Abstract:
Die Nachbehandlung frisch gewachsener Cu(In,Ga)Se2 (CIGSe)-Schichten mit Alkalifluoriden (engl. alkali fluoride post deposition treatment, AlkF PDT) gehört zu den wichtigsten Errungenschaften der CIGSe Dünnschicht-Solarzellen Technologie der letzten 20 Jahre. Mit ihr ließen sich in dieser Zeit erhebliche Wirkungsgrad-Steigerungen erreichen. Der AlkF PDT hat immense Auswirkungen sowohl auf die elektrischen Eigenschaften des CIGSe-Halbleiters als auch speziell auf die Bildung des CdS/CIGSe-Heteroübergangs, dem Herzstück der Solarzelle. Mit dem PDT Prozess kann die Solarzelle als solche stark optimiert und verbessert werden, doch genau so einfach können auch noch nicht sorgfältig erforschte Prozessparameter die Zelle zerstören. ... mehrGanz allgemein ist der AlkF PDT ein Multiparameter-Prozess, der von vielen Einflussgrößen abhängt, wie zum Beispiel von der Substrattemperatur (engl. PDT temperature, TPDT), der Se-Rate, oder der AlkF-Rate. Bisher hat man den genauen, chemischen Einfluss dieser Größen aber noch nicht ausreichend erforscht, und bedient sich eher empirischer Erfahrungen, die einem das ungefähre „Prozessfenster“ vorgeben, in dem gute Zellen resultieren. Hinzu kommt das Problem, dass in vielen Studien alkalimetallhaltige Substrate für den PDT-Versuch verwendet werden. Die Alkalimetalle diffundieren dann aus dem Substrat in die CIGSe-Schicht hinein und überlagern ihre Effekte mit den Alkalimetallen aus dem AlkF PDT. Dies hat die chemische Untersuchung des PDT bisher immens erschwert.
Die vorliegende Arbeit klärt daher auf, wie die elektrischen Eigenschaften kompletter CIGSe Solarzellen von der Substrattemperatur (TPDT) abhängen (im Bereich von 105 bis 315 °C), bei konstant gehaltener AlkF- und Se-Rate. Als Alkalifluoride werden Natriumfluorid (NaF) und Kaliumfluorid (KF) untersucht. Die beobachteten Trends werden dann erklärt anhand von Änderungen der Alkalikonzentration innerhalb der CIGSe-Schicht, als auch mithilfe einer umfangreichen chemischen Analyse der CIGSe-Oberfläche durch die Röntgen- und Ultraviolett-Photoelektronen-Spektroskopie (XPS und UPS). Die untersuchten CIGSe-Zellen wurden speziell auf alkalifreiem Substrat abgeschieden, im sogenannten Einstufen-Prozess hergestellt, sind frei von Silber- oder Schwefelzusätzen und wurden nur mit einem AlkF (NaF oder KF) nachbehandelt. Die entstandenen CIGSe-Solarzellen orientieren sich dadurch grundlegend an der industriell hergestellten Zellstruktur, weisen jedoch eine deutlich reduzierte Komplexität des Materialsystems auf, und stellen damit ein vereinfachtes Modellsystem dar. An diesem vereinfachten Modellsystem kann durch ausgeprägte elektrische und chemische Analysen der Wirkungs- und Fehlmechanismus im PDT besser untersucht werden. Diese Erkenntnisse lassen sich dann auf die komplexeren industriellen Zellstrukturen übertragen, womit eine zielgerichtetere Verbesserung bestehender Technologie erreicht wird.
Für die mit NaF behandelten CIGSe Solarzellen wird eine monotone Abhängigkeit zwischen TPDT, der Na-Konzentration in der CIGSe-Schicht, und der Zelleffizienz gefunden. Dieser Umstand führt zu einer Verbesserung der NaF PDT Zelle im Vergleich zur unbehandelten, alkalifreien Referenzzelle. Bei den mit KF behandelten CIGSe Solarzellen wird ebenfalls eine Verbesserung der elektrischen Eigenschaften mit TPDT verzeichnet. Diese Verbesserung verläuft jedoch nicht „monoton“: Wird speziell ein KF PDT bei TPDT < 150 °C durchgeführt, so bricht der Wirkungsgrad der CIGSe Solarzelle massiv ein. Dieser Einbruch ist so stark, dass die entsprechende, mit KF behandelte Zelle schlechter ist als die unbehandelte, alkalifreie Referenzzelle.
Durch die Analyse der CIGSe-Oberflächen nach dem KF PDT mit XPS konnte eine ausgeprägte Änderung der chemischen Zusammensetzung und die Bildung von Fremdphasen aufgedeckt werden: Im Falle eines KF PDT bei hohen TPDT (315 °C) wurde eine K-In-Se(-O)-Komponente auf der CIGSe-Oberfläche entdeckt, wohingegen bei niedrigen TPDT (105 °C) die Bildung einer Cu-reichen Komponente nachgewiesen wurde. Diese Sekundär-Komponenten wiederum führen zu einer drastischen Veränderung der elektronischen Eigenschaften der CIGSe-Oberfläche, wie mit UPS-Messungen bestätigt wurde: Bei hohen TPDT führt die Bildung der K-In-Se(-O)-Komponente zu einer leichten Absenkung des Valenzbandmaximums (VBM) an der Oberfläche (relativ zur Fermi-Energie). Diese Absenkung des VBM kann dann zu einer günstigeren Bandanpassung an der CdS/CIGSe-Grenzfläche führen, was die Ladungsträgerrekombination verringert, und damit letztendlich den Wirkungsgrad der Zelle verbessert. Bei niedrigen TPDT wiederum führt die Bildung einer Cu-reichen Komponente zu einer starken Anhebung des VBM an der Oberfläche (relativ zur Fermi-Energie). Diese starke Anhebung verschlechtert möglicherweise die Bandanpassung an der CdS/CIGSe-Grenzfläche und erhöht dort die Ladungsträgerrekombination. Damit kann der massive Einbruch im Wirkungsgrad erklärt werden.
Die chemische Ursache für die Ausbildung einer kupferreichen Oberfläche auf der KF PDT 105 °C Zelle wird mit der gleichzeitigen Bildung von Ga-F und In-F Bindungen erklärt: Die beim KF PDT 105 °C gebildeten Ga-F und In-F- (Ver-) Bindungen sind wasserlöslich und werden in der darauffolgenden wässrigen Nachbehandlung (engl. rinse) weggewaschen. Damit resultiert eine Ga- und In-verarmte CIGSe-Oberfläche, die dadurch relativ an Cu angereichert ist. Anders, als für die KF PDT Proben wurde bei den NaF PDT Proben keine drastische chemische Veränderung der CIGSe-Oberfläche beobachtet und ebenso keine Bildung von etwaigen Fremdphasen. In dieser Hinsicht ist es sehr verwunderlich, dass sich die chemisch so ähnlichen Alkalimetalle Na und K so stark in ihrer Reaktivität auf der CIGSe-Oberfläche unterscheiden.
Wie schon eingangs erwähnt, ist auch die Se-Rate während des PDTs ein wichtiger Prozessparameter, der die Effektivität des PDT (mit-) bestimmt. Wird ein KF PDT ohne Se-Angebot (d.h. Se-Rate = 0) durchgeführt, so wird auf den CIGSe-Oberflächen weniger KF nachgewiesen, und auch die Eindiffusion von K in die CIGSe-Schicht fällt schwächer aus als bei einem KF PDT mit Se-Angebot (d.h. Se-Rate ≠ 0). Zusätzlich wird auch dort die Bildung der Fremdphasen beobachtet (K-In-Se(-O) bei KF PDT 315 °C und Cu-S-Se-O bei KF PDT 105 °C), jedoch in deutlich geringerem Ausmaß als auf einer Probe, die einen KF PDT mit Se-Angebot durchlaufen hat. Ohne Se im KF PDT ist durch die geringere KF-Konzentration auf der CIGSe-Oberfläche die chemische Reaktivität des KF herabgesetzt, und die Menge an gebildeter Fremdphase nimmt etwas ab.
Zusammenfassend konnten alle beobachteten Abhängigkeiten der elektrischen Effekte auf Basis einer chemischen Analyse der CIGSe-Oberfläche mit XPS und UPS geklärt werden. Es konnte gezeigt werden, dass sich NaF und KF stark voneinander unterscheiden in ihren Auswirkungen auf die elektrischen und chemischen Eigenschaften der CIGSe Solarzelle. Theoretische Vorhersagen, das schwerere Alkalimetalle wie K auf der CIGSe-Oberfläche eher zur Fremdphasen-Bildung neigen (als leichtere wie Na), konnten experimentell bestätigt werden. Weiterhin konnte eindeutig gezeigt werden, dass das Se-Angebot im PDT die Menge an KF auf der CIGSe-Oberfläche beeinflusst, und damit auch indirekt die chemische Reaktivität des KFs mitbestimmt. Im Allgemeinen zeigen die Ergebnisse dieser Arbeit auf, dass alle Prozessparameter des PDT verstanden, und fein aufeinander abgestimmt werden müssen, damit die Effizienz der entstehenden CIGSe Solarzelle davon profitieren kann.
Abstract (englisch):
The alkali fluoride post deposition treatment (AlkF PDT) of Cu(In,Ga)Se2 (CIGSe) thin films represents the most important process step in the last 20 years to boost the efficiency of CIGSe solar cells. The PDT has a distinct impact on the electrical properties of the CIGSe bulk material, but also on the chemical properties of the most vital interface of the device, the CdS/CIGSe interface. Substantial improvements, but also vast deteriorations of cell efficiency depend on the PDT process. The PDT is a multiparameter process, with the substrate temperature during PDT (TPDT), the Se-rate, and the AlkF-rate, as important process parameters. ... mehrTo date, the precise influence of TPDT and the Se-rate has not been examined, yet and only empirical results are published. Moreover, many previous PDT experiments are performed on alkali-containing substrates (e.g., like soda lime glass), so that the effects of alkalis from the substrate and from the PDT cannot be separated from each other.
The study in hand elaborates the dependence of the electrical properties of complete CIGSe solar cells on TPDT (in the range from 105 to 315 °C) at a fixed AlkF- and Se-rate, and explains the trends found, with a change in alkali concentration in the CIGSe layer, and a detailed chemical analysis of the CIGSe surface with X-ray and ultraviolet photoelectron spectroscopy (XPS, UPS). The alkali fluorides used are sodium fluoride (NaF) or potassium fluoride (KF). Especially for this work, alkali free substrates were used, the CIGSe layers were grown in the so called “singe-stage process”, are free from silver or sulfur additives and are treated solely with one alkali fluoride (either NaF or KF). The resulting CIGSe cells thereby are similar to industrially applied cell structures but exhibit a reduced complexity in their “architecture” and serve as simplified model systems. Within this simplified model-system, it is easier to analyze the working- and failure-principle of PDT-treated CIGSe solar cells. The acquired results can then be applied to the more complex industrially used cell structures, to enable a more targeted improvement of the CIGSe technology.
For the NaF-treated CIGSe solar cells, a monotonous dependence between TPDT, the Na concentration in the CIGSe layer, and cell efficiency is found, leading to an improvement of all NaF PDT cells, compared to the untreated, alkali-free reference cell. For KF-treated CIGSe solar cells also an improvement of the electronic properties with TPDT is observed. However, a severe drop in efficiency is observed, when a KF PDT at TPDT < 150 °C is applied, leading to device performances even worse than for the untreated, alkali-free reference cell.
The chemical analysis of the CIGSe surfaces after PDT with XPS reveals a pronounced change of the surface stoichiometry and formation of secondary components only in case of a KF PDT. For a KF PDT at high TPDT (315 °C) a K-Se-In(-O) component is found on the CIGSe-surface, whereas at low TPDT (105 °C) a Cu-rich component is found on the CIGSe surface. The formation of these secondary components after a KF PDT change the electronic properties of the CIGSe surface drastically, as revealed by UPS measurements: At high TPDT, the formation of a K-Se-In(-O) component is accompanied by a slight downshift of the valence band maximum (VBM) relative to the Fermi energy. This VBM downshift is believed to create a beneficial band alignment at the CdS/CIGSe interface and to reduce charge carrier recombination, leading to enhanced efficiencies. At low TPDT, the formation of the Cu-rich component is accompanied by a strong upshift of the VBM (relative to the Fermi energy). This strong upshift, in contrast, is assumed to increase charge carrier recombination at the CdS/CIGSe interface and thus can lead to the observed severe drop in efficiency.
The reason for the formation of a Cu-rich CIGSe surface on the low TPDT KF-treated sample surface, lies in the simultaneous formation of Ga-F and In-F species: After rinsing, the Ga-F and In-F species are washed away, and consequently a Ga- and In-depleted surface results, relatively enriched in Cu. Different, however, from the KF PDT samples, for the NaF PDT CIGSe surfaces, no change in surface composition and no secondary components were detected. In this respect, it is very noteworthy that the reactivity of KF and NaF differ so greatly on the CIGSe surface.
The Se-rate during the PDT also had a great impact on the effectiveness of the PDT. If the KF PDT is performed without Se supply, the diffusion of K into the CIGSe layer is strongly decreased and lower amounts of KF are detected on the CIGSe surface, than after a KF PDT with Se supply. Additionally, also lower amounts of K-Se-In(-O) are found on the KF PDT 315 °C sample and lower amounts of Cu-S-Se-O are found on the KF PDT 105 °C sample, when no Se is supplied during PDT. Consequently, without Se supply, due to lower amounts of KF at the CIGSe surface the reactivity of KF is decreased and therefore, the formation of secondary components is reduced.
Overall, the observed electrical trends with TPDT could be explained by a thorough chemical analysis of the CIGSe surface after PDT with XPS and UPS. It was elucidated, that NaF and KF show distinctly different impacts on CIGSe solar cells, by means of both, electrical and chemical changes. Theoretical predictions that secondary components form more easily in case of the heavier alkali metal K, were confirmed experimentally. Additionally, it was found out that Se influences the amount of KF on the CIGSe surface, and therewith controls the chemical reactivity of KF. The here presented study reveals, that (the influence of) all process parameters of the PDT must be understood, and carefully adjusted, to ultimately evolve an improvement of CIGSe solar cell performance.