Abstract:
Diese Arbeit befasst sich mit der Wärmeübertragung in Silica-basierten Superisolatoren. In systematischer Abfolge werden vier Publikationen zu diesem Thema vorgestellt. Der Fokus liegt auf analytischen Berechnungsmethoden für die verschiedenen Wärmeübertragungsmechanismen. Diese werden mit einer Vielzahl von Messungen der gasdruckabhängigen Wärmeleitfähigkeit verglichen und entsprechend bewertet. Zur Durchführung der Wärmeleitfähigkeitsmessungen wurde ein spezieller Guarded-Hot-Plate-Apparatus entwickelt und aufgebaut. Dieser ermöglicht es, auch fragile Pulverpresslinge hinsichtlich ihrer gasdruckabhängigen Wärmeleitfähigkeit in einem Druckbereich von < 0.01 mbar bis Atmosphärendruck zu vermessen. ... mehrEs wurden verschiedene Fällungskieselsäuren, pyrogene Kieselsäuren, Silicagele und Glasperlen untersucht. Die bekannten Wärmeübertragungsmechanismen in diesen Materialien können nicht vollkommen getrennt voneinander untersucht werden, da sie zur Kopplung neigen. Insbesondere ist eine Wechselwirkung zwischen der Wärmeleitung des Feststoffgerippes mit der Wärmeleitung der Gasphase zu beobachten. Dieser sogenannte Kopplungseffekt ist je nach Material unterschiedlich stark ausgeprägt. Als wesentliches Element dieser Arbeit wurde der Kopplungseffekt in verschiedenen Materialien quantifiziert und zu dessen Beschreibung wurden heuristische Modelle gefunden.
Die erste Veröffentlichung handelt von der Gas-Feststoff-Kopplung in Fällungskieselsäuren. In dieser wird den Fragen nachgegangen, ob sich verschiedene kommerziell erhältliche Fällungskieselsäuren hinsichtlich ihrer Neigung zur Kopplung unterscheiden und welche Materialeigenschaften für die Kopplung verantwortlich sind. Zur Bewertung wird der Kopplungseffektfaktor f eingeführt. Es hat sich gezeigt, dass zwischen den Produkten keine signifikanten Unterschiede zu erfassen sind. Stattdessen ist ein deutlicher, nahezu linearer Zusammenhang zwischen der Porosität und dem Kopplungseffektfaktor festgestellt worden. Daraus kann gefolgert werden, dass die untersuchten Fällungskieselsäuren auf der keine für den Wärmefluss entscheidenden strukturellen Unterschiede aufweisen. Die Gas-Feststoff-Kopplung wird vor allem den Bereichen um die Berührungspunkte der Partikel zugeschrieben. Der Kopplungseffektfaktor ist demnach von deren Anzahl und, bei konstanter Partikelgröße, direkt von der Porosität abhängig.
Es hat sich folglich gezeigt, dass die Gas-Feststoff-Wechselwirkung für die Beschreibung der Wärmeübertragung in Superisolationen von entscheidender Bedeutung ist. Der Faktor der Energieübertragung beim Wandstoß eines Gasmoleküls heißt thermischer Akkommodationskoeffizient $\alpha$ (TAC). Er beschreibt den Temperatursprung, der sich an einer Gas-Feststoff-Grenze einstellt. In makroskopischen Systemen kann er vernachlässigt werden. In mikro-/nanoporösen gibt es jedoch viele stoffliche Grenzen, so dass dieser Faktor relevant wird. In der Literatur wird für Luft dennoch häufig ein Akkommodationskoeffizient von eins, und somit eine vollständige Energieübertragung zwischen Gas und Feststoffoberfläche, angenommen. Aktuell gibt es ausschließlich Methoden, um den TAC von makroskopischen Materialoberflächen zu bestimmen. Dabei werden auch schwer quantifizierbare Effekte der Oberflächenrauhigkeit mitgemessen. Der TAC in den Mikro- und Nanoporen eines heterogenen Gas-Feststoff-Gemisches ist jedoch messtechnisch nicht zugänglich. In der zweiten Veröffentlichung wird eine Methode vorgestellt, um die TACs verschiedener Gase an den Porenwänden von Fällungskieselsäure und pyrogener Kieselsäure miteinander zu vergleichen. Ein einfaches Modell aus der Stoßtheorie besagt, dass es beim Stoß einer Kugel mit einer Geschwindigkeit $v\neq 0$ auf eine gleich schwere, ruhende Kugel zur vollständigen Energieübertragung kommt (vgl. Billardkugeln). Das würde einem Akkommodationskoeffizienten von eins entsprechen. Je stärker die Massen der Kugeln voneinander abweichen, desto unvollständiger erfolgt der Energieübertrag. Wendet man dieses Modell auf ein Gasteilchen beim Wandstoß an, erhält man einen TAC von eins für $M_G = M_S$. Die Molmasse des Gasteilchens wird mit $M_G$, die der Feststoffoberfläche (hier von $SiO_2$) mit $M_S$ abgekürzt. Diese Annahme entspricht der kinetischen Gastheorie, es muss jedoch bedacht werden, dass hier einige wichtige Effekte vernachlässigt werden (z.B. Polarität, Rotationsenergie, Adsorptionseffekte). Da die Molmassen von $SiO_2$ und $SO_2$ nahezu identisch sind wird für diese Kombination $\alpha=1$ angenommen. Anschließend werden aus Wärmeleitfähigkeitsmessungen für sechs weitere Gase relativ zu $SO_2$ sogenannte scheinbare TACs bestimmt. Die ermittelten Werte folgen den Zusammenhängen der Stoßtheorie und können daher nachvollzogen werden. Für die Kombination Luft/$SiO_2$ ergibt sich $\alpha=0.41$ und $\alpha=0.33$ für Fällungs- bzw. pyrogene Kieselsäure. Obwohl diese Werte nicht als allgemein physikalisch gültig angesehen werden können und nur im Zusammenhang mit den vorgestellten Modellen gültig sind, kann die Annahme $\alpha=1$ für Luft widerlegt und die Signifikanz des thermischen Akkommodationskoeffizienten bewiesen werden.
Die Gültigkeit der verwendeten Modelle für die Gaswärmeleitfähigkeit und die effektive Wärmeleitfähigkeit ist für die Bewertung der bisherigen Ergebnisse entscheidend. Deshalb wird in der nächsten Veröffentlichung zunächst eine Literaturrecherche solcher Modelle präsentiert. Dabei zeigt sich, dass sowohl für die effektive als auch für die Gaswärmeleitfähigkeit sowie für die darin enthaltenen Parameter eine Vielzahl unterschiedlicher Berechnungsmodelle existiert. Des Weiteren wird in der Regel keine Angabe dazu gemacht, welche Messwerte für die Partikel- und die Porengröße verwendet werden sollen, um die Modelle ordnungsgemäß auf verschiedene poröse Materialien anwenden zu können. Aus der Recherche werden die in der Literatur am häufigsten verwendeten Modelle extrahiert. Zusammen mit den unterschiedlichen Verwendungsmöglichkeiten der Messwerte für Poren- und Partikelgröße ergeben sich 2800 Kombinationsmöglichkeiten, um die gasdruckabhängige Wärmeleitfähigkeit der untersuchten Materialien zu berechnen. Alle Modellkombinationen werden mithilfe eines Computerprogrammes auf die 15 kommerziell erhältlichen, Silica-basierten Materialien angewendet. Diese setzen sich aus sechs Fällungskieselsäuren, drei pyrogenen Kieselsäuren, drei Silicagelen und drei Glasperlensorten zusammen. Alle Materialien wurden hinsichtlich ihrer gasduckabhängigen Wärmeleitfähigkeit in Kombination mit sechs verschiedenen Porengasen vermessen. Die Ergebnisse wurden mit denen der Berechnungen verglichen, um die für die jeweiligen Materialien am besten geeigneten Modellkombinationen zu ermitteln. Als Ergebnis werden materialspezifische Empfehlungen zur Berechnung ausgesprochen. Die mittlere Abweichung liegt, ohne die Verwendung von anpassbaren Parametern, bei 10\,\%. Um die Modelle für die Gaswärmeleitfähigkeit und den Kopplungsbeitrag sinnvoll vergleichen zu können, wurden die Anteile der Feststoffwärmeleitfähigkeit und der Strahlung aus den Messungen bei sehr kleinen Gasdrücken extrahiert.
Die Ergebnisse sollen auf die reale Entwicklung von Superisolationen anwendbar sein. Deshalb wurden die favorisierten Modellkombinationen in der vierten Veröffentlichung mit Modellen für die Feststoff- und Strahlungsleitfähigkeit komplementiert. Somit können Parameterstudien über die Partikelgröße und die Porosität der verschiedenen Materialien durchgeführt werden. Damit der Einfluss der Porengrößenverteilung berücksichtigt werden kann, ohne für jedes Material und jede untersuchte Porosität eine Quecksilberporosimetrie-Messung durchführen zu müssen, wurde ein Modell entwickelt, um die Verteilungen aus nur einer Messung und der entsprechenden Porosität berechnen zu können. Um den Strahlungsanteil ordnungsgemäß miteinzubeziehen, wurden Fourier-Transform-Infrarotspektrometrie-Messungen durchgeführt. Auf diese Weise konnte der massenspezifische Extinktionskoeffizient der Materialien bestimmt werden. Die Ergebnisse der Parameterstudien können zukünftig bei der Auswahl der Kernmaterialien von Superisolationen eingesetzt werden. Ein Fokus der Arbeit liegt auf der gezielten Auslegung der Isolationskerne für verschiedene Anwendungen. Die präsentierte Vorgehensweise kann auch auf Materialmischungen mit Additiven, insbesondere mit Infrarottrübungsmitteln, übertragen werden, um Materialmischungen zweckgerichtet für verschiedene Gegebenheiten optimieren zu können.
Somit liefert diese Arbeit einen zentralen Beitrag für den systematischeren Einsatz von Superisolationen. Durch die Verwendung von alternativen Kernmaterialien können Hochleistungsdämmstoffe noch mehr zur Energiewende beitragen, indem sie für weitere Wirtschaftssektoren attraktiv werden. Der Autor sieht in diesem Zusammenhang vor allem in der Verwendung von Fällungskieselsäuren ein großes Potenzial. Daher beschäftigt sich die Arbeit im Ausblick mit der gezielten Produktion von Kernmaterialien auf Basis von Fällungskieselsäure. Das neuartige Produktionsverfahren verspricht eine Verbesserung der Langlebigkeit der Paneele durch optimierte Aggregatstrukturen. Des Weiteren würde ein zeit- und kostenintensiver Prozessschritt in der VIP-Herstellung - das Vermischen der Trockensubstanzen - entfallen, da alle benötigten Komponenten bereits in der Flüssigphase dem Fällreaktor zugegeben werden würden. Dies würde zudem zu einer homogeneren Verteilung und besseren Haftung der Additive in bzw. an der Kieselsäure führen. Dadurch wird eine Verringerung des Trübungsmittelbedarfs und eine deutlich erhöhte Stabilität der Kernmaterialien erwartet. Diese Entwicklungen könnten entscheidend zu einer erfolgreichen Energiewende beitragen.
Abstract (englisch):
This thesis explores heat transfer in silica-based superinsulation. Four peer-reviewed publications on this topic are presented in a systematic series. The focus is on analytical calculation methods for different heat transfer mechanisms. These methods are compared with numerous measurements of gas pressure-dependent thermal conductivity and evaluated accordingly. A special guarded hot plate apparatus is developed and set up to perform the thermal conductivity measurements. This apparatus is suitable for measuring the gas pressure-dependent thermal conductivity of fragile powder compacts in a pressure range from <0.01 mbar to atmospheric pressure. ... mehrVarious precipitated silicas, fumed silicas, silica gels, and glass sphere beads are investigated. The known heat transfer mechanisms in these materials can only be studied separately to a limited extent because they tend to couple. In particular, an interaction between the heat conduction of the solid skeleton and the heat conduction of the gas phase can be observed. This coupling effect depends on the solid structure of the different materials. Therefore, as an essential element of this work, the coupling effect in different materials is quantified, and heuristic models for its calculation are found.
The first publication deals with gas–solid coupling in precipitated silicas. It investigates whether various commercially available precipitated silicas differ in their tendency to couple, and which material properties are responsible for the coupling. The coupling effect factor $f$ is introduced for evaluation. The results indicate no significant differences between the products. Instead, a clear, almost linear relationship was found between porosity and the coupling effect factor. It can be concluded that the precipitated silicas studied do not exhibit structural differences on the size scale, which is crucial for heat flow. The gas–solid coupling is mainly attributed to the regions around the contact points of the particles. The coupling effect factor thus depends on the number of contact points and hence, at constant particle size, directly on the porosity.
The first paper consequently shows that the gas–solid interaction is crucial for the description of heat transfer in superinsulations. The factor regarding energy transfer at the wall impact of a gas molecule is called the thermal accommodation coefficient $\alpha$ (TAC). It describes the incompleteness of energy transfer at wall impact at a gas–solid boundary. In macroscopic systems, it can be neglected. However, in micro or nanoporous material systems, this factor becomes relevant because there are many material boundaries. Nevertheless, in the literature, an accommodation coefficient of unity and thus complete energy transfer between a gas and solid surface is often assumed for air. Currently, measuring techniques are only available to determine the TAC of exterior surfaces. Here, the effects of surface roughness, which are difficult to quantify, are also measured. However, the TAC in the pores of a heterogeneous gas–solid mixture with micro- and nanopores is not accessible by measurement. Thus, in the second paper, a method is presented to compare the thermal accommodation of different gases on the pore walls of precipitated silica and fumed silica. A simple model from impact theory states that when a sphere with velocity $v\neq 0$ collides with a stationary sphere of equal weight, complete energy transfer occurs (Cf. billiard balls). This would correspond to an accommodation coefficient of unity. The more the masses of the balls differ from each other, the more incomplete the energy transfer is. Transferring this model to a gas particle in a wall impact, a TAC of 1 for $M_g = M_s$ can be obtained, where $M_g$ is the molar mass of the gas particle, and $M_s$ is the molar mass of the solid surface (here, of $SiO_2$). This assumption is consistent with the kinetic theory of gases; however, notably, some important effects are neglected here (e.g., polarity, rotational energy, adsorption effects). Since the molar masses of $SiO_2$ and $SO_2$ are almost identical, $\alpha=1$ is assumed for this combination. Then, apparent TACs are determined for 6 other gases from thermal conductivity measurements relative to $SO_2$. The determined values follow the correlations of impact theory and can therefore be considered plausible. For the air/$SiO_2$ combination, $\alpha=0.41$ and $\alpha=0.33$ are obtained for precipitated and fumed silica, respectively. Although these values cannot be considered physically valid in general and are only valid in the context of the presented models, the assumption $\alpha=1$ for air could be clearly refuted, and the significance of the TAC could be highlighted.
Since the validity of the models used for the gas thermal conductivity and the effective thermal conductivity is crucial for the evaluation of the results obtained so far, a literature review of such models is presented first in the next publication. It is shown that a large number of different calculation models exist for both the effective and gas thermal conductivity as well as parameters contained therein. Furthermore, it is usually unclear what measured values for particle and pore size should be used to properly apply the models to different porous materials. From the literature review, the most commonly used models are extracted. Together with the different methods of applying the measured values for pore and particle size, there are 2,800 possible combinations to calculate the gas pressure-dependent thermal conductivity of the investigated materials. All model combinations are applied to the 15 commercially available silica-based materials using a computer program. The materials consist of 6 precipitated silicas, 3 fumed silicas, 3 silica gels, and 3 types of glass beads. All materials are measured for their gas pressure-dependent thermal conductivity in combination with 6 different pore gases. The results are compared with those of the calculations to determine the most suitable model combinations for the different materials. As a result, material-specific recommendations are made for the calculation. The average variance (coefficient of variation), without the use of adjustable parameters, is 10\,\%. To compare the models for gas thermal conductivity and coupling contribution in a meaningful way, the fractions for solid thermal conductivity and radiation are extracted from measurements at low gas pressures.
In the fourth publication, to apply the results to the real development of superinsulations, the favored model combinations are supplemented by models for solid and radiative conductivity. Thus, parameter studies on particle size and porosity can be performed for the different materials. To consider the influence of pore size distribution without having to perform a mercury porosimetry measurement for each material and porosity studied, a model is developed to calculate the distributions from only one measurement and the corresponding porosity. To properly include the radiation component, Fourier transform infrared spectrometry measurements are performed to determine the mass-specific extinction coefficient of the materials. The results of the parameter studies can be used in the future to select superinsulations’ core materials. A particular focus of the work is also on the specific design of the insulation cores for different applications. The presented approach can be applied to material mixtures with additives, in particular infrared opacifiers, to optimize specific material mixtures for different conditions.
Thus, this work provides an important contribution to a targeted use of superinsulations. By using alternative core materials, high-performance insulation materials can contribute significantly to the energy turnaround in the future by making them attractive to additional sectors of the economy. In this context, the author considers the use of precipitated silica in particular to have great potential. Therefore, the outlook section addresses the targeted production of core materials based on precipitated silica. The proposed novel production process offers an improvement in the longevity of the panels by optimized aggregate structures. Furthermore, a time-consuming and cost-intensive process step in vacuum insulation panel production – namely the mixing of dry substances – would be eliminated, since all the necessary components would already be added in the liquid phase of the precipitation reactor. This would also lead to a more homogeneous distribution and better adhesion of the additives in or to the silica compared to the dry mixing process. This is expected to reduce the need for opacifiers and significantly increase the stability of the core materials. These developments could be a decisive factor for a successful energy turnaround.