Abstract:
Als Kohlenstoffquelle mit der größten Verfügbarkeit auf unserem Planeten, ohne Konkurrenz zur Lebens- und Futtermittelversorgung, stellt Cellulose eine interessante Alternative dar, um die vielfältig genutzten, nicht-nachhaltigen Polymere auf Erdölbasis zu ersetzen. Die Mehrheit der Forscher, die mit diesem faszinierenden Biopolymer arbeiten, vernachlässigt allerdings Überlegungen zur Nachhaltigkeit in die chemische Modifizierung von Cellulose bei der Herstellung von Materialien zu integrieren. Die Konsequenz dessen ist eine Verlagerung der Umweltbelastung auf andere Abschnitte des Prozess-Zyklus. ... mehrUm Nachhaltigkeit sicherzustellen, sind deshalb sowohl der erneuerbare Aspekt von Cellulose als auch Überlegungen zur Nachhaltigkeit im Reaktionsprozess wichtig. Dies beinhaltet die Berücksichtigung des Lösungsmittels, die Reaktanden, des Derivatisierungsprozesses, die produzierten Abfälle sowie eine Beurteilung der Nachhaltigkeit der resultierenden Produkte, die relevante Eigenschaften aufweisen müssen um mit bestehenden Alternativen konkurrieren zu können. Diese Arbeit ist deshalb in drei Teile gegliedert (Löslichkeit, Rückgewinnung und Derivatisierung von Cellulose) und befasst sich mit den verschiedenen Aspekten der Nachhaltigkeit während der Umsetzung von Cellulose mit dem Ziel, verarbeitbare Materialien herzustellen.
Im ersten Teil der Arbeit wurde ein nachhaltiges Lösungsmittelsystem für Cellulose untersucht. In diesem Zusammenhang wurde eine detaillierte Optimierungsstudie des DBU-CO2 schaltbaren Lösungsmittelsystems mittels in-situ Infrarot Spektroskopie durchgeführt. Nach der Optimierung konnten bis zu 8 Gew.-% Cellulose innerhalb von 15 min. bei 30°C und einem niedrigen CO2-Druck (2-5 bar) gelöst werden. Verglichen mit klassischen Lösungsmitteln für Cellulose weist dieses Lösungsmittelsystem verschiedene nachhaltige Aspekte auf: Einfaches Recycling durch entfernen des CO2-Drucks, schnelles und mildes Auflösen und geringere Kosten als ionische Flüssigkeiten. Durch erfolgreiches Abfangen des in-situ gebildeten Cellulose-Carbonats mit einem Elektrophil, konnte schließlich ein besseres Verständnis dieses Lösungsmittelsystems erreicht werden.
Die erfolgreiche Optimierung eines Lösungsmittelsystems für Cellulose führte zum zweiten Teil der Arbeit: der Regenerierung von Cellulose. Hier wurde der bereits mit anderen Systemen beschriebene Weg von Lösen und Ausfällen, gefolgt von Gefriertrocknen übernommen, um Cellulose-Aerogele herzustellen. Verschiedene Bedingungen bei der Verarbeitung wie die Cellulose-Konzentration, Lösungsmittel zum Ausfällen und die Superbase und deren Effekt auf die Eigenschaften der Aerogele (Dichte, Morphologie und Porengröße) wurden untersucht. So wurden Aerogele mit einer Dichte von 0.05-1.20 g/cm3, Porositäten zwischen 92 und 97% und Porengrößen zwischen 1.1 und 4.5 µm erhalten. Zusätzlich wurden im Rasterelektronenmikroskop offene große und makroporöse, miteinander verbundene Cellulose-Netzwerke beobachtet.
Die Derivatisierung von Cellulose zur Herstellung von thermisch verarbeitbaren Materialien wird im dritten Teil der Arbeit behandelt. Dieser Teil ist in die zwei Kapitel Umesterung und Modifizierung durch Multikomponenten-Reaktionen unterteilt. Im ersten Kapitel, und unter Berücksichtigung der Prinzipien der Nachhaltigen Chemie, ermöglichte die einzigartige Natur des DBU-CO2 schaltbaren Lösungsmittelsystems (Möglichkeit zur Änderung der Polarität) den direkten Einsatz von Sonnenblumenöl mit hohem Ölsäuregehalt in der Umesterung von Cellulose. Dieser Ansatz ist nachhaltiger als der übliche Einsatz von aktivierten Säurederivaten (z.B. Anhydride oder Säurechloride), die nicht nur giftig sind, sondern gleichermaßen im Voraus synthetisiert werden müssen. Es wurde ein Substitutionsgrad von 1.59 erreicht und die erhaltenen Fettsäure-Cellulose-Ester (FACEs) konnten zu Filmen mit guten mechanischen und thermischen Eigenschaften verarbeitet werden (E-Module von bis zu 478 MPa, maximale Spannung von 22 MPa, Zersetzungstemperaturen bis zu 368°C). Im zweiten Kapitel wurden Multikomponenten-Reaktionen (MCRs) eingesetzt, um multifunktionale, verarbeitbare Materialien auf Cellulosebasis zu synthetisieren. MCRs sind Eintopfreaktionen, weisen üblicherweise eine hohe Atomökonomie und Effizienz auf und benötigen keine Aufreinigung zwischen den Syntheseschritten. Der erste Ansatz, Cellulose direkt mit CO2 in einer Ugi Fünfkomponenten-Reaktion umzusetzen, war nicht erfolgreich. Ein indirekter Ansatz unter Verwendung von mit Bernsteinsäureanhydrid modifizierter Cellulose in der Ugi Vierkomponenten-Reaktion war jedoch erfolgreich. In diesem Fall wurden modifizierte Cellulosederivate mit hohem Molekulargewicht (193-242 kDa) erhalten, diese zeigten hohe Tg-Werte zwischen 99 und 116°C. Die Tg-Werte konnten durch einen einfachen Austausch der einzelnen Komponenten verändert werden.
Um den Anwendungsbereich der Multikomponenten-Reaktionen zu erweitern, wurde anschließend die Passerini Vierkomponenten-Reaktion eingeführt. Der Schlüsselschritt in diesem Ansatz war das in-situ gebildete Carbonat-Ion im CO2 schaltbaren Lösungsmittelsystem, das die direkte Einführung von CO2 in die synthetisierte Verbindung ermöglichte. Dieser Ansatz, der eine Möglichkeit zur Fixierung von CO2 zur Herstellung nützlicher Verbindungen darstellt, ermöglicht auch den direkten Einsatz von verschiedenen Alkoholen (primär, sekundär, aromatisch, allylisch). Da viele Kohlenhydrate Hydroxygruppen enthalten, könnte diese Reaktion in der Zukunft neue Möglichkeiten für deren Modifikation eröffnen.
Abstract (englisch):
As the most abundant source of carbon in our planet, without any competition with food or feed supplies, cellulose is a viable alternative to replace the widely used and unsustainable fossil-based polymers. However, the majority of researchers working on this fascinating biopolymer fail to incorporate sustainability considerations during cellulose chemical transformation to make materials. The consequence is a shift of the “environmental burden” to other stages of the process cycle. Therefore, to ensure sustainability, both the renewability feature of cellulose as well as sustainability considerations concerning its transformation processes are necessary. ... mehrThis implies to consider the solvent, the reactants, the derivatization process and the wastes produced as well as an evaluation of the suitability of the resultant products, for which relevant properties have to be obtained to compete with existing alternatives. This thesis is therefore divided into three main parts (solubilization, regeneration and derivatization of cellulose), and addresses the various concerns of sustainability during cellulose transformation with an end-goal of making processable materials.
In the first part of the thesis, a sustainable solvent system for cellulose was investigated. In this regard, a detailed optimization study of the DBU-CO2 switchable solvent system was performed using in-situ infrared spectroscopy. Upon optimization, up to 8 wt.% cellulose could be dissolve within 15 min at 30 °C using low CO2 pressure (2-5 bar). What makes this solvent system sustainable, when compared to other classical cellulose solvents, includes: easier recyclability by simple release of the CO2 pressure, fast and mild solubilization and lower cost compared to ionic liquids. Finally, by successfully trapping the formed in-situ cellulose carbonate using an electrophile, a clearer understanding of this solvent system was established.
The successful optimization of a sustainable solvent system for cellulose led to the second part of the thesis: the regeneration of cellulose. Here, the general solubilization and coagulation ways followed by freeze-drying was adopted to prepare cellulose aerogels. Various processing conditions such as cellulose concentration, coagulating solvent and super base, were investigated on their effect of the aerogels properties (density, morphology, pore size). The obtained results showed aerogels with densities between 0.05 and 1.2 g/cm3, porosities between 92 and 97 % and pore sizes between 1.1 and 4.5 µm. In addition, from scanning electron microscopy (SEM), open large macroporous inter-connected cellulose networks were observed.
The derivatization of cellulose to make thermally processable materials is covered in the third part of the thesis. This part is divided into two sub-parts; transesterification and multicomponent reaction modification. In the first sub-part, and keeping in mind the principles of Green Chemistry, the unique nature of the studied DBU-CO2 switchable solvent system (ability to switch polarity) allowed for a direct use of high oleic sunflower oil in the transesterification of cellulose. This approach is more sustainable than the more common use of activated acid derivatives (i.e. anhydrides or acid chlorides), that are not only toxic, but equally need to be pre-synthesized. A degree of substitution (DS) of 1.59 was achieved and the obtained fatty acid cellulose esters (FACEs) could be processed into films showing good mechanical and thermal properties (elastic modulus up to 478 MPa, maximum stress of 22 MPa, thermal degradation up to 368 °C). In the second sub-part, multicomponent reactions (MCRs) were employed to synthesize multifunctional processable cellulose-based materials. MCRs, which are one pot reactions and generally highly atom economic as well as efficient, avoid the purifications in between steps. The first attempt of using cellulose directly alongside CO2 in an Ugi five component reaction was unsuccessful. However, an indirect approach using succinylated cellulose and applying the Ugi four component reaction was successful. In this case, high molecular weight modified celluloses (193-242 KDa) were obtained and showed Tg values between 99 and 116 °C. Interestingly, their Tg values could be tuned by simply changing any of the components.
Finally, in perspective and to expand the scope of multicomponent reactions, the Passerini four component reaction was introduced. The key in this approach was the in situ generated carbonate anion in the CO2 switchable solvent system, allowing the direct incorporation of CO2 into the synthesized compounds. This approach, which can be seen as a way of trapping CO2 into making valuable compounds, also allows the use of a diverse class of alcohols (primary, secondary, aromatic, allylic) directly. As many carbohydrates contain hydroxyl groups, this reaction could open new routes for their valorization in the future.