Abstract:
Hintergrund:
Für die Therapie von hirnorganischen Demenzerkrankungen werden, neben pharmakologischen
Therapieleistungen, nicht-pharmakologische Behandlungsformen wie
körperliche Aktivität herangezogen. Körperliche Aktivität kann auf die kognitive und
motorische Leistungsfähigkeit von Personen mit Demenz eine positive Wirkung haben.
Eine gute Evidenzlage ist jedoch, bedingt durch den Mangel von zielgruppenspezifischen
Bewegungsprogrammen, bis dato nicht eindeutig gegeben. Um diesem Mangel
zu begegnen, wird in der vorliegenden Dissertation ein demenzspezifisches, multimodales
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Bewegungsprogramm (DMB) speziell für Personen mit Demenz konzipiert und
mithilfe zweier Interventionsstudien im Sinne der Durchführbarkeit, Wirksamkeit und
Implementierung wissenschaftlich evaluiert.
Methodik:
Studiendesign: Die kontrollierte Pilotstudie soll die Durchführbarkeit des DMB überprüfen
und wird mit einer kleinen Stichprobe in zwei Altenpflegeeinrichtungen in einem
pre- post Design durchgeführt. Die Hauptstudie "Bewegung gegen Demenz" wird als
randomisierte, kontrollierte Interventionsstudie in 36 Altenpflegeeinrichtungen durchgeführt,
um die Wirksamkeit und Implementierung des DMB mit einer großen Stichprobe
im pre-post Design zu evaluieren.
Einschlusskriterien: Voraussetzung für eine Teilnahme an der Pilotstudie sind das Vorliegen
einer demenziellen Erkrankung sowie das Beherrschen der deutschen Sprache.
Zur Teilnahme an der Hauptstudie ist entweder eine, den Kriterien der ICD-10 entsprechende,
Verdachtsdiagnose auf eine hirnorganische, Demenzerkrankung oder eine
bestehende ärztliche Diagnose vorzuweisen (leichter bis mittlerer Erkrankungsgrad,
Mini-Mental State Test (MMST) 10-24). Mindestalter zur Teilnahme sind 65 Jahre, zudem
muss eine Gehfähigkeit von zehn Metern (mit oder ohne Gehhilfe) vorliegen. Eine
Einverständniserklärung und ärztliche Unbedenklichkeit zur Studienteilnahme sind erforderlich.
Intervention: In der Pilotstudie nimmt die Interventionsgruppe (IG) zehn Wochen an
einer verkürzten Form des DMB teil, welches sich aus rein motorischen und kognitivmotorischen
Dual-Task Aufgaben zusammensetzt. Die IG der Hauptstudie besucht
das DMB über einen Zeitraum von 16 Wochen.
Testverfahren: Um die Durchführbarkeit des DMB zu überprüfen werden Teilnahmeund
Drop-out Raten, Sicherheitsaspekte und die Protokolltreue in der Pilotstudie untersucht.
Zudem werden erste Tendenzen zur Wirksamkeit des DMB in der Pilotstudie
für die allgemeine kognitive Funktion (MMST), die psychomotorische Geschwindigkeit
und Aufmerksamkeit (Trail Making Test A (TMT), die Mobilität (Timed Up and Go Test
(TUG)), die Kraftfähigkeiten der unteren Extremität (der Five Times Sit to Stand Test
(FSTS)) und das Gleichgewicht (Functional Reach Test (FR)) herausgearbeitet. Zur
Überprüfung der Wirksamkeit werden in der Hauptstudie ebenfalls die Testverfahren
MMST, TMT und TUG eingesetzt Der Sit to Stand Test (STS) und die Frailty and Injuries:
Cooperative Studies of Intervention Techniques-4 (FICSIT) ersetzen die Testverfahren
FSTS und FR. Nach Abschluss der Hauptstudie werden zudem Mitarbeitende
zur selbstständigen Alltagsgestaltung der Teilnehmenden und dem benötigten Pflegeaufwand,
beziehungsweise zur Implementierung des DMB befragt.
Statistik: Um die Durchführbarkeit zu überprüfen werden deskriptive Statistiken sowie
retrospektive Einschätzungen berichtet. Mithilfe von parametrischen (Student’s t-Test),
beziehungsweise nicht-parametrischen Berechnungsverfahren (Mann-Whitney-U
Test, Wilcoxon Test) werden in der Pilotstudie erste Tendenzen zur Wirksamkeit des
DMB untersucht. Die Wirkung von körperlicher Aktivität auf die Leistungsfähigkeit von
Personen mit Demenz wird in der Hauptstudie durch eine Per-Protocol Analyse untersucht.
Mittels zweifaktorieller Varianzanalyse mit Messwiederholung, beziehungsweise
parametrischen und nicht-parametrischen Analyseverfahren werden Gruppenund
Zeiteffekte berechnet. Zusätzlich wird eine Subgruppenanalyse (Teilnehmende
mit leichtem (N= 57), beziehungsweise mittlerem Erkrankungsgrad (N= 51)) durchgeführt.
Die Befragung der Alltagsgestaltung und zum Pflegeaufwand wird jeweils über
Gruppenvergleiche von IG und Kontrollgruppe (KG) ausgewertet. Die Ergebnisse zur
Implementierung des Bewegungsprogramms werden deskriptiv berichtet.
Stichprobe und Ergebnisse:
Stichprobe: Von N= 32 geeigneten Teilnehmenden konnten N= 19 in die Pilotstudie
eingeschlossen werden (IG: N= 8, MMST= 17,8 (4,0); KG: N= 11, MMSE= 17,0 (5,1).
Die Teilnehmenden der IG waren im Mittel 84,2 (6,3) Jahre alt, die der KG 86,4 (3,3).
N= 15 Teilnehmende wurden in die Auswertung eingeschlossen (IG: N= 6, KG: N= 9).
Von N= 600 geeigneten Personen für die Hauptstudie wurden N= 344 in die Studie
und N= 108 in die Per-Protocol Analyse aufgenommen (IG: N= 61, MMST= 17,9 (4,1);
KG: N= 47, MMST= 17,2 (3,8)). Die Teilnehmenden waren im Mittel 83,7 (6,5) (IG) und
85,3 (5,5) (KG) Jahre alt. Für die Befragung der Mitarbeitenden wurden für die selbstständige
Alltagsgestaltung und den Pflegeaufwand N= 16 von N= 36 versendeten Fragebögen
ausgewertet. Für die Implementierung konnten alle rückläufigen Fragebögen
in die Auswertung einbezogen werden (N= 29 von N=72).
Ergebnisse: Die Durchführbarkeit des DMB kann bestätigt werden. Zudem weisen
erste Tendenzen auf eine positive Wirkung des DMB auf die kognitive und motorische
Leistungsfähigkeit hin. Die Ergebnisse der Hauptstudie zur Wirksamkeit des DMB ergeben
für die Gesamtstichprobe und die Subgruppe mit leichtem Erkrankungsgrad
keine statistisch signifikanten Zeit- und Gruppeneffekte. Die IG der Subgruppe mit mittlerem
Erkrankungsgrad zeigt lediglich im TMT eine statistisch signifikante Veränderung.
Sowohl im pre-post Vergleich (TMT Bearbeitungszeit: p= ,005; TMT Durchführungsqualität:
p= ,022) als auch im Vergleich zur KG (TMT Bearbeitungszeit: p= ,042)
fällt die IG in ihrer Leistung ab. Die selbstständige Alltagsgestaltung wird von den Befragten
für die IG im Vergleich zur KG als verbessert eingeschätzt („körperliche Aktivität“:
p= ,035, „geistige Aktivität“: p= ,010, „soziale Teilhabe“: p= ,009; Multi-Item Skala
„selbstständige Alltagsgestaltung“: p= ,015). Der Pflegeaufwand wird für IG und KG
als gleich hoch angesehen, lediglich die „Mobilität“ (p= ,036) wird in der IG in diesem
Zusammenhang Im Vergleich zur KG bewertet.
Diskussion und Ausblick:
Die Durchführbarkeit des DMB konnte mithilfe der Pilotstudie gezeigt werden. Es ließen
sich positive Tendenzen der kognitiven und motorischen Leistungsfähigkeit aufzeigen,
die Überprüfung der Wirksamkeit durch die Hauptstudie konnte diese jedoch
nicht bestätigen. Mögliche Gründe hierfür könnten die Heterogenität der Gesamtstichprobe
sowie die daraus resultierenden, heterogenen Übungsgruppen sein. Die reduzierte
Aufmerksamkeitsfähigkeit der Subgruppe mit mittelgradiger Erkrankung lässt
den Schluss zu, dass das DMB durch weitere Studien noch spezifischer auf die Zielgruppe
Personen mit Demenz abgestimmt werden muss (z. B. Kommunikation, Gruppengröße).
Die Implementierung des DMB in den Altenpflegeeinrichtungen konnte teilweise
umgesetzt werden. Für eine strukturierte und potenziell erfolgreiche Implementierung
von gesundheitsbezogenen Interventionen sollten zukünftige Studien bereits
zu Beginn eine Verknüpfung zum späteren Anwendungsbereich im Sinne einer transdiziplinären
Herangehensweise herstellen.
Abstract (englisch):
Background:
In addition to pharmacological therapy, non-pharmacological methods like physical activity
are used for the treatment of neurologically induced dementia. Research suggests
that physical activity positively affects cognitive and physical performance in individuals
with dementia. However, the effects of physical activity are controversially
discussed due to lacking or heterogenous interventions. Therefore, this thesis designs
and evaluates a newly designed, dementia-specific multimodal exercise program
(DMEP) for individuals with dementia. Two intervention studies were carried out to
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evaluate the DMEP in terms of feasibility, efficacy and implementation.
Methods:
Study design: To prove feasibility, a controlled pilot study designed with pre-post assessments
was carried out with a small sample size in two nursing homes. The randomized
controlled study “Bewegung gegen Demenz” was carried out in 36 nursing
homes and with a large sample size to assess the efficacy on cognitive and physical
performance in individuals with dementia and implementation of the DMEP in nursing
homes.
Inclusion criteria: Participants of the pilot study must have a confirmed dementia and
understand German language. Participants of the main study must have a confirmed
or suspected neurologically induced dementia as well as values of Minimental-State
Examination (MMSE) between 10 to 24. Participants should be 65 years or older and
be able to walk 10 metres with or without walking aid. Participants require a clearance
by their general practitioner.
Intervention: In the pilot study, the intervention group (IG) took part in a 10-week DMEP
with physical as well as dual-task exercises. IG of the main study attended a 16-week
DMEP.
Methods: The pilot study was carried out to prove feasibility regarding adherence, dropout
rate, safety for participants as well as protocol fidelity. Additionally, to show first
tendencies of efficacy on cognitive and physical performance in individuals with dementia,
global cognition was analyzed by MMST, psychomotor speed and attention by
trail making test a (TMT), mobility by timed up and go test (TUG), lower limb strength
by five times sit to stand test (FSTS) and balance by functional reach test (FR). The
impact of DMEP on cognitive and physical performance in individuals with dementia in
the main study was measured with MMSE, TMT, TUG, respectively. Sit to stand test
(STS) and Frailty and Injuries: Cooperative Studies of Intervention Techniques-4 (FICSIT)
replaced FSTS and FR in the main study. In addition, independent daily routine
and nursing effort as well as the implementation of the DMEP in nursing homes are
evaluated by using a questionnaire.
Statistics: The results of feasibility are reported in descriptive statistics. Statistical analysis
concerning tendencies of the impact of the MDEP on cognitive and physical performance
is carried out with parametric (Student’s t-Test) and non-parametric measurements
(Mann-Whitney-U Test, Wilcoxon Test) for group and time effects, respectively.
The evaluation of the effect on cognitive and physical performance in the main
study is carried out for the overall sample as well as for two subgroups (mild respectively
moderate level of disease). Statistical analysis is carried out with two-factor analysis
of variance with repeated measurement and time and group effects respectively.
The independent daily routine as well as the nursing effort are analyzed by group effects.
Descriptive analysis is used to evaluate the implementation of the DMEP in nursing
homes.
Sample and Results:
Sample: Of N= 32 eligible participants N= 19 were included in the pilot study (IG: N=
8, MMSE= 17,8 (4,0); control group (CG): N= 11, MMSE= 17,0 (5,1). Mean age in
study groups was in 84,2 (6,3) IG and in 86,4 (3,3) CG. N= 15 participants were included
in the analysis. In the main study, N= 344 participants of originally N= 600 eligible
were included. Per-protocol analysis is carried out with N= 108 (IG: N= 61,
MMSE= 17,9 (4,1); CG: N= 47, MMSE= 17,2 (3,8)). Mean age was 83,7 (6,5) (IG) and
85,3 (5,5) (CG) respectively.
Results: For the pilot study, feasibility of the DMEP is given. Also, tendencies for efficacy
on cognitive and physical performance of the DMEP in individuals with dementia
can be proven. No statistically significant differences between baseline and post-assessments
are found for both groups in cognitive and physical performance. The main
study does not reveal any statistically significant time or group effects on either cognitive
or physical performance for the overall sample as well as for the subgroup with a
mild level of disease. However, participants of the IG of the subgroup with a moderate
level of disease show a statistically significant reduction of psychomotor speed and
attention over time (TMT performing time: p= ,005; TMT performing quality: p= ,022).
Additionally, the IG and CG show a statistically significant difference in the performing
time of the TMT at the time of post-testing (TMT performing time: p= ,042). The results
of the other cognitive and motor tests for the subgroup with a moderate level of disease
are not statistically significant. Group effects of independent daily routine show a statistically
significant difference between the study groups in favour of the IG („physical
activity“: p= ,035, „cognitive activity“: p= ,010, „social participation“: p= ,009; multi-item
scale „independent daily routine“: p= ,015). In contrast, group effects for nursing effort
show no difference between groups except “mobility” (p= ,036) in favour of the IC. The
implementation of the dementia-specific multimodal exercise program in nursing
homes is partially accomplished.
Discussion and Outlook:
The feasibility of the DMEP was demonstrated with the help of the pilot study. Additionally,
positive trends in cognitive and physical performance could be shown, but the
main study did not confirm the efficacy of the DMEP. Possible reasons for this could
be the heterogeneity of the sample and therefore the resulting heterogeneous exercise
groups. The decreased attention of the subgroup with moderate level of disease may
lead to the conclusion that the DMEP must be more specifically adapted to the target
group of individuals with dementia. For this purpose, future studies may address communication
or group size to adapt to different stages of disease. The implementation
of the DMEP in nursing homes could be partially accomplished. For a structured and
potentially successful implementation of health-related interventions, future studies
should use a transdisciplinary approach in order to connect science and the field of
application.