Abstract:
Machbarkeitsanalysen in der frühen Phase der Projektentwicklung sind entscheidend für einen reibungslosen Planungsprozess und tragen maßgeblich zu einer erfolgreichen Umsetzung von oberflächennahen geothermischen (ONG) Systemen zur Wärme- und Kälteversorgung bei. Obwohl die Versorgungssicherheit und Betriebseffizienz der ONG hinreichend demonstriert ist, wird eine weite Marktverbreitung noch immer durch hohe Anfangsinvestitionen, standortspezifische und komplexe Planungsverfahren sowie konventionelle Technologien, die sich meist durch einfachere Planung und Nutzung auszeichnen, erschwert. ... mehrDaher sind umfassende Machbarkeitsanalysen, die sowohl wirtschaftliche als auch technische Aspekte berücksichtigen, nicht nur entscheidend, um eine schnelle Projektentwicklung zu ermöglichen, sondern auch, um Kunden und Entscheidungsträgern die wirtschaftlichen Vorteile und technischen Möglichkeiten aufzuzeigen. Trotz der erfolgreichen Umsetzung einiger Best-Practice-Beispiele der ONG für die Versorgung großer industrieller, gewerblicher oder öffentlicher Einrichtungen fehlt es an Wissenstransfer hinsichtlich koordinierter Standortcharakterisierung und erfolgreicher Projektentwicklung. Darüber hinaus ist nur wenig über den tatsächlichen Wärme- und Kältebedarf von Gebäuden und die damit verbundenen Versorgungskosten bekannt, was nicht nur den Nachweis der wirtschaftlichen Vorteile von ONG-Systemen erschwert, sondern auch den gesamten Projekterfolg gefährdet. Um diesen Unzulänglichkeiten zu begegnen und den erforderlichen Umfang einer ganzheitlichen und fundierten technisch-wirtschaftlichen Machbarkeitsanalyse (TWM) großer ONG-Systeme aufzuzeigen, werden in dieser Arbeit einzelne Stufen der TWM an ausgewählten Standorten mit vier verschiedenen Ansätzen analysiert.
In Studie 1 wird ein einfacher Ansatz zur Ermittlung des Kühlbedarfs von Gebäuden vorgestellt, indem die installierten Kühlleistungen von Kompressionskältemaschinen anhand von Luftbildern quantifiziert werden. Dies wird am Campus Nord des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) unter Berücksichtigung von 36 luftgekühlten Kältemaschinen mit einer installierten Gesamtkühlleistung von 16 MW demonstriert. Mit zunehmender Leistung werden verbesserte Genauigkeiten von bis zu 85 % erzielt, was auf eine bessere Eignung der Methodik für Großanlagen hinweist.
Unter Berücksichtigung der Ergebnisse von Studie 1 wird in Studie 2 die aktuelle Kälteversorgung am Campus Nord weiter analysiert und der Kältebedarf von 23 Campusgebäuden sowie die damit verbundenen Versorgungskosten untersucht. Diese Studie wird im Hinblick auf den beabsichtigten Übergang von der aktuellen dezentralen Kälteversorgung mittels Kältemaschinen zu einem zukunftsfähigen Kältenetz, das durch erneuerbare Kältequellen gespeist werden soll, durchgeführt. Da die erhaltenen Parameter mit Unsicherheiten behaftet sind, wird eine Monte Carlo Simulation durchgeführt, die Kühlkosten zwischen 5,4 und 11,4 Eurocent pro kWh offenbart. Die kumulierten jährlichen Kosten aller betrachteten Gebäude, die hauptsächlich aus den Stromkosten für den Betrieb der Kältemaschinen resultieren, liegen bei 4,5 Mio. € und fordern einen schnellen Umstieg zu einer dezentralen und effizienteren Kälteversorgung durch die Integration von erneuerbaren Kälteversorgungslösungen. Die ganzheitliche Analyse der aktuellen Kälteversorgung erleichtert die Diskussion über weitere Optimierungsmaßnahmen und ermöglicht ein Benchmarking mit anderen Universitäten und Einrichtungen, in denen Kältenetze bereits erfolgreich betrieben werden.
Studie 3 analysiert die Wirtschaftlichkeit der ONG unter Berücksichtigung der Investitions- und Betriebskosten am Beispiel eines potenziellen Aquiferspeichers (ATES) zur Wärme- und Kälteversorgung eines spezifischen Gebäudes des Städtischen Klinikums in Karlsruhe, Deutschland. Die ermittelten Investitionskosten beziffern sich auf 1,3 Mio. €, wobei die unterirdischen Installationen mit 60 % den größten Kostenanteil ausmachen. Eine Kosten-Nutzen-Analyse zwischen dem betrachteten ATES und der aktuellen Versorgungstechnologie bestehend aus Kompressionskältemaschinen und Fernwärme zeigt eine Amortisationszeit des ATES-Systems von ca. 3 Jahren. Die effizienteste aller Versorgungsoptionen ist die direkte Kühlung des Gebäudes mittels ATES, was zu einer Stromkostenreduktion von 80 % führt. Darüber hinaus ermöglicht das ATES-System eine CO2-Einsparung von ca. 600 Tonnen pro Jahr, wodurch die potentiellen wirtschaftlichen und ökologischen Vorteile der Technologie verdeutlicht werden. Diese Analyse adressiert das fehlende Bewusstsein für ATES im Allgemeinen und das damit verbundene wirtschaftliche Potenzial im Besonderen, um die ATES Nutzung speziell in Deutschland zu fördern, wo die Technologie den Wärmemarkt bislang noch nicht durchdrungen hat.
Da die Verlässlichkeit von gemessenen Untergrundparametern während der Erkundungsphase sich auf die Auslegung und Wirtschaftlichkeit eines ONG-Systems auswirkt, wird in Studie 4 eine ganzheitliche Analyse von Fehlern und Unsicherheiten im Zusammenhang mit kabellos durchgeführten Temperaturmessung vorgenommen. Die auftretenden Fehler werden im Labor ermittelt und anschließend auf vertikale Profile der ungestörten Untergrundtemperatur übertragen, die an einer Erdwärmesonde aufgenommen wurden. Die ermittelte Präzision von 0.011 K und Genauigkeit von -0.11 K gewährleisten eine hohe Zuverlässigkeit der Messungen. Die größte Unsicherheit ergibt sich innerhalb der ersten fünf Meter und resultiert aus der thermischen Zeitkonstante von 4 s. Das schnelle und komfortable Messverfahren führt zu Vorteilen gegenüber herkömmlichen Glasfasermessungen, deren aufgezeichnete Temperaturprofile am Standort als qualitativer Vergleich dienen. Diese Studie soll das Bewusstsein für die Bedeutung einer detaillierten Exploration als Teil einer ganzheitlichen Machbarkeitsanalyse von SGE im Allgemeinen schärfen und speziell zur Weiterentwicklung der kabellosen Messtechnik beitragen.
Abstract (englisch):
Feasibility analyses in the early stages of project development are crucial for a smooth planning process and significantly contribute to a successful implementation of shallow geothermal energy (SGE) systems for heating and cooling supply. Even though the supply reliability and operational efficiency of SGE are widely proven, a broad market distribution is still impeded by high initial capital costs, site-specific and complex planning procedures as well as existing conventional technologies that are often characterized by simpler planning and utilization. Hence, comprehensive feasibility analyses considering economic and technical aspects are crucial not only to facilitate a rapid project development but also to point out associated economic benefits and technical capabilities to customers and decision-makers. ... mehrDespite the successful realization of a few best practice examples of SGE supplying large-scale industrial, commercial or public facilities, there is a lack of knowledge transfer regarding coordinated site characteri-zation and successful project development. Furthermore, only little is known about the actual heating and cooling requirements of buildings and their related supply costs, which not only impede the demonstration of economic benefits of SGE systems but also jeopardizes overall project success. To address these shortcomings and to demonstrate the required scope of holistic and sound techno-economic feasibility (TEF) analyses of large-scale SGE systems, this thesis analyzes individual stages of the TEF at selected sites using four different approaches.
In study 1, a straightforward approach to determine the cooling requirements of buildings is introduced by quantifying installed cooling capacities of compression chillers using aerial images. This is demonstrated at the Campus North of the Karlsruhe Institute of Technology (KIT) considering 36 air-cooled chillers with a total installed cooling capacity of 16 MW. With increasing capacities, improved accuracies of up to 85 % are achieved, indicating higher suitability of the method for large-scale installations.
Considering the findings of study 1, study 2 further analyzes the current cooling supply at the Campus North and examines the cooling demand and associated supply costs of 23 campus buildings. This study is performed considering the intended transition from the current decentralized cooling supply using chillers to promising district cooling (DC) networks fed by renewable cooling sources. Since the obtained parameters are subject to uncertainties, a Monte Carlo simulation is performed revealing cooling costs between 5.4 and 11.4 euro cents kWh-1. Cumulative annual costs of €4.5 million of all considered buildings, mainly resulting from the electricity costs to operate the chillers, request for a rapid shift to a decentralized and more efficient cooling supply by integrating renewable cooling solutions. The holistic analysis of the current cooling supply facilitates the discussion on further optimization measures and enables benchmarking with other universities or facilities, where DC systems are already implemented.
Study 3 analyzes the economic viability of SGE systems considering the investment costs and operating expenses of a potential Aquifer Thermal Energy Storage (ATES) for the heating and cooling supply of a specific building of the municipal hospital in Karlsruhe, Germany. The determined capital costs amount to €1.3 million, with underground installations accounting for the largest share of costs (60 %). The subsequent cost-benefit analysis between the considered ATES and the current supply technology consisting of compression chillers and district heating (DH) reveals a payback time of about 3 years for the ATES system. The most efficient supply option is direct cooling using ATES resulting in an electricity cost reduction of 80 %. Furthermore, the ATES achieves CO2 savings of about 600 tons per year, hence clearly demonstrating its potential economic and environmental benefits. This analysis addresses the existing lack of awareness of ATES in general and its related economic potential in particular to especially promote ATES usage in Germany, where the technology has not yet penetrated the thermal energy market.
As the reliability of measured data during exploration is related to optimized system designs affecting SGE economics, a holistic analysis of errors and uncertainties related to wireless tem-perature measurement (WTM) is provided in study 4. The encountered errors are determined in the laboratory and subsequently applied to vertical temperature profiles of the undisturbed ground recorded at a borehole heat exchanger (BHE) site. The resulting precision of 0.011 K and accuracy of -0.11 K ensure a high reliability of the WTMs. The largest uncertainty is obtained within the first five meters of descent and results from the thermal time constant of 4 s. The fast and convenient measurement procedure results in substantial advantages over Distributed Temperature Sensing (DTS) measurements using fiber optics, whose recorded temperature profiles at the site serve as a qualitative comparison. This study aims to raise awareness on the importance of detailed exploration as part of the TEF analysis of SGE in general and to specifically contribute to the advancement of wireless measurement technology.