Abstract:
Grundwasser ist die wichtigste Ressource für die Trinkwasserversorgung in Deutschland sowie in zahlreichen Ländern weltweit. Dürren, Starkregen und steigende Evapotranspiration, Phänomene die durch den Klimawandel verstärkt werden, reduzieren die verfügbare Menge an Grundwasser. In Kombination mit einem steigenden Bedarf aufgrund höherer Temperaturen, ist die Aufrechterhaltung einer funktionierenden und nachhaltigen Wasserversorgung eine der wichtigsten und dringendsten Aufgaben denen sich Wasserversorger aktuell stellen müssen. Zur Entwicklung und Umsetzung notwendiger Anpassungsmaßnahmen sind gute Kenntnisse der Grundwasserressourcen notwendig, welche lediglich durch detaillierte Untersuchungen der Einzugsgebiete und Grundwasserleiter erreicht werden können.
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In dieser Thesis wird das komplexe System eines Karstaquifers in Kombination mit einem alluvialen Grundwasserleiter im Grundwasserschutzgebiet Donauried-Hürbe untersucht. Es umfasst einen großen Teil der östlichen Schwäbischen Alb sowie des baden-württembergischen Donautals und wurde für die über 200 Entnahmebrunnen im Donauried ausgewiesen, die durch den Zweckverband Landeswasserversorgung betrieben werden. Das dort entnommene Wasser trägt zur Trinkwasserversorgung von ca. 3 Millionen Menschen in Süddeutschland bei, inklusive der Metropolregion Stuttgart. Ziel dieser Thesis ist eine skalenübergreifende Charakterisierung des Einzugsgebiets der Entnahmebrunnen, insbesondere im Hinblick auf den Zustrom zum Donautal. Während Einzel-Bohrloch-Verdünnungsversuche (single-borehole dilution tests, SBDTs) für die kleinskaligen Untersuchungen eingesetzt werden, erfolgt die großmaßstäbliche Betrachtung mittels eines kombinierten Markierungsversuchs.
SBDTs sind eine Markierungsmethode zur Charakterisierung von Grundwassermessstellen sowie Bohrlöchern. Sie können in allen Aquifertypen angewendet werden – besonders interessant sind heterogene Karst- und Kluftaquifere – und können mittels uniformer Eingabe oder Punkteingabe durchgeführt werden. Uniforme Eingaben streben eine homogene Konzentration des Markierungsmittels über die gesamte gesättigte Länge eines Bohrlochs an und liefern Informationen über maßgebliche Zu- und Abflusshorizonte. Wenn keine vertikalen Strömungen auftreten, können zudem horizontale Filtergeschwindigkeiten berechnet werden. Bei der geläufigsten Methode für uniforme Eingaben wird ein Schlauch zur Injektion gelöster Markierungsstoffe eingesetzt.
In der ersten Studie wird eine vereinfachte Methode für uniforme Eingaben unter natürlichen Fließbedingungen entwickelt, geprüft und mit der gängigen Schlauchmethode verglichen. Die neue Methode nutzt einen permeablen Injektionsbeutel (PIB), um eine möglichst gleichmäßige Verteilung des Markierungsstoffs in der gesättigten Zone zu erreichen. Die PIB-Methode wird für eine Vielzahl an Tests im Labor und in mehreren Grundwassermessstellen im Untersuchungsgebiet eingesetzt, um eine fundierte Beurteilung zu ermöglichen. Wiederholte Tests in ausgewählten Messstellen werden durchgeführt, um die Reproduzierbarkeit der Methode zu untersuchen. Darüber hinaus werden zwei unterschiedliche Berechnungsmethoden basierend auf linearer Regression sowie der eindimensionalen Advektions-Dispersions-Gleichung genutzt, um scheinbare horizontale Filtergeschwindigkeiten zu berechnen. Die Ergebnisse belegen, dass die PIB-Methode für die untersuchten Grundwassermessstellen wertvolle und reproduzierbare Daten generiert. Außerdem ist sie äußerst flexibel im Hinblick auf die Tiefe der Messstellen, benötigt weniger Ausrüstung als vergleichbare Methoden und kann von einer einzelnen Person durchgeführt werden.
In der zweiten Studie wird eine Sonde für SBDTs mit Punktinjektion vorgestellt, die im Rahmen dieser Thesis entwickelt und getestet wird. Mit der Injektion eines Markierungsmittels in einem spezifischen Tiefenbereich wird eine detaillierte Untersuchung der Fließprozesse in dieser Tiefe ermöglicht. Darüber hinaus produzieren uniforme Injektionen oftmals keine eindeutigen Ergebnisse hinsichtlich vertikaler Fließbewegungen, welche besonders in Karst- oder Kluftaquiferen häufig auftreten; Punktinjektionen hingegen sind explizit zur Untersuchung von Vertikalbewegungen geeignet. Die Kenntnis vertikaler Grundwasserströmungen ist essentiell für das Verständnis hydraulischer Prozesse in komplexen Aquifersystemen. Die entwickelte Injektionssonde ist darauf ausgelegt, 500 mL Markierungsstofflösung in einer beliebigen Tiefe freizusetzen, ohne den natürlichen Grundwasserfluss durch den Injektionsprozess zu verändern. Die Sonde besteht aus einem hohlen Zylinder mit einem Öffnungsmechanismus, der durch ein Fallgewicht entlang des Maßbandes ausgelöst wird, an welchem die Sonde befestigt ist.
Zur Evaluierung der Injektionssonde werden zahlreiche Labor- und Feldtests durchgeführt. Besonders werden mittels mehrerer Versuche in einem Acrylglasrohr Ausdehnung und Reproduzierbarkeit des generierten Injektionsprofils untersucht. Wiederholte Eingaben zeigen jeweils eine nahezu identische Konzentrationskurve, wodurch bestätigt wird, dass die entwickelte Sonde eine reproduzierbare Tracerwolke erzeugt. Außerdem erweist sich der Öffnungsmechanismus als robust und verlässlich. Die Sonde kann von einer einzelnen Person und mit jeglichem lösbaren Markierungsmittel eingesetzt werden. Darüber hinaus ist sie für jeden Aquifertyp geeignet und äußerst flexibel bezüglich der Eingabetiefe, wodurch die Sonde im Vergleich mit gängigen Methoden zahlreiche Vorteile aufweist.
Die dritte Studie fasst die Ergebnisse aller durchgeführten Markierungsversuche zusammen und wertet die Resultate bezogen auf das Grundwasserschutzgebiet Donauried-Hürbe aus, mit dem Ziel eine skalenübergreifende Charakterisierung des Aquifersystems zu erreichen. Besonderer Fokus wird dabei auf den Zustrom zum Donautal und den Entnahmebrunnen des Zweckverbands Landeswasserversorgung gelegt. Während mit den Ergebnissen von SBDTs kleinräumige Fließprozesse evaluiert werden, wird der regionale Grundwasserfluss mit einem kombinierten Markierungsversuch untersucht, der im Oktober 2017 in Zusammenarbeit mit dem regionalen Wasserversorger (Zweckverband Landeswasserversorgung) gestartet wurde.
Die Untersuchungen ausgewählter Grundwassermessstellen belegen eine große Bandbreite an Ergebnissen, besonders im Hinblick auf die Abflusszeiten. Während Messstellen mit einer guten Anbindung an die Karströhren sowie Messstellen in hochdurchlässigen Bereichen des alluvialen Aquifers einen schnellen Abstrom des Markierungsmittels zeigen, werden in Messstellen geringdurchlässiger Formationen lange Abflusszeiten von bis zu mehreren Tagen festgestellt. 40 % der untersuchten Grundwassermessstellen zeigen vertikale Strömungen, die auf die komplexe Hydraulik des Aquifersystems zurückzuführen sind. Mit dem kombinierten Markierungsversuch werden hohe Fließgeschwindigkeiten von etwa 80 m/h zwischen der Schwinde im Lonetal und einer Quellgruppe in Langenau beobachtet. Jedoch werden ebenfalls äußerst verzögerte Durchgänge mit Ersteinsätzen von 250 und 370 Tagen nach der Eingabe dokumentiert, woraus maximale Fließgeschwindigkeiten von lediglich 0.44 und 0.39 m/h resultieren. In den Entnahmebrunnen des Zweckverbands Landeswasserversorgung ist bis einschließlich März 2023 kein Markierungsmittel nachweisbar.
Zusammenfassend belegen die Ergebnisse der eingesetzten Markierungsmethoden die ausgeprägte und skalenübergreifende Heterogenität des Grundwasserflusses im Schutzgebiet Donauried-Hürbe. Zusätzlich zu den methodischen Weiterentwicklungen von SBDTs, trägt diese Thesis wesentlich zu einem tieferen Verständnis des für die Wasserversorgung von drei Millionen Menschen in Süddeutschland essentiellen und komplexen Aquifersystems bei.
Abstract (englisch):
Groundwater is the most important resource for drinking water supply in Germany, but also in many other countries worldwide. Draughts, heavy rainfall and increasing evapotranspiration, phenomena that are intensified by climate change, reduce the available amount of groundwater. In combination with an increasing demand caused by higher temperatures, maintaining a functioning and sustainable water supply is one of the most important and urgent tasks water suppliers currently have to face. In order to develop and implement necessary adaptations, a good knowledge of groundwater resources is necessary, which can only be achieved by detailed investigations of the catchment areas and aquifers.
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In this thesis, the complex karst and alluvial aquifer system in the groundwater protection area Donauried-Hürbe is investigated. It includes large parts of the eastern Swabian Alb and the Danube valley in Baden-Württemberg and was established for the more than 200 extraction wells in the Donauried that are operated by the Zweckverband Landeswasserversorgung. The extracted water contributes to the drinking water supply of around 3 million people in southern Germany, including the Stuttgart metropolitan region. The aim of this thesis is a multi-scale characterization of the extraction wells’ catchment area, especially with regard to the inflow towards the Danube valley. While single-borehole dilution tests (SBDTs) are used to investigate the small scale, the large scale is examined with a regional multi-tracer test.
SBDTs are a tracer-based method for characterizing groundwater monitoring wells and boreholes. They are applicable in all aquifer types – especially interesting are heterogeneous karst or fractured aquifers – and can be conducted as uniform injections or point injections. Uniform injections aim to achieve a homogeneous tracer concentration throughout the entire saturated length of a borehole and generate information about major inflow and outflow horizons. Also, in the absence of vertical flow, horizontal filtration velocities can be calculated. The most common method for uniform injections uses a hosepipe to inject a tracer solution.
In the first study, a simplified method for uniform injections under natural flow conditions is developed, evaluated and compared to the widely used hosepipe method. The new method uses a permeable injection bag (PIB) to achieve a close-to-uniform tracer distribution within the saturated zone. The PIB method is used for several tests in the laboratory, as well as for SBDTs in multiple wells in the study area, to allow for a substantiated evaluation. Repeated tests in selected wells are used to assess the reproducibility of the new PIB method. Furthermore, two different calculation methods, based on linear regression and the one-dimensional advection-dispersion equation, are used to calculate apparent horizontal filtration velocities. The obtained results prove that the PIB method delivers valuable and reproducible results for the tested groundwater monitoring wells. Also, it is highly flexible regarding well depth, requires less equipment than comparable methods and can easily be conducted by a single person.
The second study presents a new probe for point-injection SBDTs that is developed and tested during this thesis. By injecting tracer into a specific depth interval, a detailed investigation of the flow processes in this particular depth can be obtained. Also, while uniform injections tend to deliver ambiguous results on vertical flow that often occurs in karst or fractured aquifers, point injections are especially suitable to detect natural vertical flow. Knowledge of vertical groundwater flow is important to understand hydraulic processes in complex aquifers. The developed injection probe is designed to release up to 500 mL of tracer solution into a specific depth without disturbing natural groundwater flow during the injection process. It consists of a hollow cylinder equipped with an opening mechanism, which is triggered by dropping a weight down along the measuring tape to which the probe is attached.
Multiple laboratory and field tests are conducted to evaluate the injection probe. Especially the extent and reproducibility of the generated tracer profile are assessed by several experiments in an acrylic glass well. Repeated injections show an almost identical concentration curve, proving that the invented probe is able to reproduce the initial tracer cloud. Also, the opening mechanism proves to be robust and reliable. The probe can be operated by a single person and is suitable for any kind of soluble tracer. Moreover, it can be used in any aquifer type and is highly flexible regarding injection depths, which gives the probe several advantages compared to conventional methods.
The third study summarizes the results of all conducted tracer-based experiments and evaluates the outcomes with regard to the groundwater protection area Donauried-Hürbe in order to obtain a multi-scale characterization of the aquifer system. Particular focus lies on the inflow towards the Danube valley and the extraction wells of the Zweckverband Landeswasserversorgung. While SBDTs are used to observe flow processes on a local scale, large-scale groundwater flow is investigated with a regional multi-tracer test that was started in October 2017 in cooperation with the regional water supplier (Zweckverband Landeswasserversorgung).
The investigations of selected groundwater monitoring wells prove a broad range of results, especially regarding outflow times. While wells with a good connection to the karst conduits and wells located in highly permeable areas of the alluvial aquifer document fast tracer outflow, long outflow times of up to several days are observed in wells in low-permeable formations. 40 % of the tested groundwater monitoring wells show vertical flow caused by the complex aquifer hydraulics. With the multi-tracer test, high groundwater flow velocities of around 80 m/h are observed between the swallow hole in the Lone valley and a karst spring group in Langenau. However, exceptionally delayed breakthroughs with first arrivals of 250 and 307 days after the injection are also documented, resulting in maximum flow velocities of only 0.44 and 0.39 m/h. Until April 2023, no tracer was detectable in the extraction wells of the Zweckverband Landeswasserversorgung.
In summary, the results of the tracer methods used in this thesis attest the distinct cross-scale heterogeneity of the groundwater flow in the protection area Donauried-Hürbe. In addition to the methodological enhancements of the SBDTs, this thesis substantially contributes to a deeper understanding of the complex aquifer system with its importance for the water supply of three million people in southern Germany.