Hope-, Hype- und Fear-Technologien. TAB-Brief Nr. 39
TAB
Abstract:
Anhand von vier beispielhaften Technologiebereichen greift der Schwerpunkt des TAB-Briefs Nr. 39 Aspekte der politischen und gesellschaftlichen Wahrnehmung und Auseinandersetzung mit technikbezogenen Hoffnungen und Ängsten auf. Er ist ein Beitrag zur demnächst in Berlin stattfindenden Konferenz des Netzwerks parlamentarischer TA-Einrichtungen (EPTA) zum Thema »Hope-, Hype- und Fear-Technologien«.
Weitreichende wissenschaftlich-technische Visionen haben Konjunktur. Anknüpfend an Technologien mit vermuteter hoher Wirkungsmächtigkeit skizzieren sie oft eine umfassende Transformation gesellschaftlicher Strukturen und Lebenswelten. Wie die traditionellen technischen Utopien versprechen auch moderne Entwürfe die Lösung fundamentaler Probleme oder auch die Erfüllung alter Menschheitsträume, erzeugen jedoch aufgrund von ungewissen, aber nicht auszuschließenden Risiken gleichzeitig Bedenken und Ängste. Eine Beurteilung, ob das, was erwartet oder befürchtet wird, als ernsthafte Möglichkeit in Betracht zu ziehen oder bloße Spekulation ist, fällt oft schwer. Dies ist eine Herausforderung sowohl für gesellschaftliche Debatten als auch für politische Entscheidungen, und damit ein zentrales Thema der Technikfolgenabschätzung. ... mehrIm Schwerpunkt des neuen TAB-Briefs werden anhand von vier Fallbeispielen Ausschnitte der umfangreichen Thematik »Hope-, Hype- und Fear-Technologien« behandelt. Eine der dichtesten Technikerzählungen ist die der Evolution und gesellschaftlichen Aneignung des Internets. Ein besonders interessantes Kapitel gilt dem Verhältnis von Internet und Demokratie. Ulrich Riehm geht den historischen Wurzeln dieser Beziehung nach und arbeitet sowohl die Hoffnungen als auch die Befürchtungen und Enttäuschungen heraus, die die Koevolution von Internet und Demokratie geprägt haben und die bis heute in der Debatte präsent sind. Die Nanotechnologie als das Feld, das von ganz eigenen wissenschaftlich-technischen Visionen begleitet wird, wird von Christoph Revermann eingeführt. Sie fasziniert durch die Vorstellung eines auf der molekularen Ebene arbeitenden Homo Fabers, der zielgenau Atome und Moleküle zusammensetzt – und weckt Befürchtungen angesichts der Möglichkeiten aus dem Ruder laufender, selbstorganisierender Systeme. Die Synthetische Biologie, vorgestellt von Arnold Sauter, liefert in jüngster Zeit zunehmend Anregungen für weitreichende Visionen in den Basiswissenschaften. Charakteristisch ist hier wie in vielen der Hype- und Hope-Technologien die Definitionsproblematik: Ist Synthetische Biologie wirklich eine neue Forschungsrichtung oder ein bloßes Etikett, um öffentliche Aufmerksamkeit und Forschungsförderung zu mobilisieren? Das Climate Engineering, ein recht neuer Ansatz zur Lösung des Klimaproblems durch eine großtechnische »Kühlung« der Erde, eingeführt durch Claudio Caviezel, erregt Faszination wie Abwehr, begründet durch die globale Dimension gezielter Eingriffe in das Klimasystem.
Um in diesen Feldern kontroverser Hoffnungen, Erwartungen, Befürchtungen und Ängste Orientierung zu ermöglichen, bedarf es transparenter und nachvollziehbarer Kriterien sowie einschlägiger Verfahren der argumentativen Abwägung und Entscheidung. Technikfolgenabschätzung, auch und gerade in Parlamenten, hat hier eine besondere Aufgabe, die Gehalte der wissenschaftlich-technischen Visionen rational und transparent aufzuarbeiten und als Teil einer informierten und reflektierten Beratung von Politik und Gesellschaft bereitzustellen.