Abstract:
Die thermischen Eigenschaften von Materialien sind wichtige physikalische Größen für das Verständnis einer Vielzahl von Prozessen auf und in der Erde. So haben sie beispielsweise maßgeblichen Einfluss auf die Art und Weise der sich bildenden Konvektionszonen im Erdmantel und somit auch auf die Plattenbewegungen der unmittelbar darüberliegenden Kruste. Weiterhin spielen die thermischen Materialparameter des Untergrundes eine wichtige Rolle für die effiziente Nutzung des geothermischen Potentials. Neben der Relevanz für Geosysteme spielt die Kenntnis der thermischen Eigenschaften und das Verständnis von Wärmetransportprozessen aber auch für viele praktische Anwendungen eine wichtige Rolle. ... mehrAls Beispiele sind etwa das Wärmemanagement von Prozessoren oder allgemein elektrischer Bauteile zu nennen, ebenso wie die Entwicklung und Herstellung hoch-isolierender Bauelemente für Gebäude, oder auch die Bemessung von mechanischen Bauteilen für thermisch anspruchsvolle Einsatzbereiche.
Zur Bestimmung der thermischen Eigenschaften eines Materials, d.h. der temperaturabhängigen thermischen Diffusivität (Temperaturleitfähigkeit) und Wärmeleitfähigkeit, können eine Vielzahl von unterschiedlichen Verfahren eingesetzt werden. Die in dieser Arbeit verwendete sog. Flash Methode stellt dabei eines der wichtigsten etablierten Verfahren zur Bestimmung der thermischen Eigenschaften von Festkörpern dar. Dennoch gibt es sowohl bei der Messung als auch bei der Auswertung von Flash-Experimenten nach wie vor Einflussfaktoren und Zusammenhänge, die bis dato nur unzureichend berücksichtigt oder noch nicht betrachtet wurden. Zum Beispiel die Frage, was die tatsächliche in der Datenauswertung zu berücksichtigende Zeitabhängigkeit des Heiz-Pulses ist und welchen Einfluss der radiative Wärmetransport in Flash-Experimenten auf die abgeleiteten konduktiven Wärmetransporteigenschaften im Bereich einer Phasenumwandlung hat. Diese Aspekte werden in dieser kumulativen Dissertation innerhalb der drei eingebundenen Studien behandelt, mit dem Ziel, die Flash Methode weiterzuentwickeln und so das Verständnis des Wärmetransportvermögen von Quarz- und Portlandit-Einkristallen zu verbessern.
In der ersten Studie geht es um die Weiterentwicklung der Messmethodik, welche dann in den nachfolgenden Studien bei der Auswertung des Wärmetransports von Quarz- und Portlandit-Einkristallen Anwendung findet. Testmessungen zeigen signifikante und systematische Abweichungen zwischen den Messdaten und ihren Anpassungen mittels Standard-Auswerteroutinen. Aus diesem Grund wird systematisch untersucht, inwieweit eine Verzögerung der Datenerfassung durch den Detektor bzw. die elektronischen Komponenten vorliegt. Es wird gezeigt, dass dem Messsignal für das getestete experimentelle Setup sowohl für den verwendeten Tieftemperatur Infrarot-Detektor (HgCdTe) als auch für den Hochtemperatur Infrarot-Detektor (InSb) eine signifikante Zeitverzögerung anhaftet. Die Wirkung dieser ist vergleichbar mit der bekannten finiten Pulszeit-Verzögerung. Die zusätzliche Verzögerung des Messsignals ist die Ursache systematischer Abweichungen und kann zu einer teils signifikanten Unterschätzung des Wärmetransportvermögens des untersuchten Materials führen. Aus diesem Grund wird eine Transferfunktion angewendet, mit Hilfe derer die zusätzliche zeitliche Verzögerung des Signals am Infrarot-Detektor abgebildet werden kann. In einem zweiten Schritt wird die Auswertungsroutine unter Berücksichtigung der zeitlichen Verzögerung erweitert. Mit Hilfe von synthetischen Messkurven kann der systematische Fehler bei Nichtbeachtung der zusätzlichen zeitlichen Verzögerung für die Auswertung verschiedener Probendicken und Temperaturleitfähigkeiten quantifiziert werden. Als Beispiel ist für eine theoretische Probe von 1 mm Dicke und 10 mm²/s Temperaturleitfähigkeit die Abweichung von der tatsächlichen Temperaturleitfähigkeit, abhängig vom verwendeten Infrarot-Detektor und der Heizpuls-Berücksichtigung, ~1-4 %.
Die zweite Studie untersucht das Wärmetransportvermögen von Quarz-Einkristallen. Quarz (SiO2) stellt eines der häufigsten gesteinsbildenden Minerale der Erdkruste dar und kommt vielfach in technischen Anwendungen zum Einsatz. Dennoch gibt es nach wie vor Ungewissheit zum Verlauf des temperaturabhängigen Wärmetransports, etwa am α-β Phasenübergang bei 573 °C, sowie einen generellen Mangel an Daten zum Wärmetransportvermögen unterhalb der Raumtemperatur. Aus diesem Grund werden Flash-Messungen richtungsabhängig an Quarz-Einkristallen entlang der kristallographischen c- und a-Achse im Temperaturbereich zwischen -120 °C und 800 °C durchgeführt. Neben der erstmaligen Messung der thermischen Diffusivität bei tiefen Temperaturen (-120 °C bis Raumtemperatur) wird gezeigt, dass bei höheren Temperaturen ein zum α-β Phasenübergang hin zunehmender Strahlungsanteil im Messsignal eine weitere Anpassung der in der ersten Studie entwickelten Datenauswertung erforderlich macht. Dadurch soll der radiative vom phononischen Wärmetransport getrennt werden. Eine Untersuchung der Messkurven deutet darauf hin, dass der Ursprung dieser als nicht-ballistisch angenommenen Strahlung dem α-β Phasenübergang zuzuordnen ist. Mit Hilfe eines neues Ansatzes wird die Auswerteroutine derart angepasst, dass im Bereich unterhalb des Phasenübergangs ebenso wie für β-Quarz unterschiedliche radiative Anteile im Flash-Signal effektiv berücksichtigt und so der phononische Beitrag zum Wärmetransport in Quarz besser ermittelt werden kann. Es zeigt sich, dass der α-β Phasenübergang nicht mit einer Änderung der Richtung des maximalen Wärmetransportvermögens einhergeht (Crossover), wie es in einer früheren Arbeit berichtet wurde, und dass der Verlauf des temperaturabhängigen Wärmetransports vorwiegend mit der Änderung der mittleren freien Weglänge der Phononen korreliert.
In der dritten Studie werden die thermoelastischen Eigenschaften von Portlandit-Einkristallen Ca(OH)2 untersucht, wobei der Fokus auf dessen Wärmetransportvermögen liegt. Bei Portlandit handelt es sich um einen der Hauptbestandteile in hydratisiertem Zement, außerdem kann er zur Rauchgasbehandlung verwendet werden und wird für zukünftige thermochemische Energiespeicherung in Betracht gezogen. Dennoch gibt es bislang keinerlei Einkristall-Messungen zum richtungs- oder temperaturabhängigen Wärmetransport – auch aufgrund des Mangels an hinreichend großen (natürlichen) Einkristallen. Im Rahmen dieser Arbeit wurden cm-große, synthetische Portlanditkristalle mittels eines Diffusionsverfahrens zum Kristallwachstum gezüchtet, die mit Hilfe speziell angefertigter Probenträger für Messungen mit der Flash Methode verwendet werden können. Der anisotrope Wärmetransport wird für Temperaturen zwischen -100 °C über die Dehydratation von Portlandit bis 700 °C entlang der kristallographischen c- und a-Achse gemessen. Um präzise Werte zum Wärmetransportvermögen zu erlangen, wird für die Datenauswertung die in der ersten Studie entwickelte Auswerteroutine benötigt. Neben den Flash-Messungen werden außerdem die elastischen Eigenschaften der synthetischen Portlandite mittels Brillouin-Spektroskopie ermittelt und mit den Werten eines natürlichen Portlandits verglichen. Ähnlich der elastischen Eigenschaften zeigen die ausgewerteten Messungen zum Wärmetransport eine starke Richtungsabhängigkeit. Diese kann der schichtartigen Struktur von Ca(OH)2 zugeordnet werden. Im Bezug auf die ermittelten Wärmetransporteigenschaften zeigen sich, abhängig von den gewählten experimentellen Bedingungen (z.B. der Heizrate oder den Probendimensionen), teils starke Abweichungen vom intrinsischen Materialverhalten.
Abstract (englisch):
The thermal properties of materials are important physical quantities to understand a variety of processes on and inside the Earth. For example, they have a decisive influence on the way in which convection forms in the Earth’s mantle and thus they directly influence the plate movements of the overlying crust. Furthermore, the thermal transport parameters of the subsurface play an important role in the efficient use of the geothermal potential. Besides the relevance for geosystems, the knowledge of thermal transport properties and the understanding of transport processes plays an important role for many practical applications. ... mehrExamples are the temperature management of processors or electrical components in general, as well as the development and production of highly insulating components for buildings, and the design of mechanical components for thermally demanding applications.
To determine the thermal transport properties of a material, i.e. the temperature-dependent thermal diffusivity and thermal conductivity, a variety of different techniques can be applied. The method used in this thesis is the so-called flash method, which is one of the most important established techniques for the determination of the thermal transport properties of solids. Nevertheless, there are still influencing factors and interdependencies in both the measurement and the evaluation routines of flash experiments which have not yet been (sufficiently) considered. For instance, the question of what is the actual time dependency of the heat pulse that needs to be taken into account in the data processing and what is the influence of the radiative heat transport on the derived conductive thermal transport properties near phase transitions in flash measurements. These considerations are covered in this cumulative dissertation and subject to the three included studies to improve the flash technique and therewith to better understand the thermal transport properties of single crystal quartz and portlandite.
In the first study the focus lies on the further development of the measurement methodology, which is then used for the subsequent studies to derive the heat transport in quartz and portlandite single crystals. Test measurements show significant and systematic deviations between the measured data and their approximations by standard evaluation routines. Hence, it is systematically investigated how the recorded data are additionally delayed by the detector and the electronic components. It is shown that a significant time delay inheres the measured signal for the tested experimental setup for both low temperature (HgCdTe) and high temperature (InSb) infrared detectors. The influence on the measurement is comparable to the known finite pulse-time effect. This additional delay of the measured signal is the cause of systematic deviations and can lead to a significant underestimation of the heat transport efficiency of the investigated material. For this reason, a transfer function is used to reproduce the additional time delay of the signal. In a second step, the evaluation routine is expanded to take the time delay into account. With the help of synthetic measurement curves for different sample thicknesses and thermal diffusivities it is possible to quantify the systematic errors that occur when the additional time delay reported here is not taken into account in the data evaluation. As an example, deviations from the true thermal diffusivity are ~1-4 % for a theoretical sample with a thickness of 1 mm and a thermal diffusivity of 10 mm²/s, depending on the used infrared detector and heat pulse consideration.
The second study investigates the heat transport of quartz SiO2 single crystals. Quartz is one of the most abundant rock-forming minerals in the Earth’s crust and is widely used in technical applications. However, there is still uncertainty about the details of the temperature-dependent heat transport, for example at the α-β phase transition at 573 °C, and a general lack on heat transport data below room temperature. Therefore, flash measurements are carried out on quartz single crystals parallel to the crystallographic c- and a-axis in the temperature range between -120 °C and 800 °C. In addition to the first thermal diffusivity measurements at low temperatures (-120 °C to room temperature), the raw data show that at higher temperatures towards the α-β phase transition an increasing radiation part inheres the measured signal. This requires a further customization of the evaluation procedure developed in the first study so that the radiative and phononic heat transport can be separated from each other. A detailed look at the measurement curves indicates that the origin of this radiation, which is assumed to be non-ballistic, can be assigned to the α-β phase transition. With a new approach, the evaluation routine is adapted to take into account different radiative contributions in the area below the phase transition and in the β-phase to better derive the contribution of phononic heat transport in quartz. It is shown that the α-β phase transition is not characterized by a change in the direction of the maximum thermal diffusivity (crossover) as reported in a previous study, and that the trend of the temperature-dependent thermal diffusivity is mainly correlated to the mean free path of phonons.
In the third study the thermoelastic properties of portlandite Ca(OH)2 single crystals are investigated, with a focus on the thermal transport properties. Portlandite is one of the main components in hydrated cement, but it is also used for flue gas treatment and is considered for future thermochemical energy storage. However, no single crystal measurements for the orientation- or temperature-dependent heat transport have been made so far – also due to the lack of sufficiently large (natural) single crystals. Here, cm-sized synthetic portlandite crystals were grown using a diffusion process crystal growth setup. The crystals were then used for flash measurements within custom sample holders. The anisotropic heat transport is measured for temperatures between -100 °C through the dehydration of portlandite up to 700 °C parallel to the crystallographic c- and a-axis. To accurately derive thermal transport properties, the approximation routine developed in the first study needs to be applied. In addition to flash measurements, the elastic properties of synthetic portlandites are determined by Brillouin spectroscopy and compared with data of natural portlandite. Similarly to the elastic properties, the evaluated heat transport properties show a strong dependence on the crystallographic orientation. This can be related to the layered structure of Ca(OH)2. With respect to the derived thermal transport properties, partly strong variations from the intrinsic behavior are revealed for different experimental settings (e.g. heating rate and sample dimensions).