Die neue Ausgabe des TAB-Briefes beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit großtechnischen Methoden der Klimamanipulation, die als »Geoengineering« bzw. »Climate Engineering« bezeichnet werden. Anlass ist die Publikation des TAB-Arbeitsberichtes Nr. 159 zum Thema, dessen Ergebnisse heute in einer öffentlichen Ausschusssitzung zur Diskussion gestellt werden.
Als Hauptursache des Klimawandels gilt bekanntlich die stetig steigende Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre, die wesentlich auf anthropogene Emissionen zurückzuführen ist. Um der globalen Erderwärmung entgegenzuwirken, gibt es neben den Emissionsreduktions- und Anpassungsmaßnahmen prinzipiell noch andere Handlungsoptionen, nämlich aktive, gezielte und technische Eingriffe in den CO2- oder Strahlungshaushalt der Erde – das sogenannte Climate Engineering (CE).
Das eigentlich neue Element bei der Entwicklung und dem möglichen Einsatz unterschiedlicher CE-Technologien sind nicht in erster Linie deren technologischen Grundlagen, sondern vielmehr die mit diesen Technologien anvisierten Größenordnungen: eine Manipulation der Umwelt in großen und größten Dimensionen. Die Entwicklung bzw. ... mehrImplementierung einer Technologie, die absichtlich durchgeführt und ggf. global wirksam ist, ist in der Geschichte der Menschheit ohne Beispiel – entsprechend kontrovers werden die verschiedenen CE-Ansätze diskutiert.
Die Beiträge des Schwerpunkts im vorliegenden TAB-Brief stellen einige Hauptergebnisse des jüngst abgeschlossenen TA-Projekts zum Thema vor. Im ersten Schwerpunktbeitrag gibt Christoph Revermann überblicksartig den Stand des Wissens bezüglich der naturwissenschaftlich-technologischen Aspekte der diversen CE-Konzepte wieder. Im zweiten Schwerpunktbeitrag wird von Claudio Caviezel der bestehende internationale und nationale Rechtsrahmen skizziert und dabei aufgezeigt, dass auf allen Rechtsebenen gegenwärtig weitgehende Regulierungslücken bestehen, was den Umgang mit CE-Aktivitäten angeht. Auf Basis von Überlegungen über potenzielle geopolitische Folgen von CE-Anwendungen werden wichtige Anforderungen an eine rechtliche Rahmensetzung für Climate Engineering identifiziert. Im dritten Schwerpunktbeitrag wird von Christoph Revermann eine einordnende Beurteilung von Climate Engineering vorgenommen. Hier zeigt sich, dass neben den naturwissenschaftlich-technischen Aspekten insbesondere sozioökonomische, politische und ethische Kriterien für einen Bewertungsprozess von Bedeutung sind. Im Mittelpunkt stehen die grundlegenden Fragestellungen, ob bzw. unter welchen Bedingungen diese Technologien überhaupt notwendig sein könnten und mit welchen gesellschaftspolitischen und sozialen Folgen und Risiken ihre Anwendung möglicherweise verbunden wäre. Im vierten Schwerpunktbeitrag wirft Christoph Kehl einen Blick auf die bisherigen Erfahrungen mit Aufforstungs- und Wiederaufforstungsmaßnahmen im Rahmen des Kyoto-Protokolls. Auch wenn diese Aktivitäten gemeinhin nicht als CE-Technologien bezeichnet werden, lassen sich an ihnen dennoch die Chancen und Risiken lokaler CE-Maßnahmen exemplarisch verdeutlichen. Wie sich zeigt, sind bei ihrer Umsetzung in der Regel vielfältige Nebeneffekte ökologischer und sozialer Art zu beachten, die einer rein klimapolitischen Regulierung im Prinzip entgegenstehen.
Die Beiträge untermauern eine der zentralen Aussagen des TA-Projekts, nämlich dass es angesichts der Bedeutung des Themas für die Klimaschutzpolitik einerseits und der vielen wissenschaftlichen Unsicherheiten andererseits dringend erforderlich ist, eine breite gesellschaftspolitische Debatte darüber anzustoßen, ob bzw. welche Ansätze des Climate Engineering weiter erforscht (und gegebenenfalls zur Anwendungsreife gebracht) und welche Risiken dafür eingegangen werden sollen.
Zugehörige Institution(en) am KIT
Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS)
Publikationstyp
Zeitschriftenausgabe
Publikationsmonat/-jahr
09.2014
Sprache
Deutsch
Identifikator
ISSN: 2193-7435, 2193-7443
KITopen-ID: 1000131565
Verlag
Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB)