Abstract:
Das heutzutage kommerziell bedeutsamste Weißpigment Titandioxid (TiO$_2$) wird für eine Vielzahl von industriellen Produkten genutzt, insbesondere in Farben, Beschichtungen und Kunststoffen. Aufgrund seiner energieintensiven Gewinnung, der kostspieligen Entsorgung schädlicher Nebenprodukte und zunehmender Zweifel an seiner gesundheitlichen Unbedenklichkeit steht dieses Pigment jedoch seit Jahren in der Kritik, weshalb nach alternativen Lösungen gesucht wird.
Inspirationsquellen für neue, umweltfreundliche Strategien einen weißen Farbeindruck ohne TiO$_2$ zu erzeugen, lassen sich in der Natur finden. ... mehrHier entsteht Weiß oft durch luftgefüllte, poröse Strukturen, an denen Licht aller Wellenlängen sehr effektiv gestreut wird. Die dabei genutzten Biomaterialien Chitin, Keratin oder Cellulose haben einen höheren Brechungsindex als Luft, wodurch der für die Lichtstreuung notwendige Kontrast im Brechungsindex erreicht wird.
Dieses Prinzip lässt sich technisch durch die Erzeugung von lichtstreuenden Nanoporen in einer transparenten Polymermatrix umsetzen. In der vorliegenden Arbeit wird dazu physikalisches Schäumen mit überkritischem Kohlenstoffdioxid angewandt. Im überkritischen Zustand hat Kohlenstoffdioxid bemerkenswert gute Diffusionseigenschaften und wirkt als inerter, ungiftiger Weichmacher für viele Polymere. Zusätzlicher Vorteil gegenüber chemischen Treibmitteln ist, dass keine schädlichen Rückstände im Material zurückgelassen werden. Über die Prozessparameter können die Charakteristika der Poren beeinflusst werden, um diese für den Einsatz als alternative Weißpigmente zu optimieren.
In dieser Arbeit wird zunächst das Schäumen von monodispersen Polymethylmethacrylat (PMMA) Mikrokugeln untersucht. Im Gegensatz zu bisherigen Arbeiten zu geschäumten, rotationsbeschichteten Oberflächen ist die Pulverform einfacher in bestehende Prozessketten zu implementieren.
Es werden geeignete Prozessparameter identifizert und ein Prototyp einer weißen Farbe auf Basis geschäumter, weißer Polymerpartikel präsentiert. Des Weiteren werden Prozessmodifikationen entwickelt, die das Schäumen deutlich kleinerer Mikrokugel erlauben und damit den möglichen Anwendungsbereich erweitern.
Zusätzlich zu ästhetischen Gründen kann eine weiße Farbgebung auch funktionale Vorteile haben. Eine helle Oberfläche kann bei Gebäuden oder Autos für eine geringere Aufheizung unter Sonneneinstrahlung sorgen, da ein Großteil der einfallenden Strahlung reflektiert und somit nicht in Wärme umgewandelt wird.
In Anbetracht des zukünftig stark ansteigenden Bedarfs an Klimaanlagen und deren Stromverbrauchs rücken zunehmend auch passive Strategien zur Kühlung in den Fokus. Vielversprechend ist hierbei die passive Strahlungskühlung. Bei dieser Strategie wird die Transparenz der Erdatmosphäre für bestimmte Wellenlängen genutzt, um Wärmestrahlung in den Weltraum abzugeben. Dafür eignen sich bestimmte Materialien, die in diesem Teil des Spektrums gut absorbieren und daher in diesem Spektralbereich ebenfalls Strahlung emittieren. Kombiniert man diese Materialien nun mit einer weißen Farbgebung, die zusätzliches Aufheizen minimiert, kann auch tagsüber eine Kühlung unterhalb der Umgebungstemperatur erreicht werden. Daher wird in dieser Arbeit die mögliche Eignung weiß geschäumter Polymere für die passive Strahlungskühlung untersucht.
Weiße Oberflächen insbesondere im Außenbereich können von schmutzabweisenden, selbstreinigenden Oberflächeneigenschaften stark profitieren. Hierbei kann beispielsweise eine superhydrophobe Oberflächenstruktur Verschmutzungen limitieren. Solche Oberflächen sind in der Natur weit verbreitet und bieten Konzepte für die Strukturierung technischer Oberflächen. Während der Behandlung mit überkritischem Kohlenstoffdioxid ist das Polymer verformbar, was für die Übertragung von Strukturen genutzt werden kann. In dieser Arbeit wird eine Kombination des Schäumprozesses mit simultaner Replikation von bio-inspirierten Strukturen untersucht. Die dazu entwickelte Prozessvariation ermöglicht eine gleichzeitige Oberflächenstrukturierung zusätzlich zu dem weißen Farbeindruck, der durch die lichtstreuenden Poren entsteht.
Abstract (englisch):
Today's most commercially significant white pigment, titanium dioxide (TiO$_2$), is used in a wide range of industrial products, especially paints, coatings and plastics. However, due to its energy-intensive extraction, the harmful by-products produced, their costly disposal and increasing doubts about its innocuousness to health, this pigment has been subject of criticism for years.
Sources of inspiration for new, environmentally friendly strategies to create a white color impression without titanium dioxide can be found in nature. Here, white is often created by air-filled, porous structures on which light of all wavelengths is effectively scattered. ... mehrThe biomaterials used thereby, such as chitin, keratin or cellulose, have a higher refractive index than air, thus achieving the contrast in refractive index necessary for light scattering.
This principle can be technically implemented by creating light-scattering nanopores in a transparent polymer matrix. In this work, physical foaming with supercritical carbon dioxide is used for this purpose. In its supercritical state, carbon dioxide has remarkably good diffusion properties and acts as an inert, non-toxic plasticizer for many polymers. Additional advantage over chemical blowing agents is that no harmful residues are left in the material. The characteristics of the pores can be influenced via the process parameters in order to optimize them for use as alternative white pigments.
In this work at first the foaming of monodisperse polymethyl methacrylate (PMMA) microspheres was established. In contrast to previous work on foamed spincoated surfaces the powder form is easier to implement in existing process chains. Suitable process parameters are identified and a prototype of a white paint based on foamed white polymer particles is presented. Furthermore, process modifications are developed that allow the foaming of significantly smaller microspheres and thus extend the possible range of applications.
In addition to aesthetic reasons, a white color can also have functional benefits. A light-colored surface can reduce the heat buildup in buildings or cars when exposed to sunlight, since a large proportion of the incident radiation is reflected back and thus not converted into heat.
In view of the strong increase in demand for air conditioning systems and their power consumption in the future, passive strategies for cooling are increasingly coming into focus. Passive radiative cooling is a promising approach in this context. Here, one takes advantage of the transparency of the Earth's atmosphere for certain wavelengths to emit thermal radiation into space. Certain materials that absorb well in this part of the spectrum and therefore also emit radiation in this spectral range are suitable for this purpose. If these materials are additionally white in color to minimize additional heat uptake, cooling below ambient temperature can be achieved even during the day. Therefore, in this work the potential suitability of white foamed polymers for passive radiative cooling is investigated.
White surfaces, especially outdoors, can benefit greatly from dirt-repellent, self-cleaning surface properties. Here, for example, a superhydrophobic surface structure can limit soiling. Such surface structures are widespread in nature and provide concepts for the structuring of technical surfaces. During foaming with supercritical carbon dioxide, the polymer is deformable, which can be exploited for molding. In this work, a combination of the foaming process with simultaneous replication of bio-inspired structures is investigated. The process variation developed for this purpose allows simultaneous surface texturing in addition to the white color impression created by the light-scattering pores.