Abstract:
Ziel dieser Dissertation ist die Entwicklung einer Methode, mit welcher auf die rheologischen Eigenschaften von Schmierölen und Schmierfetten bis zu mindestens -40 °C geschlossen werden kann. Derzeit sind Pourpoint-Messungen nach ASTM D97 oder DIN ISO 3016 die gängige Methode um die Temperatur zu bestimmen, bei der Schmieröle gerade noch fließen. Der Pourpoint ist erreicht, wenn beim Kippen des Probegefäßes keine Bewegung des Öls mehr erkennbar ist. Er wurde ursprünglich für Mineralöle entwickelt, die beim Unterschreiten des Pourpoints Paraffinkristalle bilden. Synthetische Grundöle enthalten jedoch keine Bestandteile, die bei tiefen Temperaturen ausfallen und ein Netzwerk aus Kristallen bilden können und trotzdem wird der Pourpoint auf diese Öle angewendet. ... mehrUm zu klären, ob der Pourpoint eine geeignete Größe für Syntheseöle ist, wurden für diese Forschungsarbeit ein Mineralöl als Standard und fünf synthetische Öle gewählt. Darunter befinden sich ein Polyalphaolefin, ein Alkylnaphthalin, ein Polypropylenglykol und zwei Esteröle, eines mit linearen Alkylresten und eines mit verzweigten Alkylresten. Syntheseöle eignen sich vor allem für Hochleistungsschmierung, auch bei tiefen Temperaturen, und Esteröle werden immer gefragter, da sie biologisch abbaubar sind.
Häufig dient der Pourpoint von Grundölen auch als Grundlage zur Beurteilung, ob Schmierfette bei tiefen Temperaturen eingesetzt werden können. Um die Relevanz des Pourpoints hinsichtlich einer Tieftemperatureignung von Schmierölen und -fetten zu bewerten und eine Grundlage für die zu entwickelnde rheologische Methode zu legen, werden Kristallisations- und Schmelztemperatur- und das rheologische Verhalten bei tiefen Temperaturen von einem Mineralöl und fünf synthetischen Schmierölen ähnlicher kinematischer Viskosität bei 40 °C sowie von darauf basierenden Modellschmierfetten mit den gängigen Metallseifen Li- und Ca-12-Hydroxystearat als Verdicker untersucht.
Werden die Schmieröle abgekühlt, so steigt ihre temperaturabhängige Viskosität gemäß der Beziehung von Williams-Landel-Ferry bis sie entweder glasartig erstarren oder kristallisieren. Bis dahin gilt für die newtonschen Grundöle die Cox-Merz-Beziehung. Hinsichtlich ihres Erstarrungsverhaltens unterscheiden sich die untersuchten Schmieröle jedoch signifikant.
So führt im Mineralöl die Bildung von Paraffinkristallen unterhalb der Kristallisationstemperatur zu einem scherverdünnenden Fließverhalten und einer Fließgrenze. Bei Abkühl- und Aufheizversuchen (Temperatursweeps) entsteht durch das Ausfallen und Schmelzen von Paraffinkristallen im Mineralöl ein Knick im temperaturabhängigen Viskositätsverlauf, woraus sich die Kristallisationstemperatur beim Abkühlen beziehungsweise die Schmelztemperatur beim Aufheizen ergibt. Die über DSC-Messungen und rheologische Messungen ermittelten Kristallisationstemperaturen stimmen mit dem Pourpoint überein, wenn identische Abkühlbedingungen eingehalten werden.
Die glasartig erstarrenden synthetischen Schmieröle, Polyalphaolefin, Alkylnaphthalin, Polypropylenglykol und das Esteröl mit verzweigten Alkylketten weisen einen stetigen Viskositätsanstieg mit sinkender Temperatur auf. Bis circa 20 K oberhalb der Glasübergangstemperatur des jeweiligen Schmieröls folgt die temperaturabhängige Viskosität beziehungsweise der Betrag der komplexen Viskosität der Williams-Landel-Ferry-Beziehung. Die Temperatur, bei der die Grundölviskosität 1000 Pa s erreicht, stimmt mit dem Pourpoint überein.
Das synthetische Esteröl mit linearen Alkylketten kristallisiert nach einer starken Unterkühlung soweit aus, dass rheologische Messungen in stetiger Scherung nicht mehr möglich sind. Die Unterkühlung nimmt aufgrund einer scherinduzierten Kristallisation mit zunehmender Scherrate ab. In Ruhe kristallisiert das Esteröl erst beim Aufheizen (Kaltkristallisation), wobei die Kristallisationstemperatur mit steigender Heizrate zunimmt und die Schmelztemperatur in erster Näherung unverändert bleibt. Unter Scherbelastung kristallisiert das Esteröl bereits beim Abkühlen. Bei isothermen Messungen nimmt die Zeit bis zum Einsetzen der Kristallisation mit steigender Scherrate signifikant ab. Die genannten Effekte zeigen deutlich, dass der Pourpoint für dieses Esteröl keine Auskunft über die Tieftemperatureignung gibt, da er ausschließlich beim Abkühlen und ohne Scherbelastung bestimmt wird. In diesem Fall ist bei einer Entscheidung über die Tieftemperatureignung des Öls die Schmelztemperatur und nicht der Pourpoint die geeignete Größe.
Da Schmierfette durch ihre pastöse Konsistenz bei Raumtemperatur nicht fließen, kann der Pourpoint an Schmierfetten nicht bestimmt werden. Mit rheologischen Messungen in oszillatorischer Scherung und komplementären DSC-Messungen ist es jedoch möglich, sowohl das viskoelastische Verhalten von Schmierfetten als auch das Kristallisationsverhalten von Grundölen in Schmierfetten bei tiefen Temperaturen zu charakterisieren.
Im Gegensatz zu den reinen Grundölen gilt bei Schmierfetten die Arrhenius-Beziehung für die Temperaturabhängigkeit der rheologischen Größen. So steigt im Arrhenius-Diagramm sowohl der Betrag der komplexen Viskosität als auch die Fließgrenze linear mit abnehmender Temperatur. Der Einfluss der Verdicker auf das Erstarrungsverhalten der Schmierfette ist jedoch je nach Grundöltyp sehr unterschiedlich.
Beim Abkühlen der Schmierfette auf Basis des Mineralöls scheiden sich ebenso wie beim reinen Grundöl unterhalb der Kristallisationstemperatur Paraffinkristalle ab und erzeugen eine Suspension aus Öl, Verdicker und Paraffinkristallen. Bei weiterer Abkühlung nehmen Konzentration und Größe der Paraffinkristalle zu, was die zunehmend steifere Konsistenz der Schmierfette erklärt. Während die Kristallisationstemperatur mit zunehmendem Verdickeranteil steigt, nimmt die Schmelztemperatur dagegen ab. Dies lässt vermuten, dass sich ein Teil des Verdickers im Grundöl löst und für eine Schmelzpunkterniedrigung sorgt.
Werden Schmierfette auf Basis der glasartig erstarrenden Grundöle abgekühlt, so kristallisieren keine Grundölbestandteile aus. Die Glasübergangstemperaturen der untersuchten Schmierfette sind lediglich 1 – 4 K höher als die der jeweiligen Grundöle und immer noch im Bereich von -70 bis -80 °C. So haben weder Verdickertyp noch -konzentration einen signifikanten Einfluss auf die Glasübergangstemperatur.
Das reine Esteröl mit linearen Alkylketten zeigt in Ruhe aufgrund der homogenen Keimbildung eine deutliche Unterkühlung und Kaltkristallisation. Bei den Schmierfetten wird die homogene durch eine heterogene Keimbildung ersetzt. Dies äußert sich darin, dass mit steigendem Verdickeranteil zunehmend mehr Grundöl beim Abkühlen und 25 K oberhalb der Kristallisationstemperatur des reinen Esteröls (-45 °C) kristallisiert. Damit gibt auch in diesem Fall der Pourpoint des Grundöls keinen Hinweis darauf, ob und bei welcher Temperatur sich das Schmierfett verfestigt.
Aus den Erkenntnissen der Grundöl- und Schmierfettrheologie bei tiefen Temperaturen und des Erstarrungsverhaltens wurde ein rheologisches Messverfahren abgeleitet, mit dem die Änderung des rheologischen Verhaltens sowohl von Grundölen als auch von Schmierfetten bestimmt werden kann. Das Messverfahren beruht im Wesentlichen auf einem Temperatursweep mit einer konstanten Abkühl- und Aufheizrate von 1 K/min zwischen 20 °C und -40 °C. Die rheologische Messung erfolgt in oszillatorischer Scherung bei einer so niedrigen Schubspannungsamplitude (50 Pa), dass ein entstehendes Netzwerk auskristallisierender Ölbestandteile möglichst wenig belastet wird und die Schubspannungsamplitude bei Schmierfetten über den ganzen Temperaturbereich hinweg im LVE-Bereich liegt. Zur Beurteilung der Messergebnisse wird der Logarithmus des Betrages der komplexen Viskosität als Funktion der Temperatur während der Abkühl- und Aufheizphase herangezogen.
Sind die komplexen Viskositäten von Abkühl- und Aufheizphase deckungsgleich und ist kein Knick in Form einer signifikanten Steigungsänderung erkennbar, kristallisiert ein reines Schmieröl beziehungsweise ein Grundöl im Schmierfett bis -40 °C nicht. Für Schmieröle entspricht die Temperatur, bei der die komplexe Viskosität einen Wert von 1000 Pa s erreicht, dem Pourpoint. Ist der Pourpoint von Interesse und erreicht die komplexe Viskosität bis -40 °C die 1000 Pa s nicht, muss weiter abgekühlt werden. Vorteil der rheologischen Bestimmung des Pourpoints ist, dass er sich wesentlich genauer als nach den Normen ASTM D97 und DIN ISO 3016 bestimmen lässt. Treten bei den Verläufen der komplexen Viskosität in Abhängigkeit der Temperatur signifikante Steigungsänderungen in Form von Knicken auf, entspricht der Knick beim Abkühlen der Kristallisationstemperatur und der Knick beim Aufheizen der Schmelztemperatur. Im Fall von Kaltkristallisation können auch beide Knicke beim Aufheizen auftreten.
Die vorgeschlagene Messmethodik hat neben der Pourpoint-Bestimmung für Schmieröle den Vorteil, dass sich aus den Messergebnissen für Schmieröle und Schmierfette gleichermaßen eine Temperatur angeben lässt, unterhalb welcher entweder Bestandteile auskristallisieren oder Schmieröle beziehungsweise Schmierfette fest werden. Da sich aus den Messungen die Ursache für das Verfestigen ableiten lässt (vollständige Kristallisation oder Verglasung) kann eine Temperatur angeben werden, oberhalb der ein Einsatz von Schmieröl oder Schmierfett unkritisch ist. In diesem Zusammenhang kann auf DSC-Messungen verzichtet werden, da das rheologische Verfahren sensitiver auf Kristallisation beziehungsweise Verglasung reagiert
Abstract (englisch):
This dissertation aims to develop a method for inferring the rheological properties of lubricating oils and greases down to at least -40 °C. According to ASTM D97 and DIN ISO 3016, a pour point measurement is the standard method to determine the lowest temperature at which lubricating oils flow. The pour point is reached when no movement of the oil can be detected when tilting the sample vessel. It was initially developed for mineral oils, which form paraffin crystals when the temperature falls below the pourpoint. However, synthetic base oils do not contain components that can precipitate at low temperatures and form a network of crystals, and yet the pourpoint is applied to these oils. ... mehrIn order to clarify whether the pourpoint is a suitable parameter for synthetic oils, we chose a mineral oil as the standard and five synthetic oils for this research. These include a polyalphaolefin, an alkylnaphthalene, a polypropylene glycol, and two ester oils, one with linear and one with branched alkyl radicals. Synthetic oils are particularly suitable for high-performance lubrication, even at low temperatures, and ester oils are increasingly in demand because of their biodegradability.
Frequently, the pour point of base oils also serves as a basis for assessing whether lubricating greases can be used at low temperatures. In order to evaluate the relevance of the pour point concerning low-temperature suitability of lubricating oils and greases and to lay a basis for the rheological method to be developed, crystallization and melting temperature and low-temperature rheological behavior of mineral oil and five synthetic lubricating oils of the same kinematic viscosity at 40 °C, as well as of corresponding model lubricating greases with the common metal soaps Li- and Ca-12-hydroxystearate as thickeners, are investigated.
If the lubricating oils are cooled, their temperature-dependent viscosity increases according to the Williams-Landel-Ferry relationship until they solidify glass-like or crystallize. Until then, the Cox-Merz relationship applies to Newtonian lubricating oils. However, in terms of their solidification behavior, the lubricating oils studied differ significantly.
For example, in mineral oil, the formation of paraffin crystals below the crystallization temperature leads to shear-thinning flow behavior and a yield point. In the case of cooling and heating cycles (temperature sweeps), the precipitation and melting of paraffin crystals causes a break in the temperature-dependent viscosity, resulting in the crystallization temperature on cooling and the melting temperature on heating. The crystallization temperatures determined via DSC-measurements and rheological measurements agree with the pour point if identical cooling conditions are maintained.
The glassy solidifying synthetic lubricating oils, polyalphaolefin, alkylnaphthalene, polypropylene glycol, and the ester oil with branched alkyl chains show a steady viscosity increase with decreasing temperature. Up to about 20 K above the glass transition temperature the temperature-dependent viscosity and amount of the complex viscosity follows the Williams-Landel-Ferry relationship. The temperature at which the base oil viscosity reaches 1000 Pa s coincides with the pour point.
With linear alkyl chains, the synthetic ester oil crystallizes after severe supercooling to such an extent that rheological measurements in steady shear are no longer possible. Supercooling decreases with increasing shear rate due to shear-induced crystallization. At rest, the ester oil crystallizes only on heating (cold crystallization), while the crystallization temperature increases with increasing heating rate and the melting temperature remaines unchanged to a first approximation. The time to onset of crystallization decreases significantly with increasing shear rate for isothermal measurements. These effects clearly show that the pour point does not provide any information about the low-temperature behavior for this ester oil since it is determined during cooling and without shear stress. In this case, when deciding on the low-temperature suitability of the oil, the melting temperature and not the pour point is the appropriate value.
Since lubricating greases do not flow at room temperature due to their pasty consistency, the pour point cannot be determined on lubricating greases. However, with rheological measurements in oscillatory shear and complementary DSC measurements, it is possible to characterize the viscoelastic behavior of lubricating greases and the crystallization behavior of base oils in the lubricating grease at low temperatures.
In contrast to pure base oils, the Arrhenius relationship applies to the temperature dependence of the rheological quantities in the case of lubricating greases. Thus, the magnitude of the complex viscosity and the yield point increases linearly with decreasing temperature in the Arrhenius diagram. However, the thickener's influence on the solidification behavior of the lubricating greases varies greatly depending on the base oil type.
When the lubricating greases based on the mineral oil cool down, paraffin crystals precipitate below the crystallization temperature, just as in the case of pure base oil, and produce a suspension of oil, thickener, and paraffin crystals. With further cooling, the concentration and size of the paraffin crystals increase, which explains the increasingly stiff consistency of the lubricating greases. While the crystallization temperature increases with increasing thickener content, the melting temperature, on the other hand, decreases. This suggests that part of the thickener dissolves in the base oil and causes a lowering of the melting point.
If lubricating greases based on the glass-like solidifying base oils are cooled, no base oil com-ponents crystallize. The glass transition temperatures of the investigated lubricating greases are only 1 – 4 K higher than those of the respective base oils and still in the range of -70 to -80 °C. Thus, the thickeners have no significant influence on the glass transition temperature, regardless of type and concentration.
At rest, the pure ester oil with linear alkyl chains shows significant supercooling and cold crystallization due to homogeneous nucleation. In the case of lubricating greases, heterogeneous nucleation replaces homogeneous nucleation. This manifests itself in the fact that with increasing thickener content, more base oil crystallizes on cooling and 25 K above the crystallization temperature of the pure ester oil (-45 °C). Thus, in this case, the pour point of the base oil does not indicate whether and at what temperature the grease solidifies.
From the findings on base oil and lubricating grease rheology at low temperatures and on solidification behavior, a rheological measurement method was derived to determine the change in rheological behavior of both base oils lubricating greases. The measurement method essentially is a temperature sweep with a constant cooling and heating rate of 1 K/min between 20 °C and
-40 °C. The rheological measurement is carried out in oscillatory shear at such a low shear stress amplitude (50 Pa) that a network of crystallizing oil constituents is stressed as little as possible, and the shear stress amplitude for lubricating greases is in the LVE range over the entire temperature range. The logarithm of the amount of complex viscosity as a function of temperature during the cooling and heating phases is used to evaluate the measurement results.
If the complex viscosities of the cooling and heating phases are congruent and no break in the form of a significant change in slope is discernible, a pure lubricating oil or base oil in the lubricating grease does not crystallize down to -40 °C. For lubricating oils, the temperature at which the complex viscosity reaches a value of 1000 Pa s corresponds to the pour point. If the pour point is of interest and the complex viscosity does not reach 1000 Pa s by -40 °C, further cooling is required. The advantage of the rheological measurement of the pour point is that it can be determined much more accurately than according to the ASTM D97 and DIN ISO 3016 standards. If significant slope changes in the form of breaks occur in the curves of the complex viscosity as a function of temperature, the break while cooling corresponds to the crystallization temperature and the break while heating to the melting temperature. In the case of cold crystallization, both breaks can also occur during heating.
In addition to the pour point determination for lubricating oils, the proposed measurement method has the advantage that the results for lubricating oils and greases indicate a temperature below which components crystallize or solidify glass-like. Due to the determination of the cause of solidification (complete crystallization or glass-like solidification) the temperature indicates above which the use of lubricating oil or grease is not critical. In this context, DSC measurements can be dispensed with since the rheological method reacts more sensitively to crystallization or glass-like solidification.