Abstract:
Hitzewellen sind meteorologische Extremereignisse mit gesundheitlichen und sozioökonomischen Auswirkungen. In einem sich verändernden Klima ist zu erwarten, dass diese Ereignisse zunehmen werden. Modernste numerische Wettervorhersagemodelle sind in der Lage, das Auftreten von Hitzewellen vorherzusagen. Beginn, Dauer, Ende und Ausmaß der Ereignisse stellen jedoch nach wie vor eine Herausforderung für die Vorhersagemodelle dar und das grundlegende Verständnis der Entstehung und Aufrechterhaltung von Hitzewellen ist noch immer nicht vollständig. Daher wird in dieser Arbeit untersucht, wie sich hohe oberflächennahe Temperaturen während Hitzewellen und die damit verbundenen obertroposphärischen Zirkulationsmuster entwickeln. ... mehrDarüber hinaus wird die Vorhersagbarkeit ausgewählter Hitzewellen untersucht.
Die erste Fallstudie analysiert die spätsommerliche Hitzewelle über Europa im Jahr 2016. Mittel-, West- und Südwesteuropa sind in erster Linie von den hohen Temperaturen betroffen. Sevilla (Spanien) erlebt am 5. September 2016 mit 44,8°C die höchste jemals gemessene Temperatur im September und in Trier (Deutschland) erreichen die Temperaturen am 13. September 2016 34,2°C. Die Hitzewelle ist durch drei deutliche Spitzenwerte gekennzeichnet, begleitet von Rekordwerten der geopotentiellen Höhe in 500 hPa und, in geringerem Maße, der Temperatur in 850 hPa. Diese Spitzenwerte stehen im Zusammenhang mit der Ankunft von hochamplitudigen Rossby-Wellenpaketen in Westeuropa. Letztere entstehen einige Tage vor dem Ereignis über dem Westen Nordamerikas. Während der drei Peaks der Hitzewelle ist nicht die lokale Temperaturadvektion, sondern das Absinken und die daraus resultierende adiabatische Kompression in der freien Atmosphäre in Kombination mit Grenzschichtprozessen für das Auftreten der extremen Temperaturepisoden verantwortlich. Operationelle Ensemblevorhersagen zeigen in Bezug auf die Modellklimatologie die höchsten Wahrscheinlichkeiten für extreme Temperaturen in Trier, gefolgt von Sevilla und Bordeaux.
Die Entwicklung hoher oberflächennaher Temperaturen während Hitzewellen wird für den Zeitraum von 1979 bis 2016 für verschiedene Klimazonen in Europa analysiert. Hitzewellen werden mit Hilfe eines auf einem Perzentil basierenden Index definiert und die Hauptprozesse, die entlang der Trajektorien quantifiziert werden, sind die adiabatische Kompression durch Absinken sowie lokale und entfernte diabatische Prozesse in der oberen und unteren Troposphäre. Diese Lagrangesche Analyse wird durch eine Euler'sche Berechnung der horizontalen Temperaturadvektion ergänzt. Während typischer Sommer in Europa treten ein oder zwei Hitzewellen mit einer durchschnittlichen Dauer von fünf Tagen auf. Während hohe oberflächennahe Temperaturen über Skandinavien von omega-ähnlichen Verteilungen der geopotentiellen Höhe in 500 hPa begleitet werden, sind Hitzewellen über dem Mittelmeer mit vergleichsweise flachen Rücken verbunden. Wenn die Luftmassen von den Hitzewellen rückwärts verfolgt werden, können drei Trajektoriencluster mit kohärenten thermodynamischen Eigenschaften, vertikalen Bewegungen und geographischen Ursprüngen identifiziert werden. In allen Regionen ist die horizontale Temperaturadvektion eher vernachlässigbar. In zwei der drei Cluster ist das Absinken in der freien Atmosphäre sehr wichtig, um hohe Temperaturen nahe der Oberfläche zu erzeugen, während sich die Luftmassen im dritten Cluster hauptsächlich aufgrund der diabatischen Erwärmung nahe der Oberfläche erwärmen. Große interregionale Unterschiede treten zwischen den Britischen Inseln und Westrussland auf. In der letztgenannten Region scheinen oberflächennaher Transport und diabatische Erwärmung sehr wichtig für die Bestimmung der Intensität der Hitzewellen zu sein, während für die Britischen Inseln Absinken und adiabatische Erwärmung von Bedeutung sind. Obwohl das großräumige Muster während der Hitzewellentage quasi-stationär ist, werden während des Lebenszyklus einer Hitzewelle ständig neue Luftmassen in die untere Troposphäre transportiert. Insgesamt bieten die Ergebnisse dieser Analyse einen Leitfaden, auf welche Prozesse und Diagnoseverfahren sich Wetter- und Klimastudien konzentrieren sollten, um die Schwere von Hitzewellen zu verstehen.
Auf die klimatologische Analyse hoher Oberflächentemperaturen während Hitzewellen folgt eine Lagrangesche Analyse von obertroposphärischen Antizyklonen, die in verschiedenen europäischen Regionen im Zeitraum von 1979 bis 2016 mit bodennahen Hitzewellen in Verbindung stehen. Um die Bildung dieser Antizyklonen und die Rolle diabatischer Prozesse zu klären, werden Luftpakete rückwärts von den obertroposphärischen Antizyklonen verfolgt und das diabatische Heizen in diesen Luftpaketen quantifiziert. Etwa 25-45 % der Luftpakete werden in den letzten drei Tagen vor ihrer Ankunft in den obertroposphärischen Antizyklonen diabatisch geheizt, und dieser Anteil steigt in den letzten sieben Tagen auf 35-50 %. Der Einfluss des diabatischen Heizens ist bei hitzewellenbedingten Antizyklonen in Nordeuropa und Westrussland größer und in Südeuropa kleiner. Interessanterweise findet das diabatische Heizen in zwei geographisch getrennten Luftströmen statt. Drei Tage vor der Ankunft befindet sich ein diabatisch geheizter Luftstrom (entfernter Luftstrom) über dem westlichen Nordatlantik und der andere diabatisch geheizte Luftstrom (nahe gelegener Luftstrom) über Nordwestafrika/Europa südwestlich der obertroposphärischen Zielantizyklone. Das diabatische Heizen im entfernten Luftstrom steht im Zusammenhang mit warm conveyor belts in nordatlantischen Zyklonen stromaufwärts des sich entwickelnden obertroposphärischen Rückens. Im Gegensatz dazu wird der nahegelegene Luftstrom durch Konvektion diabatisch geheizt, was durch eine erhöhte konvektiv verfügbare potenzielle Energie entlang der Westseite der stärker ausgeprägten obertroposphärische Antizyklone deutlich wird. Die meisten europäischen Regionen werden von beiden Luftströmen beeinflusst, während Westrussland überwiegend vom nahe gelegenen Luftstrom betroffen ist. Der entfernte Luftstrom beeinflusst vorwiegend die Bildung der obertroposphärischen Antizyklone und damit der Hitzewelle, während der nahe Luftstrom während der Aufrechterhaltung der Antizyklone aktiver ist. Bei lang anhaltenden Hitzewellen regeneriert sich der entfernte Luftstrom wieder. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass die dynamischen Prozesse, die zu Hitzewellen führen, möglicherweise empfindlich auf kleinskalige mikrophysikalische und konvektive Prozesse reagieren, deren genaue Darstellung in Modellen daher für die Vorhersage von Hitzewellen auf Wetter- und Klimazeitskalen entscheidend sein dürfte.
Die Arbeit schließt mit der Vorhersagbarkeit einer lang anhaltenden Hitzewelle, die vom 24. Juli bis zum 9. August 2018 weite Teile Mitteleuropas erfasste. Sowohl 3- als auch 7-tägige operationelle Vorhersagen unterschätzen oft die über das Gebiet der Hitzewelle gemittelten 2-m-Temperaturen. Fehler auf der 7-Tage-Zeitskala hängen mit der Dynamik in der oberen Troposphäre zusammen, wie eine konsistente Unterschätzung der geopotentiellen Höhe von 500 hPa zeigt. Allerdings sind die Fehler von 500 hPa geopotentieller Höhe bei 3-Tages-Vorhersagen erheblich reduziert, und für diese Vorlaufzeit hängen die Vorhersagefehler mit physikalischen Prozessen entlang der Trajektorien zusammen. In einem neuen und einzigartigen Ansatz, der auf einer Kombination von Trajektorien aus Reanalysen und Vorhersagen basiert, wird festgestellt, dass 2-m-Temperaturfehler von 3-Tages-Vorhersagen hauptsächlich auf diabatische Prozesse in der planetaren Grenzschicht zurückzuführen sind. Bei Vorhersagen, die die 2-m-Temperatur unterschätzen, wird die diabatische Erwärmung entlang von Trajektorien zwischen 12 und 18 UTC erheblich unterschätzt. Der Temperaturfehler am Ort der Hitzewelle ist auf die planetare Grenzschicht beschränkt und in der freien Atmosphäre deutlich reduziert.
Abstract (englisch):
Heat waves are meteorological extreme events with health and socio-economic impacts. In a changing climate, these events are expected to increase. State-of-the-art numerical weather prediction models are able to forecast the occurrence of heat waves. However, onset, duration, decay and magnitude of these events are still challenging for prediction models and basic understanding of the formation and maintenance of heat waves is still not complete. Therefore, this thesis investigates how high near-surface temperatures during heat waves and the associated upper-tropospheric circulation patterns evolve. ... mehrFurthermore, the predictability of selected heat wave cases is studied.
The first case study analyses the late summer heat wave over Europe in 2016. Central, western and southwestern Europe are primarily affected by the high temperatures. Seville, Spain, for example, experience the highest September temperature on record on 05 September 2016, reaching a maximum of 44.8°C, and temperatures in Trier, Germany, reaches 34.2°C on 13 September 2016. The heat wave is marked by three distinct peaks, accompanied by record‐breaking values for 500-hPa geopotential heights and, to a lesser extent, 850-hPa temperatures. These peaks are associated with the arrival of high‐amplitude Rossby wave packets in western Europe. The latter originates several days before the event over western North America. During the three peaks of the heat wave, subsidence and the ensuing adiabatic compression in the free atmosphere in combination with boundary layer processes, rather than local temperature advection, are instrumental in the occurrence of the extreme temperature episodes. Operational ensemble forecasts show, with respect to the model climatology, the highest probabilities for extreme temperatures in Trier, followed by Seville and Bordeaux.
The development of high near-surface temperatures during heat waves is investigated in a climatological analysis across different climates in Europe for the period 1979-2016. Heat waves are defined using a percentile-based index and the main processes quantified along trajectories are adiabatic compression by subsidence and local and remote diabatic processes in the upper- and lower troposphere. This Lagrangian analysis is complemented by an Eulerian calculation of horizontal temperature advection. During typical summers in Europe, one or two heat waves occur with an average duration of five days. Whereas high near-surface temperatures over Scandinavia are accompanied by omega-like blocking structures at 500 hPa, heat waves over the Mediterranean are connected to comparably flat ridges. Tracing air masses backwards from the heat waves, three trajectory clusters with coherent thermodynamic characteristics, vertical motions, and geographic origins are identified. In all regions, horizontal temperature advection is rather negligible. In two of the three clusters, subsidence in the free atmosphere is very important in establishing high temperatures near the surface, while the air masses in the third cluster are warmed primarily due to diabatic heating near the surface. Large interregional differences occur between the British Isles and western Russia. Over the latter region, near surface transport and diabatic heating appear to be very important in determining the intensity of the heat waves, whereas subsidence and adiabatic warming are of first order importance for the British Isles. Although the large-scale pattern is quasi-stationary during heat wave days, new air masses are steadily entrained into the lower troposphere during the life cycle of a heat wave. Overall, the results of this analysis provide a guideline as to which processes and diagnostics weather and climate studies should focus on to understand the severity of heat waves.
The climatological analysis of high-near surface temperatures during heat waves is followed by a Lagrangian analysis of upper-tropospheric anticyclones that are connected to surface heat waves in different European regions for the period 1979 to 2016. In order to elucidate the formation of these anticyclones and the role of diabatic processes, air parcels are traced backwards from the upper-tropospheric anticyclones and the diabatic heating in these air parcels is quantified. Around 25-45 % of the air parcels are diabatically heated during the last three days prior to their arrival in the upper-tropospheric anticyclones and this amount increases to 35-50 % for the last seven days. The influence of diabatic heating is larger for heat wave-related anticyclones in northern Europe and western Russia and smaller in southern Europe. Interestingly, the diabatic heating occurs in two geographically separated air streams. Three days prior to arrival, one heating branch (remote branch) is located above the western North Atlantic and the other heating branch (nearby branch) is located over nortwestern Africa/Europe to the southwest of the target upper-tropospheric anticyclone. The diabatic heating in the remote branch is related to warm conveyor belts in North Atlantic cyclones upstream of the evolving upper-level ridge. In contrast, the nearby branch is diabatically heated by convection, as indicated by elevated mixed-layer convective available potential energy along the western side of the matured upper-level ridge. Most European regions are influenced by both branches, whereas western Russia is predominantly affected by the nearby branch. The remote branch predominantly affects the formation of the upper-tropospheric anticyclone, and therefore of the heat wave, whereas the nearby branch is more active during its maintenance. For long-lasting heat waves, the remote branch regenerates. The results from this study show that the dynamical processes leading to heat waves may be sensitive to small-scale microphysical and convective processes, whose accurate representation in models is thus supposed to be crucial for heat wave predictions on weather and climate time scales.
The thesis closes with the predictability of a long-lasting heat wave, which affected large parts of Central Europe from 24 July to 09 August 2018. Both 3- and 7-day operational forecasts often underestimate 2-m temperatures averaged over the heat wave area. Errors on the 7-day time scale are related to upper-tropospheric dynamics, as shown by a consistent underestimation of 500-hPa geopotential height. However, 500-hPa geopotential height errors are considerably reduced in 3-day forecasts and for this lead time, prediction errors are related to physical processes along trajectories. In a new and unique approach that is based on a combination of trajectories from reanalysis and predictions, it is found that 2-m temperature errors of 3-day forecasts are mostly due to diabatic processes in the planetary boundary layer. In forecasts underestimating 2-m temperature, the diabatic heating along trajectories between 12 and 18 UTC is considerably underestimated. The temperature error at the location of the heat wave is confined to the planetary boundary layer and substantially reduced in the free atmosphere.