Abstract:
Funktionelle Polymerschichten werden in vielen technischen Anwendungsgebieten eingesetzt. Beispiele sind Korrosionsschutzschichten, Verkapselungsschichten für die Verpackung von Lebensmitteln und Pharmazeutika, Membranen, aber auch Schichten in gedruckten elektronischen Bauteilen oder Biosensoren. Ein wichtiger Schritt bei der Herstellung funktioneller Schichten ist die Trocknung, weil Restlösemittel und Trocknungsbedingungen die resultierende Morphologie und Funktionalität der Schichten beeinflussen. Für die Simulation des Trocknungsprozesses werden Modellparameter für den gasseitigen Stoffübergang, das Phasengleichgewicht sowie die Diffusionskinetik im trocknenden Film benötigt. ... mehrLetztere steht im Fokus der vorliegenden Arbeit, wobei vorrangig nanometerskalige Schichten betrachtet werden.
Es ist bekannt, dass Lösemitteltransport speziell in Polymeren mit dem Fickschen Gesetz oder der Relaxationskinetik der Polymerketten beschrieben werden kann. Die Relaxationskinetik beschreibt die Verschiebung der Polymerkettensegmente zum Abbau innerer Spannungen im Polymer, die durch die Volumenänderung bei der Lösemittelaufnahme (Quellen) erzeugt werden. Die Unterscheidung, ob Ficksche Diffusionslimitierung oder Relaxationslimitierung vorliegt, erfolgt mit Hilfe der Diffusions-Deborahzahl, welche die Relaxationszeit mit der Diffusionszeit ins Verhältnis setzt.
An nanometerskaligen Polymerschichten wird in der Literatur bei Sorptionsversuchen beobachtet, dass bei Schichtdicken unterhalb von ca. 500 nm die Diffusionskinetik verlangsamt ist. Daraus wird auf einen um Größenordnungen erniedrigten Diffusionskoeffizienten geschlossen, was auf der Einschränkung der Beweglichkeit von Polymerketten am Substrat beruhe. Demgegenüber stehen Untersuchungen zur Glasübergangstemperatur von nanometerskaligen Polymerschichten, die auf eine Einschränkung der Beweglichkeit von Polymerketten in einem kleinen Bereich in Substratnähe schließen lassen, der deutlich dünner als 10 nm ist. Die Diskrepanz zwischen der Verringerung des Diffusionskoeffizienten unterhalb von ca. 500 nm einerseits und der verringerten Polymerkettenbeweglichkeit unterhalb von 10 nm andererseits wird in der vorliegenden Arbeit untersucht und aufgeklärt.
Es werden drei Hypothesen aufgestellt und mit geeigneten Experimenten und Stofftransportsimulationen überprüft.
(1) Die grundlegenden Mechanismen von Fickscher Diffusion und Relaxation gelten in nanometerskaligen Schichten genauso wie in dicken Schichten. Die Schichtdicke bestimmt dabei, welcher Mechanismus die Trocknungsgeschwindigkeit limitiert, da diese quadratisch in die Diffusions-Deborahzahl eingeht. Ein verringerter Diffusionskoeffizient tritt nur wenige Nanometer vom Substrat entfernt auf.
(2) Bei der Trocknung nanometerskaliger Polymerschichten bewirkt die Relaxationslimitierung anders als bei Sorptionsversuchen keine konstante Trocknungsrate aufgrund einer wandernden Front innerhalb der Schicht. Die Relaxation findet näherungsweise gleichzeitig in der gesamten Schicht statt, sodass ein exponentieller Trocknungsverlauf beobachtet wird, der sich aus dem viskoelastischen Modell des Maxwell-Körpers herleiten lässt.
(3) Im weniger als 10 nm dicken Bereich in Substratnähe lässt sich der Stofftransport mit der Fickschen Kinetik beschreiben, wobei der Diffusionskoeffizient deutlich erniedrigt gegenüber dem für dickere Schichten bekannten Wert ist.
Es wird erstmals eine Messapparatur aufgebaut, die mit einer Quarzkristallmikrowaage Trocknungsverlaufskurven in-situ in einem Strömungskanal aufnimmt. Diese ermöglicht die hochpräzise Messung des Lösemittelgehaltes mit einer Auflösung von bis zu 0,01 % Lösemittelanteil bei Schichtdicken hin zu 10 nm Dicke. Über eine integrierte Beladungszelle, die von einem Gasstrom mit einstellbarer Lösemittelaktivität durchströmt ist, wird der Polymerfilm mit Lösemittel beladen. Während der anschließenden Trocknung bei konstanter Temperatur mit definierten Strömungsbedingungen wird der Massenverlauf über der Zeit gemessen.
Die modellhafte Beschreibung der drei Mechanismen, Ficksche Diffusion, Relaxation und Ficksche Diffusion in Substratnähe erfolgt jeweils separat. Der Verlauf der Trocknungsverlaufskurve bei Fickscher Diffusion wird numerisch simuliert, indem die Schicht über die Dicke diskretisiert wird und in jedem Schichtdickenelement die Differentialgleichung des zweiten Fickschen Gesetzes unter geeigneten Rand- und Anfangsbedingungen gelöst wird. Dabei wird die Konzentrationsabhängigkeit des Diffusionskoeffizienten berücksichtigt. Die Funktion des Diffusionskoeffizienten vom Lösemittelanteil wird über einen Exponentialansatz beschrieben, die dafür benötigten Parameter werden so angepasst, dass der simulierte Trocknungsverlauf zur Messung passt. Ist eine verlangsamte Diffusion in Substratnähe zu berücksichtigen, wird der Diffusionskoeffizient abschnittsweise über die Filmdicke definiert (2-Schicht-Modell). Die Relaxationskinetik wird mit einer Two Stage-Kinetik beschrieben, wobei die Relaxationszeit über die Anpassung der simulierten Trocknungsverlaufskurve an die Messung bestimmt wird.
Die Trocknung von Schichten bestehend aus Kombinationen von vier Polymeren und drei Lösemitteln wird experimentell charakterisiert, indem Trocknungsverlaufskurven bei Variation der Trockenschichtdicke zwischen 11 nm und 7000 nm aufgenommen werden. Die Stoffsysteme werden dabei so gewählt, dass Schichten im glasartigen Zustand, im gummiartigen Zustand und im Übergangsbereich untersucht werden.
Die Trockenschichtdicke geht näherungsweise quadratisch in die charakteristische Diffusionszeit ein. Somit bewirkt eine Verringerung der Schichtdicke die Erhöhung der Diffusions-Deborahzahl und es können mit einem Stoffsystem anhand verschiedener Trockenfilmdicken diffusionslimitierte und relaxationslimitierte Trocknungsverlaufskurven untersucht werden. Die Identifikation eines jeweils dominierenden Mechanismus erfolgt über die mit Hilfe der numerischen Simulation angepassten konzentrationsabhängigen Diffusionskoeffizienten. Sind diese unabhängig von der Trockenschichtdicke, findet Ficksche Diffusion statt und der angepasste Diffusionskoeffizient ist auf dickere Schichten übertragbar. Nehmen sie mit Verringerung der Trockenschichtdicke ab, handelt es sich um scheinbare Diffusionskoeffizienten, die den Trocknungsverlauf, der von der Relaxationskinetik kontrolliert wird, nur integral und für eine spezielle Schichtdicke beschreiben. Die Trocknungsverlaufskurven bei Relaxationslimitierung sind dadurch gekennzeichnet, dass sie unabhängig von der Schichtdicke identisch verlaufen. Durch Anpassung des Modells der Two Stage-Kinetik wird die Relaxationszeit bestimmt. Der Übergangsbereich zwischen Schichtdicken mit Diffusions- und Relaxationslimitierung liegt je nach Stoffsystem zwischen ca. 500 nm und 1 µm. Bei Schichtdicken deutlich unter 100 nm wird für einen kleinen Anteil des trocknenden Lösemittels eine langsame Kinetik beobachtet. Dies wird auf die verringerte Beweglichkeit der Polymerkettensegmente am Substrat zurückgeführt und es wird der Diffusionskoeffizient und die Dicke des substratnahen Bereiches durch Anpassung der 2-Schicht-Simulation an die Messung bestimmt. Es resultieren je nach Stoffsystem Bereiche von 3 nm bis 8 nm, in denen der Diffusionskoeffizient um mehrere Zehnerpotenzen erniedrigt ist.
Die Ergebnisse der hier erstmals betrachteten Trocknungsmessungen an nanometerskaligen Polymerschichten und der angepassten Trocknungssimulationen können die drei aufgestellten Hypothesen für die hier verwendeten Stoffsysteme verifizieren. Es wird eine allgemeine Methodik abgeleitet, um die Trocknungskinetik von beliebigen Stoffsystemen zu charakterisieren, um mit den gewonnenen Daten Trocknungssimulationen mit Schichtdicken im Mikro- und Nanometermaßstab durchzuführen. Entscheidend dabei ist die Variation der Trockenschichtdicke, die eine Identifikation des jeweils entscheidenden stofftransportlimitierenden Mechanismus ermöglicht.
Abstract (englisch):
Functional polymer layers are used in many technical applications. Examples are corrosion protection layers, encapsulation layers for the packaging of food and pharmaceuticals, membranes, but also layers in printed electronic devices or biosensors. Drying is an important step in the production of functional coatings because residual solvents and drying conditions influence the resulting morphology and functionality of the coatings. For the simulation of the drying process, model parameters for gas-side mass transfer, phase equilibrium and diffusion kinetics in the drying film are required. ... mehrThe latter is the focus of the present work, whereby nanometer-scale layers are primarily considered.
It is known that solvent diffusion in polymers can be described by Fick’s law (Case I) or relaxation limited transport (Case II). Relaxation kinetics describes the movement of the polymer chain segments to reduce internal stress in the polymer, which is generated by the volume change during solvent uptake (swelling). The distinction between Fick’s diffusion limitation and relaxation limitation is based on the diffusion Deborah number, which relates the relaxation time to the diffusion time.
It has been observed in the literature in sorption experiments on nanometer-scale polymer layers that the diffusion kinetics is slowed down at layer thicknesses below about 500 nm. From this, a diffusion coefficient reduced by orders of magnitude is deduced, which is based on the restriction of the mobility of the polymer chains due to the substrate. In contrast, studies of the glass transition temperature of polymer layers suggest that the mobility of polymer chains is restricted in a small area near the substrate, which is significantly thinner than 10 nm. The discrepancy between the reduction of the diffusion coefficient below 500 nm on the one hand and the reduced polymer chain mobility below 10 nm on the other hand is investigated and resolved in the present work.
Three hypotheses are put forward and tested with suitable experiments and mass transport simulations.
(1) The basic mechanisms of Fick’s diffusion and relaxation apply in nanometer-scale layers as well as in thick layers. The thickness of the layer determines which mechanism limits the drying rate, as this is quadratically included in the diffusion Deborah number. A reduced diffusion coefficient occurs only a few nanometers away from the substrate.
(2) In contrast to sorption experiments, the relaxation limitation does not result in a constant drying rate due to a migrating front within the layer during the drying of nanometer-scale polymer layers. Relaxation takes place approximately simultaneously throughout the entire layer, so that an exponential drying process is observed, which can be derived from the viscoelastic model of a Maxwell material.
(3) In the region less than 10 nm from the substrate, mass transport can be described by Fick’s kinetics, whereby the diffusion coefficient is significantly lower than the value known for thicker layers.
For the first time, a measuring apparatus is set up which records drying curves in-situ in a flow channel using a QCM. This enables high-precision measurement of the solvent content with a resolution of up to 0.01% solvent content for layer thicknesses down to 10 nm. The polymer film is loaded with solvent via an integrated loading cell through which a gas stream with adjustable solvent activity is flowing. During the subsequent isothermal drying process with defined flow conditions, the mass curve over time is measured.
The three mechanisms, Fick’s diffusion, relaxation, and Fick’s diffusion near the substrate are described separately. The course of the drying curve at Fick’s diffusion is numerically simulated by discretizing the layer over its thickness and solving the differential equation of Fick’s second law in each layer thickness element under suitable boundary and initial conditions. The concentration dependence of the diffusion coefficient is considered. The function of the diffusion coefficient from the solvent content is described using an exponential approach. The parameters required for this are adjusted so that the simulated drying process matches the measurement. The relaxation kinetics is described using the two-stage kinetics, whereby the relaxation time is determined by fitting the simulated drying curve to the measurement.
The drying of layers consisting of combinations of four polymers and three solvents is characterized by recording drying curves with variation of the dry film thickness between 11 nm and 7000 nm. The material systems are selected in such a way that layers in the glassy state, in the rubbery state and in the transition region are investigated.
The thickness of the dry film is nearly quadratic to the characteristic diffusion time. Thus, a reduction of the layer thickness causes an increase of the diffusion-Deborah number and both, diffusion-limited and relaxation-limited drying curves can be measured with a single material system. The identification of the respective dominating mechanism is carried out by means of the concentration-dependent diffusion coefficients fitted by numerical simulation. If these are independent of the dry film thickness, Fick’s diffusion takes place and the fitted diffusion coefficient can also be applied to thicker coatings. If they decrease with reduction of the dry film thickness, these are effective diffusion coefficients which describe the drying process only for the respective film thickness, which is actually controlled by the relaxation kinetics. The drying curves with relaxation limitation are characterized by the fact that they are identical regardless of the layer thickness. The relaxation time is determined by adjusting the model of the two stage kinetics. The transition range between layer thicknesses with diffusion and relaxation limitation is between 500 nm and 1000 nm, depending on the material system. At layer thicknesses well below 100 nm, slow kinetics are observed for a small portion of the drying solvent. This is attributed to the reduced mobility of the polymer chain segments on the substrate. The diffusion coefficient and the thickness of the region near the substrate are determined by fitting the simulation to the measurement. Depending on the material system, areas of 3 nm to 8 nm result in which the diffusion coefficient is reduced by several orders of magnitude.
The results of the drying measurements on nanometer-scale polymer layers and the fitted drying simulations can verify the three hypotheses for the material systems used here. A general methodology is derived to characterize the drying kinetics of any material system in order to perform drying simulations with layer thickness on the micro- and nanometer scale with the obtained data. The variation of the dry film thickness is crucial for the identification of the decisive substance transport limiting mechanism.