Abstract:
Anthropogene Stoffeinträge beeinträchtigen den chemischen und ökologischen Zustand von Gewässern. Eine beständig zunehmende Anzahl und Vielfalt von Mikroschadstoffen – die in niedrigen Konzentrationen im Bereich von Nano- bis Mikrogramm pro Liter auftreten – gibt Grund zur Besorgnis erheblicher ökotoxikologischer Risiken und stellt den Gewässerschutz vor große Herausforderungen.
Mischwasserüberläufe aus Kanalisationssystemen bei Regenereignissen sind ein wichtiger Eintragspfad für Stoffeinträge aus Siedlungsgebieten. Infolge von Fortschritten bei der Abwasserbehandlung und zunehmenden Anforderungen des Gewässerschutzes gewinnt dieser Eintragspfad weiter an Bedeutung. ... mehrGleichzeitig sind vergleichsweise wenige Daten zur Quantität und Qualität von Mischwasserüberläufen verfügbar. Um effektive Maßnahmen zur Reduzierung der Einträge entwickeln zu können, ist eine verbesserte Überwachung von Regenwetterabflüssen und eine Gesamtbetrachtung der Beiträge aus Abwasser- und Regenwasserbehandlung erforderlich.
Diese Arbeit trägt dazu bei, den Kenntnisstand über stoffliche Belastungen aus Mischsystemen zu erweitern und zu aktualisieren. Das übergeordnete Ziel war es, die Grundlagen für die Modellierung der Stoffeinträge aus Mischwasserüberläufen auf Flussgebietsebene zu verbessern. Dazu wurden in einem umfangreichen Monitoring-Programm neue Daten zur Qualität der Überläufe erhoben. Weiterhin wurde ein Wasserbilanzansatz weiterentwickelt, der eine Abschätzung des jährlichen Überlaufvolumens in Kläranlageneinzugsgebieten sowie des darin enthaltenen Trockenwetterabflussanteils (Schmutzwasser und Fremdwasser) auf Basis weniger Eingangsdaten ermöglicht.
Das Monitoring umfasste die Sammlung volumenproportionaler Mischproben von Überlaufereignissen an ausgewählten Mischwasserüberläufen im süddeutschen Raum über Zeiträume von mindestens einem Jahr. Mit diesem Ansatz sollten möglichst repräsentative, mittlere Stoffkonzentrationen erfasst werden. Das eingesetzte Probenahmesystem – bis zu 1.000 l fassende Feststoffsammler – wurde hinsichtlich der Vergleichbarkeit mit konventionellen automatischen Probenehmern untersucht. Dabei wurden spezifische Vorteile deutlich, insbesondere die Flexibilität bei der Beprobung hochvariabler Überlaufereignisse, die effiziente Erzeugung volumenproportionaler Ereignis-Mischproben, sowie die Möglichkeit, zusätzlich zur Analyse der Gesamtprobe, detaillierte Analysen der gesammelten Feststoffe durchzuführen, z.B. Korngrößenverteilung und partikuläre Schadstoffbeladung.
In den Proben wurden die Konzentrationen von mehr als 40 Einzelsubstanzen verschiedener Stoffgruppen analysiert, darunter Metalle, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), Biozide und Pestizide, Benzotriazole, pharmazeutische Wirkstoffe, der Süßstoff Acesulfam und der Weichmacher Di(2-ethylhexyl)phthalat. In geringerem Umfang wurden perfluorierte Alkylsubstanzen, Phenole und weitere Biozide analysiert. Die Mehrzahl der Stoffe konnte nachgewiesen und sicher quantifiziert werden. Die Variabilität der Konzentrationen war erwartungsgemäß hoch. Der Einfluss von Einzugsgebietsmerkmalen, hydraulischen Bedingungen und saisonalen Trends auf die Konzentrationen wurde geprüft. Es konnte gezeigt werden, dass keine einfachen Zusammenhänge existieren, die sich für die Vorhersage von Konzentrationen an nicht untersuchten Standorten eignen. Aufgrund der Vielzahl möglicher Einflüsse ist fraglich, ob solche Zusammenhänge selbst mit größerem Datenumfang abgeleitet werden könnten. Daher ist bei der Bewertung stofflicher Belastungen aus Mischwasserüberläufen stets eine hohe, zufallsgeprägte Variabilität zu berücksichtigen, etwa durch die Verwendung stochastischer Ansätze auf Basis von Werteverteilungen.
Die Konzentrationsdaten der Mischwasserüberläufe wurden mit den Daten von insgesamt 49 Kläranlagen und einzelnen Regenwassereinleitungen aus Trennsystemen zusammengeführt. Die mit harmonisierten Probenahme- und Analyseverfahren erhobenen und einheitlich zusammengefassten Daten können als repräsentative Eingangsdaten für die Modellierung der Stoffeinträge aus Siedlungsgebieten genutzt werden, wenn keine gebietsspezifischen Daten verfügbar sind. Insgesamt betrachtet, lies sich das Verhältnis der Konzentrationen zwischen Kläranlagen, Mischwasserüberläufen und Regenwassereinleitungen hauptsächlich durch die Herkunftsbereiche und das Umweltverhalten (im Speziellen der Rückhalt in Kläranlagen durch Adsorption oder biologischen Abbau) der einzelnen Stoffe erklären. Es konnte gezeigt werden, dass Mischwasserüberläufe vor allem ein wichtiger Eintragspfad für Stoffe sein können, welche überwiegend mit dem Oberflächenabfluss in Abwassersysteme eingetragen werden und/oder einen hohen Rückhalt in Kläranlagen aufweisen. Dazu zählen einige Schwermetalle und PAK, die häufig ursächlich dafür sind, dass ein guter chemischer Zustand von Oberflächengewässern nicht erreicht wird.
Der Wasserbilanzansatz ermöglicht eine Abschätzung des jährlichen Überlaufvolumens in Kläranlageneinzugsgebieten auf Basis von Flächeninformationen, Niederschlags- und Kläranlagenzuflussdaten. Mit den vorgenommenen Anpassungen können zudem die aktuell für die Regulierung der Emissionen aus Mischsystemen vorgeschlagenen, volumenbasierten Emissionszielwerte abgeschätzt werden (z.B. Anteil des jährlichen Trockenwetterabflusses in Mischwasserüberläufen). Der Ansatz konnte anhand von Messdaten, die mit Wasserstandssonden an Überläufen ermittelt wurden, erfolgreich für ein Testgebiet verifiziert werden. Die Sensitivität und flächenhafte Übertragbarkeit des Ansatzes sollten jedoch anhand weiterer Gebiete untersucht werden. Der weitere Ausbau von Messtechnik an Mischwasserüberläufen wird wesentlich dazu beitragen, den allgemeinen Kenntnisstand zu deren Aktivität sowie die Grundlagen für die Modellierung der Stoffeinträge zu verbessern.
Auf Grundlage der Wasserbilanz und der neuen Stoffdaten wurden exemplarisch Stoffeinträge für das Testgebiet ermittelt. Die aus der Verwendung repräsentativer Daten resultierenden Unsicherheiten wurden dargestellt, um der hohen Konzentrationsvariabilität Rechnung zu tragen und eine möglichst informierte Bewertung zu ermöglichen. Vor dem Hintergrund der begrenzten Verfügbarkeit quantitativer Daten zu Mischwasserüberläufen bildet der Ansatz gemeinsam mit den neuen Stoffdaten ein geeignetes Instrument, um Einzugsgebiete für eine weitere detaillierte Bewertung zu priorisieren und damit die strategische Planung von Maßnahmen zu unterstützen.
Abstract (englisch):
Anthropogenic substance inputs impair the chemical and ecological status of water bodies. An increasing number and variety of micropollutants – occurring in low concentrations in the range of nano- to micrograms per litre – causes concern over significant ecotoxicological risks and represents a major challenge for water protection.
Combined sewer overflows (CSOs) from sewer systems during storm events are an important input pathway for pollutant emissions to water bodies. As a result of advances in wastewater treatment and water protection requirements, this pathway is becoming increasingly relevant. ... mehrAt the same time, the availability of data on the quantity and quality of CSOs is comparatively low. In order to develop effective measures to reduce water pollution from combined sewer systems, improved monitoring of wet weather discharges and an assessment of the emissions from both wastewater and stormwater treatment are required.
This work contributes to the expansion and updating of knowledge on chemical pollution from combined sewer systems. The overarching aim of this work was to improve the assessment of CSO emissions for substance emission modelling at river basin level. For this purpose, new data on CSO quality were collected in an extensive monitoring programme. In addition, a water balance approach was developed, which allows to estimate the annual CSO volume in catchments of wastewater treatment plants (WWTPs) as well as its dry weather flow content (wastewater and infiltration water) using few input data.
The monitoring comprised the collection of volume-proportional composite samples of overflow events at selected CSOs in southern Germany over periods of at least one year. This strategy aimed to quantify representative average concentrations. The comparability of the sampling systems used – large volume samplers with a capacity of up to 1,000 l – to conventional autosamplers was investigated. Specific advantages of the large volume samplers became apparent, including the flexibility in sampling highly variable overflow events, the efficient generation of volume-proportional event composite samples, as well as the possibility of carrying out detailed analyses of the collected solids, e.g. particle size distribution and particulate pollutant loading, in addition to the analysis of the total sample.
The concentrations of more than 40 individual substances from different substance groups were analysed in the samples, including metals, polycyclic aromatic hydrocarbons (PAHs), biocides and pesticides, benzotriazoles, pharmaceuticals, the sweetener acesulfame and the plasticiser di(2-ethylhexyl)phthalate. To a lesser extent, perfluorinated alkyl substances, phenols, and additional biocides were analysed. The majority of the substances could be detected and reliably quantified. The variability of the concentrations was high. The impact of catchment characteristics, hydraulic conditions, and seasonal trends on concentrations was investigated. However, it could be demonstrated that no simple relationships exist that would be suitable for predicting concentrations at non-monitored sites. Due to the large number of possible influences, it is questionable whether such relationships could be derived even with larger datasets. Consequently, a high and unpredictable variability must be taken into account when assessing chemical pollution from CSOs, e.g. by using stochastic approaches based on value distributions.
The CSO data were merged with the data of a total of 49 WWTPs and two stormwater outfalls from separate sewer systems. The data were collected according to strictly harmonised sampling and analytical methods, summarised consistently, and can be used as representative input data for modelling substance emissions from urban areas, if no site-specific data are available. From an overall perspective, the relation of concentrations between WWTPs, CSOs, and stormwater outfalls could be explained primarily by the main areas of origin and the environmental behaviour (i.e. removal in WWTPs due to adsorption or biodegradation) of individual substances. It could be demonstrated that CSOs can be an important input pathway especially for substances that are transported into sewer systems with surface runoff and/or have a high removal rate in wastewater treatment. These include some heavy metals and PAHs, which often cause failure to achieve a good chemical status of surface waters.
The urban water balance approach allows to estimate annual CSO volume in individual WWTP catchments based on area, precipitation, and WWTP inflow data. With the adjustments made, it is also possible to estimate the volume-based emission target values recently proposed for regulating emissions from combined sewer systems (e.g. the proportion of wastewater discharged via CSOs). The approach was successfully verified in a test catchment using measurement data from water level sensors at CSO facilities. However, the sensitivity and area-wide transferability of the approach should be investigated in additional test catchments. The further installation of measurement equipment at CSOs will contribute essentially to improving the general knowledge on CSO activity as well as the basis for modelling sub-stance emissions.
Based on the water balance and the new concentration data, emissions were exemplarily estimated for the test catchment. The uncertainties resulting from the use of representative data were indicated to account for the high concentration variability and allow an informed assessment. Against the background of the limited availability of quantitative data on CSOs, the approach combined with the new concentration data provides a valuable instrument to prioritise catchments for further detailed assessment and support the strategic planning of measures.