Abstract:
Grundwasserabhängige Ökosysteme sind weltweit durch Entwässerung, Grundwasserentnahmen, Nähr- und Schadstoffeinträge, Einwanderung von Neobiota und den Klimawandel stark gefährdet. Die EU-Wasserrahmenrichtlinie (2000/60/EC vom 23. Oktober 2000) fordert daher Grundwasservorkommen derart zu bewirtschaften, dass ein Schutz und eine Verbesserung des Zustands aquatischer Ökosysteme und der direkt von ihnen abhängigen Landökosysteme und Feuchtgebiete erreicht wird. Diesem Wortlaut entspricht das deutsche Wasserhaushaltsgesetz (WHG) in § 6 (1) mit der Forderung, Gewässer nachhaltig zu bewirtschaften, um ihre Funktions- und Leistungsfähigkeit als Bestandteil des Naturhaushalts und als Lebensraum für Tiere und Pflanzen auch im Hinblick auf die direkt abhängigen Landökosysteme und Feuchtgebiete zu erhalten und zu verbessern. ... mehr
Vor diesem rechtlichen Hintergrund sehen sich auch kommunale Wasserversorger in der Pflicht, ihre Grundwasserentnahme-Managements, die bislang stark nach Kriterien der Versorgungssicherheit, der Wasserqualität und der Energieeinsparung betrieben werden, zu optimieren. Die Minimierung negativer Beeinträchtigungen grundwasserabhängiger Arten und Lebensräume sowie die teilweise Kompensation negativer Auswirkungen des Klimawandels sind das Ziel. Am Beispiel der Stadtwerke Karlsruhe, die etwa 400000 Menschen mit Trinkwasser aus vier Grundwasserwerken in Wäldern rund um das Stadtgebiet versorgen, sollen die Arbeitsschritte bei der Konzeption eines ökologischen Entnahmemanagements aufgezeigt werden:
• Ermittlung der Steuerungsmöglichkeiten von Wassergewinnungsanlagen
• Bilanzierung hydraulischer Auswirkungen im Aquifer in Raum und Zeit
• Bewertung der hydroökologischen Vulnerabilität im Bewirtschaftungsgebiet
Aufbauend auf einer umfangreichen geoökologischen Systemanalyse des Untersuchungsgebiets wurden ein instationäres Bodenwasserhaushaltsmodell mit Siwa on ARCVIEW sowie ein instationäres Grundwasserströmungsmodell mit FEFLOW aufgebaut. Mit diesen Modellen lässt sich die Grundwasserströmung im Untergrund für den Zeitraum 1960 bis 2013 hoch aufgelöst modellieren und die hydraulischen Auswirkungen möglicher Bewirtschaftungsszenarien ermitteln.
Die Eingangsdaten des Bodenwasserhaushaltsmodells beruhen auf dem amtlichen BK 50-Datensatz, der bis Ende 2014 vom Landesamt für Geologie und Rohstoffe Baden-Württemberg für den unbebauten Bereich flächendeckend bereitgestellt wurde. Es wird ein Bewertungsansatz vorgestellt, wie die aus diesen Daten ableitbare bodenkundliche Filter- und Pufferfunktion für Schadstoffe in die etablierte hydrogeologische Vulnerabilitätsbewertung und damit ins Ressourcenmanagement von Wasserversorgern integriert werden kann. Es resultiert eine vereinfachte aber gleichzeitig fundiertere Bewertung.
Vor dem Hintergrund von Versorgungssicherheit, erteilten wasserrechtlichen Bewilligungen sowie der Trinkwasserhygiene werden die geringsten realisierbaren Grundwasser-Entnahmeraten der einzelnen Wasserwerke ermittelt. Mit Szenarienberechnungen werden die hydraulischen Auswirkungen im Grundwasserleiter bestimmt, die durch eine dreimonatige Förderreduzierung in jedem der Wasserwerke mit Umverteilung der fehlenden Wassermenge auf andere Wasserwerke resultiert. Aufbauend auf diesen Berechnungen lässt sich das Bewirtschaftungsgebiet in verschiedene Managementzonen untergliedern.
Um die hydroökologische Vulnerabilität des Bewirtschaftungsgebiets unter Berücksichtigung vorhandener naturschutzfachlich wertgebender Arten und Biotope zu ermitteln, war die Entwicklung einer neuen Bewertungsmethode notwendig. Diese ermöglicht es neben der etablierten Biotoptypenbewertung auch ein beliebiges Set an individuellen Arten oder Artengruppen in die ökologische Bewertung der Habitatfunktion einzubinden. Die Bewertung erfolgte auf Basis der Anhang-II-Arten der FFH-Richtlinie (92/43/EWG vom 21. Mai 1992), der nach BArtSchV (Anlage 1 Spalte 3) streng geschützten Amphibien- und Reptilienarten, der nach § 30 BNatSchG oder § 33 NatSchG geschützten Biotope und der FFH-Anhang-I-Lebensraumtypen. Aus dieser biotischen Flächenbewertung lässt sich unter Berücksichtigung von lokalem Grundwassereinfluss und art- bzw. biotopspezifischer Grundwasserabhängigkeit die hydroökologische Vulnerabilität im Bewirtschaftungsgebiet ableiten.
Als Synthese aus der hydroökologischen Vulnerabilität und dem Steuerungspotential der Wasserwerke wird unter Berücksichtigung der individuellen ökologischen Valenzbereiche der bewerteten Arten ein optimiertes Grundwasser-Entnahmemanagement konzipiert. Neu ist dabei die Abkehr von etablierten Warn- und Alarmwasserständen einzelner Grundwassermessstellen, bei deren Unterschreitung der Wasserwerksbetrieb eingeschränkt wird, um die Wasserstände nicht weiter absinken zu lassen. Diese Vorgehensweise wird zumindest für das in der Rheinaue gelegene Wasserwerk für ökologisch zielführend erachtet. Die vorgeschlagene Managementmaßnahme in diesem Bereich sieht die Aufrechterhaltung einer möglichst hohen Grundwasserschwankungsamplitude mit Spitzen im Frühjahr (Vernässungen) und Tiefstständen im Spätsommer (extreme Trockenheit) vor.
Weiterhin werden Maßnahmenvorschläge zur Förderung naturschutzrelevanter Tier- und Pflanzenarten über das Grün- und Freiflächenmanagement in den Wasserschutzgebieten unterbreitet. Diese stellen über die Entnahmemanagement-Maßnahmen hinaus ein nicht unerhebliches Potential zur Verbesserung der Erhaltungszustände der bewerteten Arten und Biotope dar.
Abstract (englisch):
Groundwater-dependent ecosystems throughout the world represent highly threatened habitats, due to draining, agriculture, eutrification, pollution, neobiota and climate change. The Water Framework Directive (2000/60/EC of 23 October 2000) therefore calls in Article 1 (a) for groundwater resources to be managed in such a way as to protect and improve the status of aquatic ecosystems, terrestrial ecosystems and wetlands directly dependent on them. The German Water Resources Act (WHG) includes a corresponding provision in § 6 (1) with the requirement to manage water bodies sustainably in order to maintain and improve their function and performance as an integral part of the natural ecosystem and as a habitat for animals and plants, also with regard to the directly dependent terrestrial ecosystems and wetlands.
... mehr
Against this legal background, municipal water suppliers also see it as their duty to optimise their groundwater abstraction management, which has up to now been based on criteria of supply security, water quality and energy saving. The objective is to minimise negative impacts on groundwater-dependent species and habitats and to partially compensate for negative impacts of climate change. The public water utility of Karlsruhe (Stadtwerke Karlsruhe), which supplies around 400,000 people with drinking water from four groundwater plants in forests around the city, is used as an example to illustrate the work steps involved in designing an ecological groundwater abstraction management system:
• Determination of technical management possibilities of the waterworks
• Determination of hydraulic impacts in the aquifer in space and time
• Assessment of hydroecological vulnerability in the management area
Based on a detailed geoecological system analysis of the study area, a transient soil water balance model with Siwa on ARCVIEW and a transient groundwater flow model with FEFLOW were developed. With these models, the groundwater flow in the subsurface for the period 1960 to 2013 can be modeled in high resolution and the hydraulic effects of possible management scenarios can be determined.
The input data of the soil water balance model are based on the official BK 50 data set, which was provided by the State Office for Geology and Raw Materials Baden-Württemberg (LGRB) for the uncovered area until the end of 2014. An assessment approach is presented how the soil filtration and buffering function for pollutants derived from these data can be integrated into the established hydrogeological vulnerability evaluation. The result is a simple but more well-founded assessment.
On the basis of security of supply, water law permits issued and drinking water hygiene, the lowest achievable groundwater abstraction rates of the individual waterworks are determined. Scenario simulations are used to determine the hydraulic effects in the aquifer resulting from a three-month reduction in withdrawal in each of the waterworks with redistribution of the missing water quantity to other waterworks. Based on these calculations, the management area can be subdivided into different management zones.
A new method was developed to determine the hydroecological vulnerability of the management area, taking into account present species of value for nature conservation. In addition to the established method of habitat assessment, this enables any set of individual species or species groups to be included in the ecological assessment of the habitat function. The assessment was carried out on the basis of the Annex II species of the Habitats Directive (92/43/EEC of 21 May 1992), the amphibian and reptile species strictly protected under the German BArtSchV (Annex 1 column 3), on the biotopes protected according to the German § 30 BNatSchG or § 33 NatSchG and FFH Annex I habitat types. On the basis of this ecological area assessment, the hydroecological vulnerability of the management area can be derived, taking into account local groundwater influence and species-specific groundwater dependency.
As a synthesis of hydro-ecological vulnerability and the management potential of the waterworks, an optimised groundwater withdrawal management is conceived taking into account the individual ecological valence ranges of the evaluated species. A new development is the renunciation of established warning and alarm water levels of individual observation wells, which, if they fall below this level, limit the operation of the waterworks in order to prevent water levels from declining further. At least for the waterworks located in the alluvial flood plain of the Rhine, this approach is considered to be ecologically expedient. The proposed management activity in this area is to maintain the highest possible groundwater fluctuation amplitude with peaks in spring (wetting) and depressions in (late) summer (extreme drought).
Furthermore, measures within the context of water protection area management that lead to the protection of animal and plant species relevant to nature conservation are also proposed. In addition to the withdrawal management measures, these represent a considerable potential for improving the conservation status of the evaluated species and habitats.