Abstract:
Ausgangspunkt dieser Arbeit ist die aktuelle traditionelle Bauprojektabwicklung im öffentlichen Sektor und die daraus resultierenden Produktivitätsverluste aufgrund der fehlenden Kollaboration zwischen den Akteuren. Öffentliche Bauprojekte zeichnen sich bereits seit längerer Zeit durch ineffiziente und schwerfällige Prozesse aus. Die starren und transaktionalen Strukturen treffen auf ein komplexes und dynamisches Netzwerk aus Akteuren. Die organisationsübergreifende Integration und das Angleichen von Interessen werden im Zuge dessen verhindert.
Es wird lokal optimiert und das Projekt nicht gesamthaft betrachtet. ... mehrDie Angst zu scheitern, wird über vertragliche Festlegungen und Kontrollen versucht zu minimieren, führt jedoch nicht dazu, dass das Projektteam an einem Strang und in dieselbe Richtung zieht. Negative Konflikte sind dadurch vorprogrammiert und führen zum Verlust des Produktionsfokus in der Planung und Ausführung.
Die Implementierung der Lean-Philosophie sowie ihre Prinzipien unterstützen das Projektteam bei der Gewährleistung einer stabilen und transparenten Produktion. Dabei muss jedoch verstanden werden, dass die Implementierung von Lean nicht ohne einen kulturellen Wandel stattfinden kann. Damit die Produktion übergreifend betrachtet wird, müssen die Silos zwischen den Akteuren eingerissen und zusammengearbeitet werden. In dieser Arbeit wird von Kollaboration im Ideal, der Schaffung einer eigenständigen Projektorganisation und der damit einhergehenden Autonomie des Projektteams ausgegangen. Die Literatur deutet darauf hin, dass Kollaboration autonome Motivation erfordert. Die autonome Motivation bildet sich in diesem Kontext aus der Befriedigung der psychologischen Grundbedürfnisse Autonomie, Kompetenz und Verbundenheit. Die Selbstbestimmungstheorie (SBT) liefert hierzu die Grundlage. Die häufig im Zusammenhang mit Motivation benannten finanziellen Anreize sind nur dann vorteilhaft, wenn sie als informierend und nicht als kontrollierend wahrgenommen werden. Die kollaborative Lean-Projektabwicklung ist ein Gegenentwurf zur aktuellen Projektabwicklung und stellt demnach eine Herausforderung für den öffentliche Bausektor dar. Das reale Problem, die fehlende Kollaboration und das fehlende Verstehen der notwendigen Voraussetzung für das Entstehen der Kollaboration bilden daher den Schwerpunkt dieser Arbeit. Die vorliegende Dissertation folgt dementsprechend dem Ansatz des Design Sciende Research (DSR).
Forschungsgegenstand ist die Transformation des Projektabwicklungssystem der University of California, San Francisco (UCSF) als öffentlicher Bauherr. Die Arbeit liefert eine kritische Analyse des Projektabwicklungssystems und soll damit ein Anreiz für den deutschen öffentlichen Bausektor sein, die eigenen Strukturen zu überdenken. Darüber hinaus gibt diese Arbeit eine Hilfestellung für das Projektabwicklungssystem im öffentlichen Bausektor. Ein wesentlicher Vorteil des gewählten Forschungsobjektes bestand im Vergleich von UCSF mit anderen Standorten der University of California (UC). Dadurch lässt sich der Projekterfolg von UCSF gegenüber dem Gesamtsystem UC auf übergeordneter Abstraktionsebene messen und nachweisen. Es zeigte sich, dass UCSF im Gegensatz zu den anderen Standorten erfolgreicher in der Erreichung der Projektziele ist. Ein weiterer wichtiger Aspekt liegt in der Betrachtung von UCSF als "`soziokulturelle Insel"'. Dadurch war es möglich, ein Pilotprogramm zu installieren und die Neugestaltung des Vergabeprozesse zu testen. Die Untersuchung umfasste sechs Fallstudien, darunter ein akademisches Bürogebäude, vier Labore, davon zwei Neubauten und zwei Modernisierungs-/Sanierungsprojekte, sowie ein Krankenhaus. Die Datenerhebung beinhaltete die Auswertung projektspezifischer Dokumente wie Verträge, Interviews und Beobachtungen. Mittels quantitativer Inhaltsanalyse wurde zunächst jeder Fall einzeln untersucht, um die Besonderheiten hervorzuheben. Anschließend wurde eine fallübergreifende Analyse durchgeführt, um Muster und Unterschiede zu identifizieren. Die Fälle zeigen, dass UCSF nicht im Status quo verharrte, sondern kontinuierlich an der Verbesserung der Projektabwicklung arbeitete. Neben der Handhabung der Vergabe, die einen wesentlichen Einfluss auf die Zusammenarbeit hat, wurde deutlich, dass die Auseinandersetzung mit den eigenen Erwartungen und Zielen, den Änderungen von Prozessen innerhalb der Bauherrenorganisation (ausgerichtet auf die Projektabwicklung), das Forcieren der Lean-Implementierung durch den Bauherrn sowie insbesondere die tatsächliche Integration des Bauherrn in das Projektteam zum Projekterfolg beitrugen. Weiterhin wurden die Fallstudien anhand der aus der Literatur ermittelten Indikatoren (Vergabe, Vertragssystem, finanzielle Anreize, Prozess zur Zielsetzung, Entscheidungsfindung, Umsetzung des Last Planner Systems (LPS) als Produktionssystem sowie Umgang mit Problemen- und Konflikten) analysiert, um die Voraussetzungen zu identifizieren.
Basierend auf den Erkenntnissen der Fallstudien ist festzustellen, dass die Kollaboration im Projektteam durch (1) die strukturellen und kulturellen Voraussetzungen der Projektabwicklung, (2) die Beziehungen der Akteure untereinander und (3) die Motivation der Akteure maßgeblich beeinflusst wird. Das bedeutet, dass die emotionale und soziale Dimension in Projekten stärker betrachtet werden muss, da der Mensch die Veränderung herbeiführt und den wesentlichen Faktor darstellt. Diese drei Komponenten bilden die Basis, um schlussendlich Handlungsempfehlungen für die kollaborative Lean-Projektabwicklung im öffentlichen Bausektor abzuleiten.
Abstract (englisch):
The starting point of this research is the current traditional project delivery system in the public sector and the resulting inefficiencies due to lack of collaboration between participants. Public construction projects have long been characterized by cumbersome processes. Rigid and transactional structures meet a complex and dynamic network of human beings. A cross-organizational integration and an alignment of interests are precluded in this context. Participants optimize their activities locally and thus the project’s goals are not considered holistically. Contracts and controls are used as an attempt to minimize the fear of failure, but this does not result in a project team working together and moving in the same direction. ... mehrNegative conflicts are inevitable in the traditional project delivery system and lead to a loss of focus and productivity during the design and construction phases.
The implementation of the Lean philosophy and its principles supports the project team in ensuring a stable and transparent production. However, it must be understood that the implementation of Lean cannot take place without a cultural change. To achieve a holistic production view, silos between the project participants must be eliminated and collaboration must take place. This research defines collaboration as an ideal, understood as the creation of an autonomous project organization and the accompanying autonomy of the project team. Literature suggests that collaboration requires autonomous motivation. In this context, autonomous motivation is based on the fulfillment of the psychological needs of autonomy, competence, and relatedness. The self-determination theory (SDT) provides the basis for this. The financial incentives often mentioned in connection with motivation are only beneficial if they are informative and not controlling. The collaborative Lean project delivery system is an alternative to the current project delivery system and therefore represents a challenge for the public construction sector. The lack of collaboration and understanding of the necessary requirements to develop collaboration is consequently the focus of this work. This dissertation follows the design science research (DRS) approach as the research methodology.
The subject of research is the transformation of the University of California, San Francisco (UCSF) project delivery system as a public owner. The research provides a critical analysis of the project delivery system and should be a successful example for German public owners in reconsidering the traditional delivery system. In addition, this work offers guidance to the project delivery system in the public construction sector. One advantage of the selected subject is that UCSF’s projects can be compared with other University of California (UC) campuses. In this way, the success of the UCSF’s project delivery system can be measured and verified for the overall UC system at a higher level of abstraction. In fact, UCSF is more successful in achieving project goals than other UC campuses. Another important aspect of this research is the view of UCSF as a 'socio-cultural island'. This made it possible to implement a pilot program and test the redesign of the tendering procedure. The research features six case studies including an academic office building, four laboratories (two of whiche are new buildings and two of which are modernization/renovation projects), and a hospital. Data was collected through project-specific documents, such as contracts, interviews, and observation. Quantitative content analysis was used to first inspect each case separately in order to highlight the specifics, and then a cross-case analysis was conducted to identify patterns and differences. The cases show that UCSF does not maintain in the status quo and is continuously working on improving its project delivery system. In addition to a fair tendering procedure, upon which collaboration is highly dependent, it becomes clear that the project’s success was based on the owner’s understanding of their own expectations and goals, the change of management processes within the owner’s organization (geared to the project delivery), the promotion of Lean implementation by the owner, and in particular the integration of the owner as an active part of the project team. Furthermore, the case studies were evaluated using indicators derived from literature (tendering procedure, contract, financial incentives, goal-setting process, decision-making process, implementation of the Last Planner System (LPS) as a production system, and conflict management) to identify the requirements of the project delivery system.
Based on the findings of the case studies, it can be stated that collaboration in the project team is significantly influenced by (1) the structural and cultural requirements of the project delivery, (2) the relationships between the project participants, and (3) the motivation of the participants. The emotional and social dimensions must be considered more closely in projects, since it is people who drive change and who represent an essential aspect of the project's success. These three components build the basis for the finally defined recommendation for action for a collaborative project delivery system in the public construction sector.