Energie und Rohstoff Erdgas: Verfügbarkeit, Engpässe und Alternativen

Die Engpässe der Energie- und Rohstoffversorgung zeigen eine nicht resiliente Energie- und Rohstoffstrategie Deutschlands an. Diskussionen fokussieren oft auf Wünschen und berücksichtigen häufig nicht die Mengen, die Raten und die Kosten. Erdgas ist ein Energierohstoff und ein Rohstoff für die Industrie.
Die Energieversorgung Deutschlands ist durch steigende Preise für zunehmend mehr Bürger, für Industrie und Handwerk kaum bezahlbar und ggfs. bald nicht mehr verlässlich verfügbar. In der öffentlichen Diskussion werden „frieren“, „Wärmeräume“, „ärmer werden“ und „Ausfall von Produktionsanlagen“ genannt.
Die Bundesrepublik wird heute von einer Energiekrise getroffen, in der Braunkohle, Erdgas und Erdöl noch heimisch gefördert werden. Sie besitzt noch die notwendigen Kraftwerke für Kohlenwasserstoffe (Erdgas, Steinkohle, Braunkohle, Erdöl) und Kernenergie, die noch 83% des diversen und resilienten Energiemixes Deutschlands ausmachen. Ebenso verfügt die Bundesrepublik noch über vorhandene Pipeline- und Stromnetze, um Rohstoffe und Energie bereitzustellen. Daher sollte evaluiert werden, ob ein schneller Rückbau der heimischen Förderung, der Kraftwerke und Infrastrukturen bei der drohenden Energiekrise tatsächlich sinnvoll ist und in welchem Umfang ein vollständiger Rückbau die geostrategischen Optionen des Landes bei zukünftigen nationalen Krisen beeinträchtigt.
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Trotz drohendem Engpass von Energie werden die drei noch laufenden Kernkraftwerke Ende 2022 abgeschaltet und die drei 2021 stillgelegten Kernkraftwerke nicht zusätzlich hochgefahren (insgesamt produzierten die sechs Kernkraftwerke 69,1 TWh Brutto-Strom in 2021). Die Braun- und Steinkohlekraftwerke erzeugten 2021 165 TWh Bruttostrom, in den fünf Jahren zuvor wurden 97 TWh vom Netz genommen. Durch eine Laufzeitverlängerung wäre Energie kurzfristig verfügbar, mit der u.a. ggfs. auch mit Strom geheizt werden kann.
In der Netzreserve vorgehaltene Kraftwerke dürfen befristet am Strommarkt teilnehmen, stillgelegte Kraftwerke werden laut Bundestagsbeschluss vom 7.7.2022 nicht reaktiviert. Kohle ist Lieferant für Strom, Wärme und potentiell Gas durch Kohlevergasung. Die vorhandene Technologie des Abtrennens von CO2 aus Rauchgas, die etablierten Technologie der CO2-Speicherung im Untergrund (CCS) wird in Deutschland nicht verfolgt. Durch den Einsatz etablierter Technologien der CO2-Abscheidung, -Speicherung und CO2-Nutzung (CCU) könnte der CO2-Fußabdruck von Kohlekraftwerken reduziert werden.
Im Ausland durch Fracking gefördertes Erdgas soll als LNG importiert und in Norddeutschland die notwendigen LNG-Terminals erstellt werden. Importiertes LNG hat aufgrund von Verflüssigung und Transport einen höheren CO2-Fussabdruck. Die deutschen LNG-Terminals können auch bei fristgemäßer Erstellung den Bedarf aufgrund begrenzter Kapazitäten kurzfristig nicht decken, zudem stehen die LNG-Mengen am Weltmarkt derzeit nicht zur Verfügung, um wegfallende Erdgaslieferungen aus Russland vollständig zu ersetzen. Schwellenländer werden aus dem LNG-Markt gedrängt. Die Gewinnung von heimischem Schiefergas ist in Deutschland verboten. Heimische unkonventionelle Gas-Ressourcen von vermutlich 1,36 Billionen Kubikmetern könnten evaluiert werden, um ggfs. den Bezug von Erdgas zu diversifizieren und den CO2-Fußabdruck zu verringern. Ebenso kann das Potential der grundlastfähigen heimischen Ressource Geothermie ausgebaut werden.
Der Erdgasfluss von den geplanten und im Bau befindlichen Anlandungspunkten von Flüssigerdgas in Norddeutschland zu den Verbrauchern in Baden-Württemberg erfordert die Anpassung der Pipelineinfrastruktur aus dem Norden und die Festlegung von Gasentnahme auf dem Transportweg. Die Flußumkehr und Umrüstung von alternativen Pipeline-Routen von LNG-Terminals aus Norddeutschland und dem Mittelmeerraum nach Süddeutschland würde die Resilienz mittelfristig erhöhen und sollten bis zur wettbewerbsfähigen Marktreife auf Wasserstoff umgerüstet werden.
Die Erdgasspeicher dienen der Pufferung des Mehrverbrauchs im Winter und würden bei Wegfall der gegenwärtig reduzierten russischen Erdgaslieferungen ohne Einschnitte bei Verbrauchern und Export bereits im Winter 2022/2023 vollständig entleert sein. Eine vollständige Entleerung der deutschen Speicher ist bislang noch nie vorgekommen. Entsprechend wäre die vollständige Befüllung für den Winter 2023/2024 kaum möglich und die Versorgung auch mittelfristig gefährdet. Eine nationale strategische Reserve (Speicherung) von Erdgas scheint angebracht.
Die Bundesregierung beabsichtigte im April, bis 2024 unabhängig von Gasimporten aus Russland zu werden, einem der auch zukünftig größten Energie- und Metallproduzenten der Welt. Vollständig wegfallende Lieferungen russischen Erdgases nach Europa sind auf dem Weltmarkt derzeit nicht durch LNG zu ersetzen. Russland baut derweil die Pipeline- und LNG-Infrastruktur nach Asien aus und arbeitet eng mit Iran, China und anderen Ländern zusammen. Die geostrategischen Handlungsoptionen der deutschen Energie- und Rohstoffversorgung sollten evaluiert werden.
Eine international breit aufgestellte geostrategische Beteiligung an Lagerstätten für LNG und die notwendigen Rohstoffe zum Anlagenbau von Photovoltaik, Windkraft und Wasserstoff wurden von China, Russland, Japan, USA und anderen Ländern forciert und in Deutschland vernachlässigt. Entsprechend ist das Verständnis über die Bedeutung und assoziierten Prozesse von Energie und Rohstoffen gering und das Potential, durch die deutsche Energiewende mit Windkraft und Photovoltaik in eine größere Erdgas- und Metallabhängigkeit zu gelangen, groß.
Eine diverse Energieversorgung wird in Deutschland mit dem Ausstieg aus der Steinkohle (2018), der Kernenergie (2022) und der Braunkohle (2030/2035) eingeschränkt. Eine sichere Endlagerung wie in Schweden und Finnland, oder eine Abtrennung von CO2 von Großemittenten wie in Norwegen kann in Deutschland bislang nicht umgesetzt werden.
Die Bundesregierung sollte in der aktuellen Notlage kurz- und mittelfristige, technologieoffene Maßnahmen ergreifen, die eine verlässliche und bezahlbare Energie- und Rohstoffversorgung sowie die Sicherheit des Landes gewährleisten. Auch bei einem Lieferstopp von russischem Erdgas sowie von Energie- und Rohstofflieferungen aus anderen Ländern muss die deutsche Energie- und Rohstoffversorgung resilient sein.