Abstract:
Dem Paradigma der Präzisionsmedizin folgend schaffen digitale Gesundheitsanwendungen die Grundlage für eine personalisierte Versorgung, um damit die Effizienz und Effektivität von Gesundheitssystemen zu erhöhen. Im Kontext weltweit entstehender digitaler Gesundheitsökosysteme stehen dabei Daten als treibender Faktor im Mittelpunkt des Entwicklungsprozesses. Welche Methoden und Werkzeuge benötigt werden, um das dadurch mögliche Zusammenspiel zwischen einer datengetriebenen und einer wissensbasierten Entwicklung von digitalen Gesundheitsanwendungen zu unterstützen, wird in dieser Arbeit untersucht und anhand eines Rahmenwerks beschrieben. ... mehrDurch Anwendung der Design Science Research Methode werden diesbezügliche Artefakte einem probleminitiierten Ansatz folgend entworfen, implementiert und durch quantitative sowie qualitative Methoden evaluiert. Dafür wird zunächst ein Vorgehensmodell abgeleitet, welches die zu beantwortenden Fragen in den Phasen der Digitalisierung, Automatisierung und Optimierung bis hin zur Translation in die medizinische Versorgung adressiert. Unter Beachtung entsprechender Normen findet eine Verknüpfung von interdisziplinären Methoden, Anforderungen sowie technologischen Ansätzen zu einer Wissensbasis statt, womit die Grundlage für zu entwickelnde Werkzeuge gelegt wird. Diese werden im Anwendungskontext dementieller Syndrome eruiert und pro Artefakt demonstriert sowie im Detail mit $n$ Probanden multiperspektivisch validiert. In Kooperation mit einer gerontopsychiatrischen Klinik werden diesbezüglich domänenspezifische Anforderungen an digitale Gesundheitsanwendungen bestimmt. Hierfür findet exemplarisch die explorative Entwicklung eines ambulanten Systems zur Messung kognitiver Leistungsparameter statt. Eine im Kontext dieser Zusammenarbeit durchgeführte Feldstudie ($n=55$) mit kognitiv eingeschränkten Personen zeigt Potentiale und Herausforderungen, welche durch die digitale Erfassung, Vernetzung und Auswertung von neuropsychologischen Daten entstehen. Dabei werden ebenfalls Anforderungen bezüglich der zielgruppenspezifischen Gestaltung einer gebrauchstauglichen Nutzerschnittstelle ($n=91$) gesammelt, welche in einem Leitfaden zusammenfließen und in einer grafischen Benutzeroberfläche iterativ implementiert werden. Aus der Perspektive von Datensubjekten ($n=238$) wird zusätzlich untersucht, welchen Stellenwert ein selbstbestimmter Umgang mit dieser Art von personenbezogenen Daten hat und für welche Zwecke diese aus deren Sicht eingesetzt werden sollten. Im Zuge dieses Entwicklungsprozesses sind ebenfalls Ansätze zur Automatisierung und Optimierung der Datenauswertung für die Ableitung des Gesundheitszustandes notwendig. Diese Schritte liefern als Artefakte, neben den Ergebnissen zum Vergleich verschiedener Algorithmen aus dem Bereich des maschinellen Lernens, die Identifikation von dafür geeigneten Leistungs- und Optimierungsmaßen sowie Merkmalsselektionsverfahren. Im Vergleich mit schwellwertbasierten Verfahren zur Operationalisierung von Bewertungsmetriken (maximaler Cohen's Kappa $\kappa = 0,67$) erreicht die durch maschinelles Lernen gestützte Softwareanwendung eine höhere durchschnittliche Sensitivität von 83% bei einer 93%igen Spezifität (maximaler Cohen's Kappa $\kappa = 0,79$) für die Erkennung von kognitiven Einschränkungen. Die automatisierte Erfassung hierfür notwendiger Merkmale erfolgt durch neu entwickelte Ansätze und zeigt zukünftige Forschungsaktivitäten auf, welche die damit verbundenen Herausforderungen adressieren. Dabei werden Indikatoren identifiziert, wodurch sich die Potentiale in computergestützten Modellen aufzeigen. Diese liefern zusätzliche Erkenntnisse über das Spannungsfeld zwischen einer zuverlässigen Erfüllung klinischer Leitlinien sowie regulatorischer Implikationen insbesondere hinsichtlich der Erklärbarkeit datengetriebener Optimierungs- und Automatisierungsansätze. Eine Untersuchung der Transferpotentiale in die deutsche Regelversorgung aus der Perspektive unterschiedlicher Interessenvertreter unterstreicht diese Punkte. Hierfür konzipierte Werkzeuge und Methoden ermöglichen einerseits die empirische Untersuchung der Adhärenz solcher digitaler Lösungen bezüglich der Nutzungsbereitschaft ($n=29$) sowie deren zeitliche Entwicklung ($n=18$). Andererseits werden damit die Akzeptanzkriterien der kassenärztlich organisierten Leistungserbringer im deutschen Gesundheitswesen ($n=301$) erhoben und dargestellt, welchen Einfluss diese auf Markteintrittsstrategien haben. Darauf aufbauend werden Wege definiert, um einen Beitrag zur Entlastung des Gesundheitssystems zu leisten. Die gesammelten Erkenntnisse werden hierfür in einem ganzheitlichen Plattformkonzept zur Entwicklung personalisierter Präventions- und Behandlungsprogramme gebündelt.
Abstract (englisch):
Following the paradigm of precision medicine, digital health applications create the basis for personalized care, thereby increasing the efficiency and effectiveness of healthcare systems. In the context of globally emerging digital health ecosystems, data is at the center of the development process as a driving factor. The methods and tools needed to support the resulting interaction between data-driven and knowledge-based development of digital health applications are explored in this work, as well as described using a framework. By applying the Design Science Research Method, related artifacts are designed following a problem-initiated approach, implemented, and evaluated by quantitative as well as qualitative methods. ... mehrFor this purpose, a process model is first derived, which addresses the questions to be answered in the phases of digitization, automation, and optimization up to translation into medical care. Taking into account the relevant standards, interdisciplinary methods, requirements, and technological approaches are linked to form a knowledge base, thus laying the foundation for tools to be developed. These will be elicited in the application context of dementia syndromes and demonstrated as well as validated per artifact in detail with $n$ subjects multiperspectively. In cooperation with a gerontological psychiatric clinic, domain-specific requirements for digital health applications will be determined. For this purpose, the exploratory development of an ambulatory system for the measurement of cognitive performance parameters is exemplary. A study ($n=55$) with cognitive impaired persons conducted in the context of this collaboration shows the potential and challenges that arise from the digital recording, interconnection, and analysis of neuropsychological data. Requirements regarding the target group-specific design of a usable user interface ($n=91$) are also collected, which are summarised in a guideline and iteratively implemented in a graphical user interface. From the perspective of data subjects ($n=238$), the importance of self-determined handling of this type of personal data and the purposes for which it should be used from their point of view will also be investigated. In the course of this development process, approaches to automate and optimize data evaluation for the derivation of health status are also necessary. These steps provide artifacts, in addition to the results for comparing different algorithms from the field of machine learning, the identification of performance and optimization measures suitable for this purpose, as well as feature selection procedures. Compared with threshold-based methods for operationalizing assessment metrics (maximum Cohen's Kappa $\kappa = 0,67$), the machine learning-based software application achieves a higher average sensitivity of 83% with a 93% specificity (maximum Cohens Kappa $\kappa = 0,79$) for detecting cognitive impairment. Regarding the automated acquisition of necessary features for this purpose, new approaches are developed as well as future research activities that address the associated challenges are highlighted. Indicators are identified that show the potential in computerized models. These provide insights into the tension between a reliable fulfillment of clinical guidelines as well as regulatory framework conditions, especially with regard to the explainability of data-driven optimization and automation approaches. A consideration of the transfer to German standard care from the perspective of different stakeholders supports these points. Tools and methods designed for this purpose enable, on the one hand, the empirical investigation of the adherence of such digital solutions with regard to the willingness to use ($n=29$) as well as their development over time ($n=18$). On the other hand, acceptance criteria of health care providers in the German healthcare system ($n=301$) are surveyed and their influence is shown. Based on that, ways are defined to contribute to relieving the burden on the health care system. Therefore, the insights gathered in this process are combined into a holistic platform concept for the development of personalized prevention and treatment programs.