Abstract:
Im Rahmen dieser Arbeit konnte mit Hilfe verschiedener Prozessstrategien die makromolekulare Zellzusammensetzung photoautotropher Mikroorganismen während der Kultivierung erfolgreich manipuliert werden. Im Zentrum der Untersuchungen stand dabei, wie sich unterschiedliche Kultivierungsparameter, mit Hauptaugenmerk auf die Photonenflussdichte und die Substratkonzentration, im Labor- und Pilotmaßstab auswirken. Als Modellorganismus diente die Mikroalge Chlorella vulgaris. An diesem Stamm wurde der Einfluss der Licht-, Kohlenstoffdioxid- und Stickstoffverfügbarkeit auf das Wachstum und die Zellzusammensetzung unter idealisierten Wachstumsbedingungen in einem Rührkesselreaktor näher untersucht. ... mehrEs gelang, nicht nur die spezifische Wachstumsgeschwindigkeit von Chlorella vulgaris in Abhängigkeit von einem limitierenden Substrat, sondern zusätzlich die Auswirkung des Substrates auf die stöchiometrische Grundzusammensetzung zu bestimmen. Im Bereich niedriger Biotrockenmassekonzentrationen von cX = 0,3 g L-1 sind für eine optimale Prozessführung mit einer Wachstumsrate µ ≥ 2 d-1 eine minimale Photonenflussdichte von PFD0 = 200 µmol m-2 s-1, ein CO2-Partialdruck von 0,5 kPa - bzw. ein CO2-Anteil des eintretenden Luftstroms von 0,5 % (v/v) - und eine Ammoniumkonzentration von mindestens c(NH4+)Zulauf = 20 mg L-1 nötig. Für diesen Betriebspunkt ergibt sich eine Zellzusammensetzung mit einem Gesamtproteingehalt zwischen qP = 0,4 und 0,5 g g-1, einem Kohlenhydratgehalt zwischen qKh = 0,2 und 0,3 g g-1 sowie einem Lipidgehalt zwischen qL = 0,1 und 0,2 g g-1. Ist eine höhere Proteinausbeute erwünscht, sollte die beschriebene Strategie einer substratgesättigten Kultivierung bei gleichzeitiger Lichtlimitierung angewendet werden. Wird eine höhere Kohlenhydrat- oder Lipidausbeute verlangt, ist die ausgeführte Strategie einer stickstofflimitierten Kultivierung zielführend. Der eigens zur Untersuchung von stickstoffgesättigtem und -limitiertem Wachstum etablierte kontinuierliche Luminostat-Prozess für Chlorella vulgaris konnte erfolgreich auf die Mikroalge Nannochloropsis limnetica, die Kieselalge Phaeodactylum tricornutum sowie das Cyanobakterium Synechocystis sp. übertragen werden. Bei allen Stämmen führte, übereinstimmend mit publizierten Ergebnissen, ein Stickstoffmangel zu einer Speicherstoffakkumulation und eine ausreichende Stickstoffversorgung zu einer Proteinakkumulation. Die Übertragbarkeit des entwickelten Prozesses kann daher als bestätigt gelten.
Die Ergebnisse der Wachstumskinetik in Abhängigkeit von der Photonenflussdichte und der Stickstoffverfügbarkeit für den Stamm Chlorella vulgaris sowie das metabolische Netzwerk wurden zur Erstellung eines strukturierten Modells genutzt, um pho-toautotrophes Wachstum zu simulieren. Das generierte Modell ist in der Lage, zellinterne Verän-derungen der Zellzusammensetzung in einem Chargenprozess nach Eintritt einer Stickstofflimi-tierung mit Hilfe spezifischer Raten zu beschreiben. Insgesamt wurden 16 spezifische Raten zur Darstellung der anabolen und katabolen Stoffwechselwege berechnet. Die bei den Simulationen erhaltenen Wachstumsverläufe stimmen sehr gut mit experimentell gewonnenen Daten überein. Im Mittel liegt die relative Streuung der geschätzten Parameterwerte unterhalb der unteren Schranke von 15 %. Das postulierte Zellmodell wird durch das Simu-lationsergebnis und die gemessenen Wachstumskinetiken sowie durch die Er-gebnisse der Luminostat-Versuche unterstützt. Die makromolekulare Zellzu-sammensetzung wird maßgeblich von der Photonenflussdichte, der CO2-Verfügbarkeit und der Stickstoffverfügbarkeit beeinflusst.
Die oben erwähnte Zunahme des Proteinanteils unter lichtlimitierten Wachstumsbedingungen konnte auf einen Anstieg der Anteile der Proteinkomplexe der Photosysteme zurückgeführt wer-den. Von 18 untersuchten Aminosäuren stimmen 12 Aminosäuren in ihrer prozentualen Zunahme zu über 80 % mit deren jeweiligen Anteil in den Proteinkomplexen der Photosysteme I und II überein. Die Erkenntnisse bestätigen Literaturangaben, nach welchen lichtlimitiertes Wachstum zu einer erhöhten Expression von Lichtsammelkomplexen führt. Als Reaktorsystem wurde ein 8 L Plattenreaktor im kontinuierlichen Luminostat-Betrieb eingesetzt. Ergänzend konnte, mit Hilfe von statistischer Versuchsplanung und -auswertung, ein Zu-sammenhang von Protein- und Chlorophyll-Zellquota nachgewiesen werden. Da die Pigmente der Lichtsammelkomplexe ebenfalls unter lichtlimitierten Bedingungen verstärkt exprimiert werden, ist die Aussage nachvollziehbar, dass unter lichtlimitierten Bedingungen der Proteingehalt der Zelle ansteigt. Die Medienkomponenten Ammoniumchlorid, Magnesi-umsulfat und Eisensulfat zeigten einen signifikanten Einfluss auf den Protein- und Pigmentgehalt. Unter den hier verwendeten Versuchsbedingungen wurde für Chlorella vulgaris als Maxi-mum ein Proteinanteil von qP = 0,65 g g-1 erreicht.
Zur genaueren Charakterisierung des Cyanobakteriums Synechocystis sp. wurde die spezifische Wachstumsgeschwindigkeit in Abhängigkeit von der Licht- und Phosphatverfügbarkeit unter idealisierten Wachstumsbedingungen untersucht. Es zeigte sich, dass eine minimale Photonenflussdichte von PFD0 = 46 µmol m-2 s-1 und eine Phosphatkonzentration von mindestens c(PO43-)Zulauf = 4,16 mg L-1 eingestellt werden sollten, um unter den gegebenen Ver-suchsbedingungen eine hohe Wachstumsrate von µ ≥ 1,3 d-1 zu garantieren. Eine quantitative Charakterisierung der Bedingungen, welche eine Akkumulation des Biopolymers Cyanophycin von bis zu qCP = 0,4 g g-1 begünstigen, wurde mit Hilfe von Chargenprozessen in Plattenreakto-ren verwirklicht. Vorausgehende Arbeiten konnten - wenn auch nur qualitativ - zeigen, dass Sy-nechocystis sp. zur Anreicherung dieses Biopolymers unter Phosphatlimitierung fähig ist. Neben dem spezifischen Phosphoranteil von qP,X < 4 mg g-1, welcher eine erhöhte Cyanophycin-synthese induzierte, konnte der minimal notwendige Phosphoranteil von qP,X < 1 mg g-1 be-stimmt werden, bei welchem das stöchiometrische Limit erreicht wird und die Zellen das Wachs-tum einstellen. Da die Zellen trotz phosphatlimitierten Wachstums bis qP,X > 1 mg g-1 eine gleichbleibende PCE erreichten, kann außerdem davon ausgegangen werden, dass phosphatlimi-tiertes Wachstum keinen Stresszustand für Synechocystis sp. darstellt.
Um die Erkenntnisse aus dem Labormaßstab in den Pilotmaßstab zu übertragen, wurde eine Kultivierung in einem 230 L Freiland-Plattenreaktor durchgeführt. Als Prozessvariante wurde ein im Vergleich zu kontinuierlichen Prozessen ökonomisch sinnvollerer repetitiver Chargenprozess gewählt. Die wechselnden Bedingungen der Tag- und Nachtphasen und die damit verbundenen photosynthetischen und respiratorischen Zellaktivitäten stellen bei Freilandkultivierungen eine besondere Herausforderung dar. Die eintretenden pH Änderungen erforderten die Regelung des CO2-Eintrags durch einen PI-Regler. Wie in vorausgegangenen Arbeiten wurde durch die Kombination eines PI-Reglers mit einer Ammoniaklösung als pH Stellmittel außerdem eine Stickstofflimitierung erfolgreich vermieden. Mit dieser Strategie wurde bei Chlorella vulgaris ein Proteinanteil von bis zu qP = 0,63 g g-1 im Labormaßstab bzw. qP = 0,65 g g-1 im Pilotmaßstab erzielt. Über die Prozesszeit konnte ein zyklischer Verlauf der Zell-zusammensetzung - bedingt durch die Tag- und Nachtphasen - beobachtet werden. In den Nachtphasen sank die Biotrockenmassekonzentration cX um bis zu 10,0 % aufgrund respiratori-scher Prozesse zur Energiebereitstellung.
Zusammengenommen wurden verschiedene Strategien entwickelt und verifiziert, die eine Mani-pulation der Synthese biologischer Makromoleküle durch photoautotrophe Mikroorganismen ermöglichen. Die Produktausbeute kann aktiv beeinflusst werden. Der Anteil essentieller Ami-nosäuren oder gesättigter Fettsäuren kann im Bereich stöchiometrischer Minima und Maxima verschoben werden; dies kommt den Wünschen der Futter- und Nahrungsmittelindustrie bezüg-lich einer gezielten Produktion physiologisch wertvoller Stoffgruppen entgegen. Kostengünstig wirkt sich die Möglichkeit einer Freilandkultivierung aus. Eine präzise Bestimmung von Wachs-tumskinetiken in Abhängigkeit von limitierenden Substraten kann einen essentiellen Beitrag für die Prozessentwicklung liefern, sofern produktrelevante zellinterne Regelkreise entsprechend berücksichtigt werden. Mess- und regelungstechnische Verfahren ermöglichen außerdem eine Automatisierung von Prozessen. Die quantitative Verfügbarkeit von Nährstoffen und Energielie-feranten bestimmt sämtliche metabolischen Vorgänge in der Zelle und wirkt sich direkt auf die Wachstumsrate aus. Eine gezielte Prozessauslegung erfordert daher eine allumfassende quantita-tive Betrachtung der Abläufe in- und außerhalb einer Zelle.
Abstract (englisch):
In the frame of this study it was possible to successfully modify the macromolecular cell com-position of photoautotrophic microorganisms by using different process strategies from lab to pilot scale. The influences of single cultivation parameters such as photon flux density and the availability of substrates were in the focus of investigations. The microalgae Chlorella vulgaris was used as a benchmark strain. The effects of light, carbon dioxide and nitrogen availability on cell growth and cell composition of this strain were examined using a stirring tank reactor under idealized conditions. ... mehrThe specific growth rate of Chlorella vulgaris in dependence on limiting substrates was determined as well as their impact on the basic stoichiometric cell composition. For cell dry mass concentrations of cX = 0.3 g L-1 the following conditions are required to ensure a specific growth rate of µ ≥ 2 d-1: a minimum photon flux density of PFD0 = 200 µmol m-2 s-1, a partial pressure of CO2 of 0.5 kPa - corresponding to a CO2 amount of 0.5 % (v/v) in the supply air - and an ammonium concentration of minimum c(NH4+)feed = 20 mg L-1. Under these condi-tions, a cell composition with a total protein content between qP = 0.4 and 0.5 g g-1, a carbohy-drate content between qKh = 0.2 and 0.3 g g-1 and a lipid content between qL = 0.1 and 0.2 g g-1 were achieved. To produce higher protein quantities, a cultivation under substrate-saturated and light-limited growth conditions should be conducted. To generate higher carbohydrate or lipid quantities, nitrogen-limited cultivation conditions are required. The specifically established lu-minostat process to investigate nitrogen-saturated and nitrogen-limited growth of Chlorella vul-garis was successfully translated to the microalgae Nannochloropsis limnetica, the diatom Phaeodactylum tricornutum as well as the cyanobacterium Synechocystis sp.. Nitrogen depriva-tion led to an accumulation of storage compounds and a sufficient nitrogen supply to an accu-mulation of proteins for all tested strains. This confirms that the developed procedure is trans-ferable.
For Chlorella vulgaris growth kinetics depending on photon flux density and nitrogen availabil-ity as well as a metabolic network of a photoautotrophic cell were used to generate a structured cell model to simulate photoautotrophic growth. By use of biomass specific formation and con-sumption rates, this model is able to describe intracellular changes of the macromolecular cell composition during a batch process when nitrogen deprivation is entered. Altogether, 16 biomass specific formation and consumption rates were simulated to describe anabolic and katabolic pathways of cell metabolism. The obtained simulated graphs are in good agreement with curves based on experimental data. Furthermore, the relative deviation of the estimated parameter val-ues lie - on average - below the lower limit of 15 %. The simulation results and the determined growth kinetics, as well as the results of the Luminostat experiments, confirm the postulated cell model. Photon flux density, the carbon dioxide availability and the nitrogen availability affect substantially the macromolecular cell composition.
The above-mentioned increase of the protein content in light-limited growth conditions can be attributed to an increased formation of the photosystem protein complexes. Of 18 analyzed amino acids, the increase in quantity of 12 amino acids coincides over 80 % with their respec-tive fraction in the protein complex of photosystem I and photosystem II, including light har-vesting complexes. These experiments were performed in an 8 L plate reactor in continuous mode as Luminostat. Additionally, with the help of “design of experiments”, a correlation be-tween protein and chlorophyll cell quotas was demonstrated. This is comprehensible, since the pigments of light harvesting complexes are expressed intensively at light-limited conditions as well. The media components ammonium chloride, magnesium sulfate and iron sulfate signifi-cantly influenced the protein and pigment formation. Under the applied experimental conditions a maximum protein content of qP = 0.65 g g-1 was achieved with Chlorella vulgaris.
In a stirring tank reactor under idealized conditions the specific growth rate in dependence on the light and phosphate availability of the cyanobacterium Synechocystis sp. was investigated. These experiments revealed, that a minimum photon flux density of PFD0 = 46 µmol m-2 s-1 and a minimum phosphate concentration of c(PO43-)feed = 4.16 mg L-1 are necessary to guarantee a high specific growth rate of µ ≥ 1.3 d-1. In several batch processes was quantified how much phosphate is required to achieve a Cyanophycin content up to qCP = 0.4 g g-1. Until now, it was only known that Synechocystis sp. concentrates the biopolymer Cyanophycin under phosphate deprived growth conditions but these conditions have not been evaluated precisely. In this work the specific amount of phosphorous that induces an intensified Cyanophycin synthesis, namely qPhosphor,X < 4 mg g-1, was determined and as well the essential minimum of phosphorous where the stoichiometric growth limit is reached and the cells are forced to stop growth, namely qPhos-phor,X < 1 mg g-1. At phosphorous quotas exceeding qPhosphor,X > 1 mg g-1 the cells continue to grow with a simultaneously stable photo conversion efficiency - despite prevailing phosphate limita-tion in the medium - due to intracellular polyphosphate sources. Therefore, Synechocystis sp. cells do not experience stress under these conditions. To translate insights from lab scale exper-iments to pilot scale, an outdoor cultivation was performed using a 230 L plate reactor. For eco-nomic and technical reasons, instead of a continuous process a repeated batch cultivation was performed. The changing conditions due to the day and night cycles and the related photosyn-thetic and respiratory activities of the cells pose a particular challenge for outdoor cultivations. Due to varying pH values, the carbon dioxide supply has to be adjusted constantly. This was realized by the implementation of a PI controller. Additionally, for pH regulation, an alkaline ammonia solution was feeded and thus a limitation of nitrogen avoided. This course of action led with Chlorella vulgaris to a total protein content up to qP = 0.63 g g-1 in lab scale and up to qP = 0.65 g g-1 in pilot scale. Due to preset and natural light and dark periods, the cell composi-tion underwent cyclical changes. During the dark phase, cell dry mass concentration decreased up to 10 % in consequence of respiratory processes for energy supply.
Taken together, this work presents, develops and verifies different strategies how to manipulate the production of biological macromolecules in photoautotrophic microorganisms. It is shown, that the product yield can be influenced actively by changing process parameters. The quantities of essential amino acids or saturated fatty acids can be shifted within the range of stoichiometric minima and maxima. Hence, the objective of a targeted production of physiologic valuable group of substances by the feed and food industry is getting closer. Outdoor cultivations present a cost-effective cultivation option. A precise determination of growth kinetics in dependence on limiting substrates can contribute substantially to process development as long as product-related intracellular regulatory circuits are considered accordingly. Furthermore, measurement and regu-lation technologies can facilitate the automatization of cultivation processes. The available quan-tities of substrates and energy suppliers rule all metabolic processes in the cell and directly affect growth rate. An adequate design of cultivation processes requires therefore a full and proper quantitative consideration of all processes inside and outside of a cell.