Nanoskalige Analytik der Mikrostruktur von hochdosig bestrahltem Beryllium
Zimber, Nikolai
Abstract:
Beryllium gilt als vielversprechender Kandidat für einen effektiven Neutronenmultiplikator in Fusionskraftwerken. Die extremen Bedingungen in zukünftigen Reaktoren sorgen jedoch für eine nachhaltige Schädigung der eingesetzten Struktur- und Funktionswerkstoffe. Neben der sogenannten Verlagerungsschädigung, die zu Bildung von Frenkel-Paaren (Zwischengitteratome und Leerstellen) führt, werden durch Elementumwandlung große Mengen an Helium und Tritium im Material produziert. Zusammen mit Leerstellen bilden diese beiden Elemente Blasen, die zu einem Anschwellen des Materials führen können. ... mehrUntersuchungen an bestrahlten Berylliumproben haben darüber hinaus gezeigt, dass selbst nach der Bestrahlung bei höheren Temperaturen (≥ 600 °C) größere Mengen des produzierten Tritiums im Material zurückgehalten werden. Um im Falle eines Störfalls des Reaktors zu verhindern, dass das angesammelte Tritium unkontrolliert freigesetzt wird, muss sichergestellt werden, dass das Tritiuminventar in Beryllium bereits während des Reaktorbetriebs kontrolliert reduziert wird. Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch nicht abschließend geklärt auf welche genauen Mechanismen die große Tritiumrückhaltung in Beryllium zurückzuführen ist.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher, ein tiefgreifendes Verständnis über die mikrostrukturellen Veränderungen in neutronenbestrahltem Beryllium zu entwickeln. Insbesondere sollen dabei die genauen Mechanismen aufgezeigt werden, die zu der beobachteten Tritiumrückhaltung führen. Dafür wurden 1 mm große constrained Be-Kugeln aus der vier Jahre langen HIDOBE-02 Bestrahlungskampagne ausgiebig im Transmissionselektronenmikroskop (TEM) analysiert. Neben den klassischen Abbildungsverfahren wurden die Proben intensiv analytisch untersucht. Insbesondere die Bestrahlung bei 387 °C und 487 °C hat neben der Blasen-Nukleation zur Bildung einer Vielzahl von Ausscheidungen und Segregationen geführt. Hier konnte man auch immer wieder Effekte wie die neutroneninduzierte Auflösung und Wiederausscheidung beobachten. Oberhalb 487 °C war der Großteil der Ausscheidungen unter Bestrahlung nicht länger stabil und hat sich aufgelöst.
Sowohl Helium als auch Tritium konnten zum ersten Mal überhaupt mittels hochaufgelöster Elektronenenergieverlustspektroskopie (EELS) sowohl innerhalb von nanoskaligen Blasen im Korninnern als auch entlang von Korngrenzen quantifiziert werden. Während sich Helium quasi homogen im Blaseninneren verteilt, lagert sich Tritium vornehmlich an den Basalflächen der hexagonal-prismatischen Blasen an. Mit einer eigens entwickelten Datenbearbeitungsroutine konnten selbst bei vermeintlich schlechten Signalen klar erkennbare Helium- und Wasserstoffsignale herausgearbeitet werden. Neben Wasserstoff wurden mittels energiedispersiver Röntgenspektroskopie (EDX) Al, Mg und Si an den Blasenrändern nachgewiesen werden. Diese Beobachtungen legen nahe, dass Wasserstoff durch die Bildung eines komplexen Hydrids an den Basalflächen innerhalb der Blasen gebunden ist. Diese Annahme wird durch die Ergebnisse der Unabhängigkeitsanalyse (ICA) der Beryllium K-Kante unterstützt. Hochaufgelöste in-situ EELS-Heizversuche offenbaren selbst bei erhöhten Temperaturen eine starke Wasserstoffanreicherung an den Blasenrändern solange diese geschlossenen sind. Die großen Heliummengen innerhalb der Blasen führen zu Drücken von bis zu 0,13 GPa und verhindern somit mit hoher Wahrscheinlichkeit die Wasserstoffdesorption. Sobald die Blasen geöffnet sind, und damit der Druck im Inneren verschwindet, beginnt Wasserstoff bei Temperaturen ≥ 400 °C von den Basalflächen zu desorbieren.
Entlang der Korngrenzen ist es bei allen Temperaturen zur Bildung von blasenverarmten Zonen gekommen, in denen keine oder nur sehr wenige Blasen zu sehen sind. Mit Hilfe eines selbst entwickelten theoretischen Modells konnte gezeigt werden, dass sämtliches, während der Bestrahlung freigesetztes Tritium, aus dem Bereich der späteren verarmten Zonen stammt. Die Bildung von Ausscheidungs-Blasenpaaren in der unmittelbaren Nähe dieser Bereiche verhindert bei Temperaturen ≤ 500 °C offenbar die Freisetzung größerer Mengen, da diese als zusätzliche Einfangzentren für Tritium wirken. Das vorgestellte Modell kann in Zukunft dafür verwendet werden, mit wenigen, einfach zu bestimmenden experimentellen Daten die Tritiumrückhaltung in bestrahlten Proben abzuschätzen und liefert damit wichtige Erkenntnisse für die Blanketsicherheit zukünftiger Fusionsreaktoren. Darüber hinaus helfen die Ergebnisse dieser Arbeit dabei, das grundlegende Verständnis von Metall-Wasserstoff-Wechselwirkungen zu vertiefen.
Abstract (englisch):
Beryllium is considered as a promising candidate for an effective neutron multiplier in fusion power plants. However, the extreme conditions in future reactors will cause lasting damage to the structural and functional materials used. Besides the so-called displacement damage which results in the formation of Frenkel pairs (interstitial atoms and vacancies), large amounts of helium and tritium will be produced in the material by neutron-induced transmutation. Together with vacancies, these two elements form bubbles that can lead to swelling of the material. Furthermore, investigations on irradiated beryllium samples have shown that even after irradiation at higher temperatures (≥ 600 °C), large amounts of the produced tritium are retained in the material. ... mehrTo prevent an uncontrolled release of the accumulated tritium in the event of a reactor accident, it must be ensured that the tritium inventory in beryllium is already reduced in a controlled manner during reactor operation. At the present time however, the exact mechanisms of the tritium retention are not fully understood.
The aim of the present work is therefore to develop an in-depth understanding of the microstructural changes in neutron-irradiated beryllium. In particular, it aims to reveal the precise mechanisms leading to the observed tritium retention. Therefore, 1 mm constrained Be pebbles from the four-year long irradiation campaign HIDOBE-02 were extensively analysed in the transmission electron microscope (TEM). In addition to classical imaging techniques, the samples were intensively analysed analytically. In particular, the irradiation at 387 °C and 487 °C led to the formation of a large number of precipitates and segregations. In many places, effects such as neutron-induced dissolution and re-segregation could be observed repeatedly. Above 487 °C, most of the precipitates were no longer stable under irradiation and dissolved.
Both, helium and tritium could be detected for the first time by high-resolution electron energy loss spectroscopy (EELS) within bubbles in the grain interior as well as along grain boundaries. While helium is distributed quasi-homogeneously in the bubble interior, tritium accumulates mainly at the basal planes of the hexagonal-prismatic bubbles. With a specially developed data processing routine, clearly recognizable helium and hydrogen signals could be extracted even in the case of supposedly poor signals. In addition to hydrogen, Al, Mg, and Si could be detected at the bubble walls using energy dispersive X-ray spectroscopy (EDX). These observations suggest that hydrogen is bound to the basal planes within the bubbles by the formation of a complex hydride. This assumption is supported by results of the independent component analysis (ICA) of the beryllium K-edge. High-resolution in-situ EELS heating experiments reveal a strong hydrogen enrichment at the bubble walls as long as the bubbles remain closed, even at elevated temperatures. The strong helium accumulation within the bubbles leads to pressures of up to 0.13 GPa, and presumably prevent hydrogen desorption. As soon as the bubbles are opened, and thus the pressure inside disappears, hydrogen begins to desorb from the basal planes at temperatures ≥ 400 °C.
At all irradiation temperatures bubble denuded zones (DZ) with only very few or no bubbles at all could be observed. Using a self-developed theoretical model, it could be shown that all tritium, which is released during the irradiation, originates from the area of the denuded zones. The formation of solute-vacancy pairs in the immediate vicinity of these regions presumably prevents the release of larger amounts at temperatures ≤ 500 °C, as they act as additional nucleation centres. The presented model can be used in the future to estimate the tritium retention in irradiated samples with small amounts of easily determined experimental data and thus give important insights into blanket safety of future fusion reactors. In addition, the results of this work help provide important data for a fundamental understanding of metal-hydrogen interactions.