Abstract:
In der vorliegenden Arbeit wird eine biologisch inspirierte Syntheseroute zur Darstellung von nitroxidfunktionalisierten, adhäsiven Makromolekülen präsentiert. Ein vielseitiges Polymerbeschichtungsverfahren wurde angewendet, um verschiedene Materialoberflächen gezielt mit nitroxidcharakteristischen multi-radikalen, elektroaktiven und Antibiofilm-Eigenschaften zu versehen.
Zu Beginn ist die Synthese eines polymerisierbaren Katecholamins beschrieben, das mit einer Nitroxid-funktionellen Gruppe verknüpft worden ist. L 3,4-Dihydroxyphenylalanin (L-DOPA) wurde mittels einer Amid-Kupplungsreaktion und unter Anwendung von konventioneller Schutzgruppenchemie an ein Derivat von 2,2,6,6-Tetramethylpiperidin-1-oxyl (TEMPO) gebunden. ... mehrDas maßgeschneiderte Monomer, gekennzeichnet als DOPA-TEMPO, wurde als entsprechendes Hydroxylamin Dihydrochlorid-Salz in der darauffolgenden aeroben Polymerisation unter leicht alkalischen wässrigen Bedingungen eingesetzt. Anhand von UV/VIS-spektroskopischen Messungen wurde der Oxidation der Katecholeinheit, einhergehend mit der Enstehung von ortho-Chinon abgeleiteten Struktureinheiten, eine entscheidene Rolle im anfänglichen Aufbau von reaktiven Oligomerzwischenstufen zugewiesen. Eine vermehrte Nitroxidradikalentstehung (ingesamt 85%) ausgehend von der aeroben Oxidation des Hydroxylamins wurde im zweiten Abschnitt der DOPA-TEMPO Polymerisation beobachtet. Des Weiteren wurde der kovalente Charakter von Poly(DOPA-TEMPO) anhand der hochauflösenden Massenspektrometrie mit Elektrospray-Ionisation (HR-ESI-MS) bewiesen. Oligomere mit bis zu sechs Wiederholeinheiten wurden identifiziert und Indol-ähnliche Bausteine wurden als wichtige Strukturmotive, geltend für das Polymerrückgrat, vorgeschlagen.
Die Charakterisierung mittels hochauflösender Massenspektrometrie wurde weiterhin für die Strukturanalyse eines vergleichbaren Polymersystems vollzogen, bei dem das entsprechende Methoxyderivat von DOPA-TEMPO als Monomer diente. Breite Oligomerprofile mit bis zu acht Wiederholeinheiten wurden mittels HR-ESI-MS detektiert, das auf eine äußerst heterogene Polymerzusammensetzung mit einer Vielzahl an koexistenten und strukturell vielseitigen Struktureinheiten schließen lässt. Dihydroxyindol wurde als elementarer Grundbaustein im Polymerrückgrat nachgewiesen. Dennoch wurde eine klare Tendenz hinzu des vermehrten Einbaus an nichtzyklischen Katecholeinheiten mit steigender Polymerkettenlänge beobachtet.
Anschließend wurde das DOPA-TEMPO Polymerisationsverfahren in eine vielseitige Beschichtungsstrategie umgewandelt, welches eine substratunabhängige Nitroxid-Oberflächenfunktionalisierung ermöglichte. Die Haftungseigenschaften von Poly(DOPA-TEMPO)-Oberflächenbeschichtungen wurden in Abhängigkeit verschiedener Substrattypen getestet. Hierbei kamen Silicium, keramisches Aluminiumoxid, Titan und chemisch-inertes Poly(tetrafluoroethylen) (PTFE) als Materialien zum Einsatz. Anhand von Röntgenphotoelektronenspektroskopie (XPS), Rasterkraftmikroskopie (AFM) und Kontaktwinkelmessungen wurde die Bildung von nitroxidhaltigen Polymerfilmen auf den oben genannten Oberflächen kritisch nach einer Reaktionsdauer von 24 Stunden untersucht. Die inhärente Oberflächenrauigkeit von unbeschichtetem PTFE kompensierte hierbei womöglich die vorherrschenden schwachen (nichtkovalenten) Bindungswechselwirkungen zwischen dem Grenzflächenmodifizierer und dem Substrat, wie es XPS Messungen in der Anfangsphase der Polymerisation nach 12 Stunden gezeigt haben. Im Gegensatz dazu wurde eine verlangsamte Polymerablagerung auf glatten Siliciumoberflächen beobachtet. Ein kontinuierlich wachsender Polymerfilm mit einer gemittelten Wachstumsrate von ca. 1,1 nm pro Stunde wurde anhand von Ellipsometriemessungen ermittelt und die Polymerschichtdicken anschließend mittels AFM Höhenprofilmessungen bestätigt. Des Weiteren wurde die Oberflächenrauigkeit der Beschichtungen mittels AFM genauestens bestimmt. Die reversiblen Redoxeigenschaften von Nitroxidpolymeren, die zuvor auf Glasskohlenstoff- und Platinarbeitselektroden immobilisiert worden sind, wurden mittels Cyclovoltammetrie elektrochemisch analysiert. Weiterhin wurde ein lichtabhängiges (UV B) Photopolymerisationsverfahren für die Darstellung von Poly(DOPA-TEMPO) Oberflächenbeschichtungen etabliert.
Dynamisch-kovalente Alkoxyamin-funktionelle Gruppen wurden auf Oberflächen von Poly(glycidylmethylacrylat) (PGMA) Mikropartikeln aufgebracht. Dabei wurden die PGMA Mikropartikel zuerst mit einer dünnen nitroxidhaltigen Polymerschicht umhüllt, die mittels einer oxidativen Copolymerisation von Dopamin und DOPA-TEMPO (molares Verhältnis 9:1) generiert wurde. Die nitroxidhaltigen Mikropartikel wurden in aufeinanderfolgenden Nitroxidradikalkupplungsreaktionen (NRC) und thermischen Alkoxyaminbindungsbrüchen reversibel funktionalisiert. Als Machbarkeitsnachweis der wiederbeschreibaren Oberflächeneigenschaften wurden chloroalkyl- und fluoroalkylfunktionalisierte 2-Bromoisobutyratderivate als NRC Reagenzien eingesetzt, da diese Moleküle einen guten XPS Kontrast aufwiesen. Zudem wurde das vielseitige Nitroxidbeschichtungsverfahren erweitert, indem eine ortsaufgelöste Oberflächenfunktionalisierung mit synthetischen Polymersträngen präsentiert wurde. Photochemisch aktives Poly(methymethacrylat) (PMMA) und Poly(2,2,2-trifluoroethylmethacrylat) (PTFEMA), die jeweils mit einem Irgacure 2959 Photoinitiatorsystem terminiert worden sind, wurden an nitroxiddekorierten Polydopaminoberflächen mittels NRC-Photoklick-Reaktionen gebunden. Die zweifache Oberflächenmusterung mit den entsprechenden Polymeren wurde anhand von Flugzeit-Sekundärionen-Massenspektrometrie (ToF-SIMS) and XPS Bildgebungsmethoden nachgewiesen.
Im letzten Teil der Dissertation wurde eine neue Strategie zur Prävention von Biofilmen auf Oberflächen präsentiert. Nitroxidbeschichtete Hydroxylapatitoberflächen wurden einer Pseudomonas aeruginosa Biofilmkultivierung ausgesetzt (für 72 Stunden unter einem kontinuerlichen Fluss des Nährmediums). Hierbei wurde ein mit grünfluoreszierendem Protein (GFP) gekennzeichneter PA14 Stamm verwendet. Die Antibiofilm-Eigenschaften wurden eindeutig den im Polymer eingebauten Nitroxiden zugeordnet. Etwaige Nebenwirkungen von der umgebenen Polymermatrix konnten ausgeschlossen werden. Des Weiteren wurden Synergieeffekte zwischen nitroxidfunktionalisierten Oberflächen und antibiotisch wirkendem Ciprofloxacin in der Eradikation von Biofilmen verdeutlicht. Das vielseitige und anpassungsfähige Nitroxidbeschichtungssytem wurde weiterhin für die orts¬aufgelöste Oberflächenimmobilisierung von Nitroxiden auf Titanimplantaten angewendet. Die von Licht gesteuerte Entstehung von Antibiofilm-Domänen wiesen eine beachtliche Resistenz gegenüber P. aeruginosa Biofilmen auf. Das weitreichende Potential dieses vielseitigen Beschichtungsverfahren in biomedizinischen Anwendungen wurde hiermit aufgezeigt.
Zusammenfassend wurde die makromolekulare Gestaltung von nitroxidfunktionellen Oberflächen präsentiert. Unter Anwendung eines milden Polymerisationsverfahren und einer weitreichenden Oberflächenbeschichtungsstrategie wurden verschiedene Materialgrenzflächen präzise modifiziert. Die in der vorliegenden Arbeit präsentieren Ergebnisse tragen zur Entwicklung von hochfunktionellen Materialien bei, einschließlich der Weiterentwicklung von dynamisch-kovalenten Polymermaterialien und nachhaltigen elektroaktiven Verbundsmaterialien. Besonders vielversprechend erwies sich die Verschmelzung von nitroxidbasierenden Antibiofilm-Eigenschaften mit einer biologisch inspirierten und substratunabhängigen Beschichtungsverfahrenweise, aus der eine neuartige prophylaktische Strategie zur Reduzierung von biofilmassoziierten Infektionen hervorgetreten ist.
Abstract (englisch):
This thesis reports a sophisticated avenue for the generation of nitroxide-containing bioadhesive polymers. The versatile polymer coating platform was applied to the precision design of various material interfaces, equipping them with nitroxide-stemming multi-radical, electroactive and antibiofilm properties.
First, the synthesis of a polymerisable catecholamine equipped with a nitroxide functional group is introduced. L-3,4-Dihydroxyphenylalanine (L-DOPA) was amide linked to a 2,2,6,6-tetramethylpiperidine-1-oxyl (TEMPO) derivative, implemented by standard protecting group chemistries. ... mehrThe tailor-made monomer, denoted as DOPA-TEMPO, was employed as the corresponding hydroxylamine dihydrochloride species for subsequent aerobic polymerisation under slightly alkaline, aqueous conditions. The oxidation of the catechol moiety toward o-quinoic species was ascribed a critical role during the initial build-up of reactive oligomeric intermediates as investigated by UV–visible spectroscopy. An accelerated nitroxide radical formation (overall 85%) derived from aerobic hydroxylamine oxidation was observed in the second stage of DOPA-TEMPO polymerisation. Furthermore, the covalent nature of poly(DOPA-TEMPO) scaffolds was confirmed by high-resolution electrospray ionisation mass spectrometry (HR-ESI-MS). Oligomers with up to six repeating units were identified and indole-like building blocks have been proposed as important structural motifs constituting the polymer backbone.
The HR-ESI-MS characterisation platform was further expanded for the structural elucidation of an analogous polymer system using the methoxyamine derivative of DOPA-TEMPO as the corresponding monomer. Broad oligomer profiles with up to eight repeating units were detected by HR-ESI-MS indicating a heterogeneous polymer composition with multiple coexisting and structurally diverse building blocks. Dihydroxyindole was designated as the key structural element along the polymer backbone. However, a clear trend toward higher content of incorporated uncyclised catecholic building blocks was observed with increasing polymer chain length.
Subsequently, the DOPA-TEMPO polymerisation protocol was applied as a versatile coating strategy for substrate-independent nitroxide surface functionalisations. The adhesive performances of poly(DOPA-TEMPO) coatings were examined using various types of substrates including silicon, ceramic alumina, metallic titanium and chemically inert poly(tetrafluoroethylene) (PTFE). X-ray photoelectron spectroscopy (XPS), atomic force microscopy (AFM) and contact angle measurements were employed to critically assess the formation of thin nitroxide-containing polymer films deposited on all employed surfaces after 24 h of polymerisation. The inherent surface roughness of uncoated PTFE most likely compensated for the predominant weak (noncovalent) binding interactions between the interfacial modifier and the underlying substrate during the initial stage of polymerisation (12 h). In contrast, a decelerated polymer film formation was overserved when smooth silicon was employed as a substrate. A continuously growing polymer film formation on silicon with an average growth rate close to 1.1 nm∙h−1 was monitored by spectroscopic ellipsometry. AFM height profile measurements confirmed the polymer film thicknesses and further depicted the inherent surface roughness of poly(DOPA-TEMPO) coatings. The reversible redox properties of nitroxide polymer films adherent on glassy carbon or platinum working electrodes were assessed electrochemically by cyclic voltammetry (CV). In addition, an advanced photopolymerisation protocol for poly(DOPA-TEMPO) coatings was established for light-controlled (UV-B) polymer film formations onto surfaces.
Dynamic covalent alkoxyamine switches were introduced at the interface of poly(glycidyl methacrylate) (PGMA) microspheres. PGMA microspheres were coated beforehand by a thin nitroxide-containing polymer film obtained through oxidative copolymerisation of dopamine and DOPA-TEMPO (molar ratio 9:1). Coding and decoding of nitroxide functional microspheres were performed in consecutive nitroxide radical coupling (NRC) and thermal alkoxyamine fission reaction steps. As a proof of concept, the rewritable surface properties were illustrated using chloroalkyl- and fluoroalkyl-functionalised 2-bromoisobutyrate derivatives as NRC agents with good XPS contrast. Moreover, the versatile nitroxide coating platform was expanded for spatially resolved surface photopatterning with synthetic polymer strands. Photoactive poly(methyl methacrylate) (PMMA) and poly(2,2,2-trifluoroethyl methacrylate) (PTFEMA) polymer strands, terminated with an Irgacure 2959 photoinitiator system, were rapidly conjugated to nitroxide-decorated poly(dopamine) surfaces using NRC photo-click reactions. Dual polymer surface patterning was evidenced by time-of-flight secondary ion mass spectrometry (ToF-SIMS) and XPS imaging.
In the final part of the thesis, an evolving strategy for the prevention of biofilm formation on surfaces is presented. Nitroxide-coated hydroxyapatite surfaces were exposed to Pseudomonas aeruginosa biofilm cultivation (for 72 h under flow conditions) using a green fluorescent protein (GFP)-labelled PA14 strain. The antibiofilm coating properties were unambiguously assigned to the polymer-embedded nitroxide functional moieties with no side effects stemming from the surrounding polymer matrix. Synergistic effects of nitroxide functional coatings and antibiotic ciprofloxacin were demonstrated in biofilm eradication assays. The versatile and adaptable nitroxide coating system was further exploited in nitroxide surface immobilisations onto titanium implants with spatial resolution. The photopatterned antibiofilm domains showed substantial resistance toward P. aeruginosa biofilm formation, which further demonstrates the wide-ranging potential of this versatile antibiofilm coating strategy in biomedical applications.
In conclusion, the macromolecular design of nitroxide functional materials was explored. The mild polymerisation and straightforward surface coating strategies ensured a widespread practical use for the precision surface engineering of various material interfaces. The herein presented results promoted the design of smart functional materials including dynamic covalent polymer materials and sustainable electroactive composite materials. Most importantly, the fusion of nitroxide-stemming antibiofilm properties with a bioinspired and substrate-independent coating technique has emerged as a novel prophylactic strategy to reduce biofilm-related infections.