Abstract:
Die Erdwärme stellt eine wichtige erneuerbare Energiequelle der Zukunft dar,
um den Grundbedarf der Menschen an Wärme und Strom zu decken und die
Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen wie Erdöl und Kohle zu verringern.
Die Internationale Energiebehörde schätzt, dass bis zum Jahr 2050 3,5% der
weltweiten Energieversorgung durch Geothermie erfolgen können. Die Vorteile
der Geothermie liegen dabei in der guten bedarfsabhängigen Regulierbarkeit
sowie der uneingeschränkten weltweiten Verfügbarkeit bei gleichzeitig geringem
Flächenbedarf. Darüber hinaus ist die Geothermie als eine der wenigen
... mehr
erneuerbaren Energien vollständig grundlastfähig und damit unabhängig von
stark wechselnden Umwelteinflüssen, wie Windstärke oder Sonneneinstrahlung.
Die größte Herausforderung bei der Geothermie liegt in der Erschließung
von Niederenthalpie-Lagerstätten, die in Tiefen von einigen Kilometern liegen.
Eine Möglichkeit hierzu stellt die Technologie des Enhanced Geothermal
Systems (EGS) dar, die geringdurchlässige Gesteinsschichten eines Reservoirs
wirtschaftlich nutzbar macht. Bei EGS werden durch hydraulische Stimulation
bestehende natürliche Kluftsysteme erweitert und neue Klüfte geschaffen und so
ein effektiver Wärmeaustausch zwischen dem geklüfteten Reservoirgestein und
zirkulierenden Fluiden ermöglicht. Bisher gibt es allerdings nur wenige Pilotanlagen,
wie z.B. in Soultz-sous-Forêts, Frankreich. Der Nachteil dieser Technologie
ist, dass die so entstandenen Klüfte nur einen sehr kleinen Teil des Reservoirvolumens
darstellen und sich alle an der Fluidzirkulation beteiligten natürlichen
und induzierten Prozesse auf engstem Raum abspielen. Das grundlegende Verständnis
der hochlokalisierten physikalischen Prozesse und Wechselwirkungen
stellt somit den Schlüsselfaktor für einen erfolgreichen, umweltverträglichen
und sicheren Betrieb von EGS dar.
Ein besonderes Augenmerk muss auf die gegenseitigen Wechselwirkungen
zwischen der Kluft und dem zirkulierenden Fluid sowie dem damit verbundenen
Transport von Wärme und gelösten Stoffen gelegt werden. Die Kluftöffnung
wird oft vereinfacht als der Abstand zwischen zwei parallelen Platten dargestellt.
In Wirklichkeit bestehen die Verbindungen zwischen zwei Bohrungen jedoch
aus einem kleinräumigen Netzwerk einzelner Klüfte, die wiederum ein stark
veränderliches inneres Porenvolumen aufweisen.
Die vorliegende Arbeit trägt zu einem besseren Verständnis der Entstehung
und geometrischen Beschaffenheit von bevorzugten Fluidwegsamkeiten in geklüfteten
Reservoiren sowie der damit verbundenen Transportprozesse bei. Das
übergeordnete Ziel der einzelnen Studien ist eine Verknüpfung experimenteller
Untersuchungen mit numerischen Modellen, um die relevanten, teilweise
skalenabhängigen physikalischen Prozesse in Klüften zu identifizieren und
quantifizieren.
In den ersten beiden Studien (Kapitel 4 und 5) werden eine Vielzahl von stochastisch
einzigartigen granitähnlichen Kluftgeometrien erstellt. Anschließend
werden numerische Modelle entwickelt, um die präferentiellen Fluidpfade und
deren Eigenschaften im Klufhohlraum unter geothermie-typischen Strömungsbedingungen
und unter Verwendung der komplexen Navier-Stokes-Gleichungen
zu quantifizieren.
Das Ziel der ersten Studie ist die Quantifizierung von räumlichen Unterschieden
zwischen den dreidimensionalen und den vereinfachten zweidimensionalen
Kluftmodellen. Ein Vergleich zwischen äquivalenten Modellierungen mittels der
Navier-Stokes-Gleichungen und dem lokalen kubischen Gesetz erlaubt eine Vorhersage
über die Gültigkeit dieser Vereinfachungen. In Abhängigkeit von Fließund
Scherrichtung sowie dem angelegten Druckgradienten bilden sich in allen
Klüften Kanäle aus, die einen großen Teil des Volumenstroms umfassen, während
im Rest der Kluft nur geringe Anteile an Fluidbewegung zu beobachten sind.
Innerhalb dieser Kanäle zeigen beide Fließgesetze eine gute Übereinstimmung
sowohl für rein laminare als auch turbulente Strömungen (mit Reynolds-Zahlen
deutlich über 1). Außerhalb von Kanälen ergibt sich unabhängig vom Fließregime
für die zweidimensionale Vereinfachung eine deutliche Überschätzung
des zu erwartenden Volumenstroms. In der zweiten Studie werden die einzelnen
Kanäle innerhalb der dreidimensionalen Kluft hinsichtlich ihrer Geometrie
sowie Transporteigenschaften quantifiziert. Die Ergebnisse zeigen eine starke
Anisotropie hinsichtlich der Fließ- und Scherrichtung. Obwohl eine senkrechte
Ausrichtung von Strömung und Scherung zu einem deutlich verbesserten
Durchfluss führt, haben die gut ausgebildeten und geraden Kanäle nur eine begrenzte
Kontaktfläche mit dem umgebenden Gestein und behindern somit einen
effizienten Wärmeaustausch. Anders ist dies bei einer parallelen Ausrichtung
von Scherung und Strömung. In diesem Fall sind die Kanäle deutlich weniger
ausgeprägt und haben zudem einen stark verlängerten absoluten Fließweg und
damit verbundene höhere Kontaktfläche.
Die dritte Studie (Kapitel 6) umfasst die Verknüpfung von Triaxialexperimenten,
durchgeführt an zwei Sandsteinenderivaten mit steigenden Temperaturund
Druckbedingungen, mit numerischen Modellen. Ziel ist eine Vorhersage
der hydraulischen und mechanischen Gesteinseigenschaften eines potentiellen
Reservoirgesteins. Die Ergebnisse zeigen eine poroelastische Kompaktion des
Gesteins sowie anschließende nichtlineare Deformation, welche beide mit numerischen
Modellen vorhergesagt werden können. Das Drucker-Prager-Kriterium
ermöglicht die Bewertung der kritischen Scherspannung unter Berücksichtigung
der drei Hauptspannungen. Die Studie zeigt, dass kleinstskalige Veränderungen,
wie die mineralogische Zusammensetzung, zwar die Materialeigenschaften des
Gesteins beeinflussen, numerische und analytische Modelle dessen Verhalten
dennoch beschreiben können.
In der vierten und fünften Studie (Kapitel 7 und 8) werden die kleinskalig gewonnen
Erkenntnisse sowie weiterführende Felduntersuchungen dazu genutzt,
um ein Modell des großräumigen Strömungsregimes im geklüfteten Reservoir
von Soultz-sous-Forêts zu entwickeln. In der vierten Studie wird ein Strukturmodell
des Soultz-Reservoirs entwickelt und das Strömungsregime entlang
von Klüften zwischen den einzelnen Bohrungen mittels numerischer Modelle
bestimmt. Durch die Verknüpfung mit den experimentellen Daten mehrerer
Zirkulations- sowie Tracerversuche kann das Strömungsregime in bohrlochfernen
Bereichen des Reservoirs quantifiziert werden. Darüber hinaus kann eine
geologische Struktur identifiziert werden, die die Bohrungen GPK3 und GPK4
zwar hydraulisch separiert, allerdings störungsparallel eine Anbindung an das
Fließregime des Oberrheingrabens herstellt. In der fünften Studie wird auf
Grundlage des zuvor entwickelten hydraulischen Modells die Sensitivität der
Produktionstemperatur hinsichtlich verschiedener operativer Rahmenbedingungen
(Injektionstemperatur und Fließraten) untersucht.
Abstract (englisch):
Geothermal energy represents an important renewable energy source for the
future to meet people’s basic needs for heat and electricity as well as reduce
dependence on fossil fuels such as oil and coal. The International Energy Agency
estimates that 3.5% of the world’s energy supply can be derived from geothermal
energy by 2050. The advantages of geothermal energy include the good
on-demand controllability as well as the availability anywhere in the world
with a small land footprint. Furthermore, geothermal energy is one of the few
renewable energies that is completely capable of supplying base load and is
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therefore independent of strongly fluctuating environmental conditions, such
as wind speed or solar radiation. The main challenge related to geothermal
energy is the development of low-enthalpy reservoirs located at depths of a few
kilometers. The Enhanced Geothermal System (EGS) technology is one way to do
so, making low-permeability rock layers of a reservoir economically viable. EGS
uses hydraulic stimulation to widen existing natural fracture systems and create
new fractures, allowing effective heat exchange between the fractured reservoir
rock and circulating fluids. So far, only a few pilot plants exist, such as the EGS in
Soultz-sous-Forêts, France. The disadvantage of such technology is the fact that
the resulting fractures represent only a very limited part of the reservoir volume
and so all the natural and induced processes involved in the fluid circulation
take place in a very limited space. Thus, a thorough understanding of the highly
localized physical processes and interactions is a key factor for the successful,
environmentally friendly, and safe operation of EGS.
Particular attention must be paid to the mutual interactions between the
fracture and the circulating fluid as well as the associated transport of heat and
solutes. The fracture void is often simplified as the distance between two parallel
plates. In reality, however, the connections between two boreholes consist of a
small-scale network of individual fractures, which in turn have a highly variable
internal pore volume.
This thesis is a contribution to an improved understanding of the formation
and geometric nature of preferential fluid pathways in fractured reservoirs
and the associated transport processes. The main objective of the individual
studies is to link experimental investigations with numerical models in order to
identify and quantify the relevant partially scale-dependent physical processes
in fractures.
In the first two studies (Chapters 4 and 5), a variety of stochastically unique
granite-like fracture geometries are created. Numerical modeling is used to
quantify preferential fluid pathways and their characteristics in the fracture
space void under typical geothermal flow conditions employing the complex
Navier-Stokes equations.
The objective of the first study is to quantify the spatial differences between
three-dimensional and simplified two-dimensional fracture models. A comparison
between equivalent modeling using the Navier-Stokes equations and the
local cubic law allows a prediction regarding the validity of the simplifications.
Depending on the direction of flow and shearing as well as the applied boundary
pressure, channels form in all fractures that comprise a large fraction of the
volume flow rate. In the remaining fracture void space only minor amounts
of fluid transport are observed. Within these channels, both flow laws indicate
satisfactory agreement for laminar and turbulent flows (with Reynolds numbers
above 1). Outside of channels, the two-dimensional simplification yields a significant
overestimation of the expected flow rate, regardless of the flow regime. The
second study quantifies the individual channels within the three-dimensional
fracture concerning geometry as well as transport properties. The results reveal
a strong anisotropy with respect to flow and shearing direction. Although a
perpendicular orientation of flow and shearing results in a significantly improved
flow field, the well-formed and straight channels have limited contact
area with the surrounding rock, hindering efficient heat exchange. The situation
is different when shearing and flow are aligned in parallel. Here, the channels
are considerably less pronounced and also have a strongly prolonged absolute
flow path and associated higher contact area.
The third study (Chapter 6) comprises the combination of triaxial experiments,
performed on two different sandstones analogues on increasing temperature
and pressure conditions, with numerical models. The objective is to predict
the hydraulic and mechanical rock properties of a potential reservoir rock. The
results indicate poroelastic compaction of the rock and subsequent nonlinear
deformation, which can both be predicted with numerical models. The Drucker-
Prager criterion allows the evaluation of the critical stress for the onset of shearing
considering the three principal stresses. The study demonstrates that although
small-scale changes, such as in mineralogical composition, affect the material
properties of the rock, numerical and analytical models can still describe its
behavior.
In the fourth and fifth studies (Chapter 7 and 8), the small-scale knowledge
gained, and further field investigations are used to develop a model of the largescale
flow regime in the fractured Soultz-sous-Forêts reservoir. In the fourth
study, a structural model of the Soultz reservoir is developed and the flow
regime along fractures between individual wells is determined using numerical
models. By linking this model to experimental data from several circulation
as well as tracer tests, the flow regime can be quantified even in regions of
the reservoir distant from the wellbores. Besides, a geological structure can be
identified that hydraulically separates the GPK3 and GPK4 wells but establishes
a fault-parallel connection to the flow regime of the Upper Rhine Graben. In
the fifth study, the sensitivity of the production temperature with respect to
different operational framework conditions (injection temperature and flow rates)
is investigated using the previously developed hydraulic model.