Abstract:
Schwefel wird als Nebenprodukt der Erdöl- und Erdgasraffination jedes Jahr im Megatonnenmaßstab produziert. Die Deponierung großer Mengen überschüssigen Schwefels verursacht eine ökologische und wirtschaftliche Notwendigkeit, geeignete Verwendungsmöglichkeiten für diese günstige Ressource zu finden. Ein 2013 erfundenes Verfahren, die so genannte inverse Vulkanisation, zeigte eine Möglichkeit auf große Mengen Schwefels (90 Gew.-%) in polymere Materialien einzubringen. Die inverse Vulkanisation bietet jedoch nur eine unzureichende Reaktionskontrolle und ermöglicht es Chemikern daher nicht, Polymere mit definierten molekularen oder mechanischen Eigenschaften zu entwickeln. ... mehrDaher wird nach chemischen Strategien gesucht, die eine Kontrolle über invers vulkanisierte Polymere bieten, um ein zielgerichtetes Materialdesign und die Entwicklung von Produkten zu ermöglichen.
Die synthetische Strategie in dieser Arbeit beschreibt die Verbindung von siliziumorganischer Chemie mit der inversen Vulkanisation. In dieser Symbiose ermöglicht die inverse Vulkanisations die Nutzung signifikanter Mengen an Schwefel, während die Organosiliziumchemie als chemische Schraube zur Einstellung der Eigenschaften des invers vulkanisierten Polymers dient. Zu diesem Zweck wurden geeignete ungesättigte Silane und Vinylsiloxane mit Schwefel bei erhöhten Temperaturen von 130 - 160°C umgesetzt, um Polymere mit hohem Schwefelgehalt zu erhalten. Diese Polymere können Folgereaktionen wie der Hydrolyse und Polykondensation oder der Ringöffnenden Polymerisation unterzogen werden.
Ausgehend von der inversen Vulkanisation von Styrylethyltrimethoxysilan (StyTMS) wurde elementarer Schwefel in eine in Lösung prozessierbare Beschichtung mit einem Schwefelgehalt von 35 Gew.-% überführt. Dazu wurde StyTMS mit elementarem Schwefel umgesetzt, um Präpolymere zu erhalten, die hydrolysierbare funktionelle Methoxysilangruppen tragen, welche in Lösung durch die Zugabe einer verdünnten Säure bei Raumtemperatur hydrolysiert wurden. Die hydrolysierten Präpolymerlösungen wurden durch Sprüh-, Tauch- oder Schleuderbeschichtung auf eine Vielzahl von Oberflächen wie Glas, Silizium, Gold oder Substrate wie Zellulosefilter, Glasfaserfilter oder Siliziumdioxidpartikel aufgebracht. Nach dem Verdampfen des Lösungsmittels bildet das hydrolysierte Präpolymer durch Polykondensation Siloxanvernetzungen. Durch die Bildung von Siloxanbindungen wurde die hochschwefelhaltige Beschichtung kovalent an Oberflächen gebunden und unlöslich. Beschichteten Siliziumdioxidpartikel besaßen die Fähigkeit, giftige Quecksilber(II)-Ionen aus dem Wasser zu extrahieren. Mit dieser Strategie konnte die Löslichkeit eines invers vulkanisierten Polymers kontrolliert werden, was seine Verwendung als lösungsmittelbeständige Beschichtung ermöglichte. Die entwickelten Beschichtungen und Präpolymere wurden mit AFM, ATR FT-IR, Ellipsometrie, EDX, SEM, ToF-SIMS, UV-vis, XPS und 29Si NMR untersucht.
Die inverse Vulkanisation von hydrolysierbaren Norbornenylsilanen wurde genutzt, um lösliche Polymere mit einem Schwefelgehalt von 50 Gew.-% und einstellbaren molekularen und makroskopischen Eigenschaften zu synthetisieren. Dazu wurde elementarer Schwefel mit Mischungen aus einem hydrolysierbaren Chlor- oder Ethoxynorbornenylsilan und dem nicht hydrolysierbaren Trimethylnorbornenylsilan umgesetzt, um invers vulkanisierte Präpolymere zu erhalten. Je nach Wahl und Anteil des hydrolysierbaren Norbornenylsilans, welches zwischen einer und drei hydrolysierbare Gruppen enthält, können unterschiedliche Mengen an M-, D- oder T-Siloxan-bindungen in das invers vulkanisierte Polymer eingebaut werden. Trimethylnorbornenylsilan wurde durch Methylierung eines Monoethoxynorbornenylsilans synthetisiert und ermöglichte die Bildung löslicher Polymere, indem es die Anzahl der Siloxanbindungen unterhalb der Vernetzungsschwelle hält. Die Polykondensation der invers vulkanisierten Präpolymere erfolgte in der Schmelze und die Produkte wurden durch Fällung gereinigt. Durch feines Variieren der Anzahl der Siloxanbindungen in den invers vulkanisierten Polymeren wurden grundlegende Eigenschaften wie die molare Masse oder die Glasübergangstemperatur gezielt verändert. Die elementare Zusammensetzung der Polymere blieb konstant, während ihre makroskopischen Eigenschaften von hart bis weich, von starr bis dehnbar und von spröde bis verformbar eingestellt wurden. Die synthetisierten Polymere wurden mittels ATR-FTIR, Elementaranalyse, DSC, PXRD, GPC und 29Si NMR eingehend charakterisiert.
Es konnte gezeigt werden, dass die inverse Vulkanisation von Vinyl(cyclo)siloxanen flexible Polymere mit einem Schwefelgehalt bis zu 40 Gew.-% durch eine einfache und skalierbare Synthese ermöglicht. Dies wird auf die einzigartigen Eigenschaften der Siloxanbindung zurückgeführt, wie z. B. eine niedrige Rotationsenergie um die Bindungsachse oder eine niedrige Energie für die Linearisierung der Bindung. Die Ringstrukturen der Cyclosiloxane blieben erhalten und konnten mit starken Säuren geöffnet werden. Die mechanischen Eigenschaften der invers vulkanisierten Polymere wurden anhand von Zug- und Drucktests untersucht.
Zusammenfassend konnte gezeigt werden, dass die inverse Vulkanisation mit der industriell relevanten Organosiliziumchemie kompatibel ist. Die Kombination eines hohen Schwefelgehalts mit siliziumorganischer Folgechemie ermöglichte die Kontrolle über die Löslichkeit sowie die thermischen, molekularen, mechanischen und rheologischen Eigenschaften von invers vulkanisierten Polymeren, was zur Entwicklung von Beschichtungen und weichen Materialien mit hohem Schwefelgehalt führte.
Abstract (englisch):
Sulfur is produced on the megaton scale every year due to being a side product of natural oil and gas refining. The landfilling of large amounts of excess sulfur creates an ecological and economical imperative to find suitable uses for this cheap resource. A process invented in 2013, termed the inverse vulcanization, revealed a way to incorporate large quantities of sulfur (90 wt%) into polymeric materials. However, the inverse vulcanization offers only poor reaction control and does not allow chemists to predict and design polymers with targeted molecular or mechanical properties. ... mehrTherefore, chemical strategies offering control over inverse vulcanized polymers are sought to enable a purposeful material design and product development.
The synthetic strategy in this thesis describes the marriage of organosilicon chemistry with the inverse vulcanization. In this symbiosis, the inverse vulcanization enables the utilization of significant quantities of sulfur whereas the organosilicon chemistry serves as a chemical screw to tune the properties of the inverse vulcanized polymer. For this, suitable unsaturated silanes and vinylsiloxanes were reacted with sulfur at elevated temperatures around 130 – 160°C to obtain high sulfur content polymers. These polymers could undergo follow-up reactions such as hydrolysis and polycondensation, or ring opening polymerization.
Based on the inverse vulcanization of styrylethyltrimethoxysilane (StyTMS), elemental sulfur was converted into a solution processable coating with a sulfur content of 35 wt%. For this, StyTMS was reacted with elemental sulfur to obtain prepolymers carrying hydrolysable methoxysilane functional groups, which were hydrolyzed in solution by addition of a dilute acid at room temperature. Hydrolyzed prepolymer solutions were applied to a variety of surfaces such as glass, silicon, gold, or substrates such as cellulose filters, glass fiber filters, or silica particles via spray-, dip-, or spin coating. Upon evaporation of the solvent, the hydrolyzed prepolymer formed siloxane crosslinks via polycondensation. As a result of siloxane bond formation, the high sulfur content coating bound to surfaces covalently and was rendered insoluble. Silica particles coated with the high sulfur content coating possessed the ability to extract toxic mercury(II) ions out of water. By this strategy, control over the solubility of an inverse vulcanized polymer was demonstrated which enabled its use as a solvent resistant coating. The developed coatings and prepolymers were examined with AFM, ATR FT-IR, ellipsometry, EDX, SEM, ToF-SIMS, UV-vis, XPS, and 29Si NMR.
The inverse vulcanization of hydrolysable norbornenylsilanes was used to allow for the synthesis of soluble polymers with a sulfur content of 50 wt% and tunable molecular and macroscopic properties. To achieve this, elemental sulfur was reacted with mixtures consisting of a hydrolysable chloro- or ethoxynorbornenylsilane and the non-hydrolysable trimethylnor-bornenylsilane to obtain inverse vulcanized prepolymers. Different amounts of M, D, or T siloxane bonds could be installed into the inverse vulcanized polymer depending on the choice and the share of the hydrolysable norbornenylsilane, which contained between one and three hydrolysable groups, respectively. Trimethylnorbornenylsilane was synthesized via methyla-tion of a monoethoxynorbornenylsilane and enabled the formation of soluble polymers by keeping the number of siloxane bonds below the threshold of crosslinking. The polycondensa-tion of the inverse vulcanized prepolymers was conducted in the melt and the products were purified by precipitation. By finely varying the number of siloxane bonds in the inverse vulcanized polymers, fundamental properties such as the molar mass or the glass transition temperature were altered in a targeted way. The elemental composition of the polymers remained constant, whereas their macroscopic properties were tuned from hard to soft, rigid to stretchable, and brittle to malleable. Synthesized polymers were characterized thoroughly using ATR-FTIR, elemental analysis, DSC, PXRD, GPC, and 29Si NMR.
It could be shown that the inverse vulcanization of vinyl(cyclo)siloxanes affords flexible polymers with a sulfur content of up 40 wt% via a straightforward and scalable synthesis. This is attributed to the unique properties of the siloxane bond, such as a low energy of rotation and low energy of bond linearization. The ring structures of the cyclosiloxanes were retained and could be opened with strong acids. The mechanical properties of the inverse vulcanized polymers were investigated using tensile and compression tests.
In conclusion, it could be demonstrated that the inverse vulcanization is compatible with the industrially relevant organosilicon chemistry. Merging a high sulfur content with the organo-silicon follow-up chemistry gave control over the solubility, as well as the thermal, molecular, mechanical, and rheological properties of inverse vulcanized polymers, which lead to the development of high sulfur content coatings and soft materials.