die den uneinheitlichen Forschungsstand hervorrufen.
Abstract (englisch):
Motor learning is a fundamental aspect of animals struggle for survival. Regarding humans, most of our complex motor behavior is developed ontogenetically by means of motor practice in our everyday life. The representation of these motor abilities in the brain and how different practice conditions affect the learning processes remain unknown. A thorough understanding of motor learning especially on the neural level would lead to improved training protocols in rehabilitation and sports and might even be able to help in the treatment of neuromuscular diseases.
There is a big consensus in the literature that interference in motor practice does have an impact on the subsequent memory consolidation and that this impact can either be positive or negative. ... mehrThat is why the integration of different forms of interference into training protocols reflects a prominent field of research. Positive affects are mostly observed in retention and transfer tests when interference occurs within the practice session, leading to variable or unstable practice conditions. However, if interference occurs due to a separate practice session by means of the same motor task but of opposing kinematic or dynamic conditions, recall of the previously learned motor task is hampered. The underlying neural mechanisms which either in- or decrease the memory consolidation are still not understood. The aim of this thesis was to investigate both types of interference on the behavioral and neural level. Therefore, three empirical studies were conducted which used the force field adaptation paradigm flanked by electroencephalographic (EEG) recordings. In total, these studies captured the whole memory process from the encoding over the consolidation to the retrieval.
The first study aimed to examine if highly unstable compared to more stable practice conditions have an impact on the motor memory consolidation in force field adaptation tasks. The behavioral findings support previous work showing that variable practice comes in line with positive consolidation affects. Neural recordings support this view. Behavioral and neural findings together led to the suggestion that motor benefits are facilitated by online feedback corrections during movement execution and that these mechanisms might be linked to the brains alpha frequencies over parietal areas.
These findings of motor benefits after variable practice were reproduced in the second study of this thesis. This study also aimed to investigate if motor adaptation to force field conditions depends on sleep and if such a potential role of sleep depends on different practice schedules. To do so, this study combined force field adaptation learning with wake EEG and night polysomnographic recordings. The results showed that consolidation of force field adaptation does not depend on sleep, regardless of the variability during practice. However, slow wave's sleep spindle activity correlated with the behavioral performance which needs further investigation.
In the third study of this thesis, interference was implemented in a separate training session 24 h after the first session. Within this second session, the direction of the force field to be practiced was in the opposite direction compared to the first practice session. This so called 'ABA' paradigm led to a reduced retrieval performance in the experimental group compared to a control group which did not practice under interfering conditions. The comparably better motor performance of the control group came in line with an increased power in the EEG's higher gamma frequencies over frontal areas. However, this effect was short lasting and vanished during retesting.
Altogether, this thesis is able to show that EEG recordings are feasible in motor adaptation tasks using robotic devices. High interference during practice is able to increase the motor memory consolidation and these benefits are associated with the brains parietal alpha power. There are several indications for a potential role of online feedback corrections during movement execution with this facilitating the motor benefits, but future work is needed. The studies in this thesis also showed that alpha power was predictive for the subsequent consolidation performance but only when subjects practiced under more stable and not highly unstable conditions.
If interference was implemented in an opposing task in a different practice session, retest performance was hampered. However, if the practice session took place under variable conditions (e.g. interspersed with catch trials) the effects of interference were less intense. This indicates that motor memory consolidation must not purely represent a time dependent process, since there was a 24 h consolidation period between the two practice sessions. However, the findings here are not consistently reported by other studies. It seems that time but not sleep plays a role in the motor memory consolidation of force field adaptation tasks but other factors, like the variability of practice, contribute as well.