Abstract:
Die bereits 100 Jahre alte harmonische Gezeitenanalyse basiert auf dem Ansatz trennbarer und nicht trennbarer harmonischer Signalanteile. Die begrenzte Frequenzauflösung, die in der Gezeitenanalyse mit dem „Rayleigh-Kriterium“ beschrieben wird, hängt streng von der Dauer der analysierten Zeitreihe ab. Obwohl dies bequem und die gebräuchlichste Methode zur harmonischen Trennung ist, berücksichtigt es doch nicht die tatsächliche Auflösung, die erst durch das Signal-Rausch-Verhältnis der Daten bestimmt wird. Darüber hinaus sind die Leistungsfähigkeit moderner Computer und Methoden den früheren nummerischen Verfahren überlegen. ... mehrA priori mussten früher Wellengruppen gebilded werden, die aus den Harmonischen nahe der Hauptharmonischen innerhalb eines vordefinierten Frequenzintervalls bestehen. Dies war notwendig, da das Problem sonst zu einer schlecht konditionierten Gleichungssystem führt, das gelöst werden muss, um die Gezeitenparameter zu berechnen. Noch ausgefeiltere Wellengruppenschemata hängen hauptsächlich von der Länge der Zeitreihe ab, sodass die Informationen über die tatsächliche Auflösung, die die Daten liefern, verloren geht.
Darüber hinaus wurden in den letzten 150 Jahren weltweite Veränderungen der Gezeitenmuster beobachtet, für die es jedoch für viele noch immer keine eindeutige Erklärung gibt. Bei der Analyse von Schwersignalen sind zeitliche Variationen von Gezeitenparametern seit über 30 Jahren bekannt. Daten von supraleitenden Gravimetern (SG), die eine bisher nicht dagewesene Genauigkeit bieten, zeigen systematische zeitliche Variationen von Gezeitenparameter. Dies zeige ich für verschiedene Wellengruppen an 19 verschiedenen SG-Stationen rund um die Erde. Die Amplitude der Variationen ist normalerweise um den Faktor 2 (Minimum) bis 32 (Maximum) größer als die Standardabweichung. Einer der möglichen Gründe für zeitliche Variationen von Gezeitenparametern ist die Bildung von Wellengruppen in Kombination mit einem falschen Verhältnis der Amplituden von Harmonischen im Analysemodell (Body-Tide-Model) welches die Signale der Ozeanaulast nicht berüchsichtigt. Dies führt, zu unterschiedlichen Schwebungen im Analysesignal und im Messsignal. In der Folge treten periodische Variationen der Regressionsparameter auf.
Ich stelle eine Alternative zur klassischen harmonischen Gezeitenanalyse vor, die eine Lösung in der Nähe eines Referenz-Modells sucht. Diese Regularisierung stabilisiert die lineare Regression, so Modellparametern für jede einzelne Gezeitenharmonische bestimmt weden können. Dadurch entfällt die Notwendigkeit, a priori Gruppen von Harmonischen zu bilden. Alle Gezeitenharmonischen werden einzeln behandelt. Auf diese Weise wird eine Verzerrung durch die a priori Modellparametrisierung vermieden oder erheblich reduziert. Gleichzeitig wird eine Überanpassung der Daten vermieden, die zu Störungen im Modell führen würde. Die Lösung des Inversionsproblems erfolgt iterativ durch Justage des Referenzmodells, wobei das Signalresiduum schrittweise reduziert wird. Die Frequenzauflösung der Lösung ist somit durch die tatsächlichen Messdaten bestimmt. Ich finde unabhängig voneinander Modelle für die verschiedenen sphärischen Grade, was ein wichtiger Aspekt ist, da die Ozeanauflast für verschiedene Grade unterschiedlich ist. Das Verfahren ermöglicht schmalbandige Variationen der Gezeitenadmittanz. Die Signifikanz und Schätzung jedes einzelnen Parameters kann getestet werden. Ich demonstriere den Zusammenhang zwischen der harmonischen Amplitude und der Auflösung. Die Auswirkungen der Regularisierung werden sorgfältig diskutiert und berücksichtigt. Ich verwende die Methode, die ich RATA nenne (Regularization Approach to Tidal Analysis), um ein lokales Modell aus 11,5 Jahren Daten zu bestimmen, die vom supraleitenden Gravimeter SG056 am Geowissenschaftlichen Gemeinschaftsobservatorium Schiltach (BFO, Black Forest Observatory) aufgezeichnet wurden. Als Ergebnis habe ich 61 signifikante Gruppen von Harmonischen für das lokale Gezeitenmodell unterschieden, ohne eindeutige Hinweise darauf, dass weitere Gruppen auflösbar wären. Einige von ihnen verstoßen stark gegen das Rayleigh-Kriterium. Einige Harmonische, die normalerweise nach dem Rayleigh-Kriterium getrennt wüerden, haben sich als nicht signifikant erwiesen. Die Ergebnisse wurden mit den Ergebnissen für den zweiten Sensor des Instruments verglichen und mit der ungedämpften Inversion verifiziert, die nur die auflösbaren Wellengruppen verwendet. Das Schwerresiduum ist im Vergleich zu früheren Modellen kleiner, ohne Anzeichen einer Überanpassung. Nach erfolgreicher Anwendung dieser Methode für BFO wende ich die Analyse für 5 weiter europäische Stationen und 8 Stationen außerhalb Europas an. Die Analyse europäischer Stationen bestätigt die Konsistenz der Methode sowie die Verfügbarkeit der Superauflösung. Die offensichtlichen konsistenten Unterschiede in Phasen und Amplituden sind jedoch höchstwahrscheinlich auf die Entfernung zum Ozean zurückzuführen. Ich habe herausgefunden, dass die Unterschiede zwischen Harmonischen mit geringe Frequenzabstand und großer Amplitude ähnlich oder sogar kleiner sind als bei Gezeiten mit großem Frequenzabstand und mittlerer Amplitude. Die Untersuchung anderer Stationen ergab große Unterschiede zwischen der beobachteten Gezeitenreaktion und der Vorhersage aus eiinem Erdmodells. Die Stationen auf verschiedenen Kontinenten weisen in ihren Schätzungen keine Ähnlichkeiten auf. Darüber hinaus habe ich herausgefunden, dass die Auflösung stark von der Qualität der Daten abhängt und weniger von der Dauer der Zeitreihen, sofern diese bereits ausreichend lang sind (7 jahre). Dies wurde durch den Vergleich mit der Analyse von nur der Hälfte der Zeitrehe von zwei Stationen gestützt. Daher kann die RATA Methode verwendet werden, um die signifikanten Beiträge ohne a priori Annahme einer Wellengruppierung zu identifizieren. Auf diese Weise wird das Auflösungsvermögen der harmonischen Analyse viel stärker ausgenutzt und durch die Regularisierung das Risiko einer Überanpassung stark reduziert. Bis vor kurzem war es unmöglich, der Ozeanauflast direkt abzuschätzen. Während sich die Situation kürzlich durch die Veröffentlichung detaillierter detaillierter Ozeanzeitenmodelle verbessert hat, die durch Ozeanauflast verursacht werden, verbessert hat, beschreibe ich die Wirkung der zeitinvarianten Ozeanauflast und der Strahlungsgezeiten durch die lokalen Modelle. Ein falsches Verhältnis zwischen Harmonischen in einer Wellengruppe kann zu einer falschen Schwebung in der synthetischen Zeitreihe führen, die leicht zu falschen Schlussfolgerungen bezüglich der Ursachen führen kann. Die Hypothese, dass einige der in früheren Studien gefundenen zeitlichen Variationen der Gezeitenparameter durch ungeeignete Modelle der “Body-Tides” in Kombination mit einer a priori Wellengruppierung verursacht wurden, wird getestet. Das lokalen Gezeitenmodell wird in einer nicht regularieserten “Moving-Window-Analyse” mit 12 Wellengruppen als Analysemodell verwendet. Es wird festgestellt, dass periodische Variationen der Gruppen M2, K1, µ2, N2, L2 und S2 um bis zu einen Faktor 9 im Vergleich zu früheren Studien reduziert werden. Einige langperiodische Variationen, die zuvor in den Gruppen M1, O1, Q1 und J1 beobachtet wurden, werden ebenfalls erfasst. Dies wurde bei fast allen Stationen bestätigt, mit Ausnahme von Syowa, die jedoch offenbar keine Daten in der erforderlichen Qualität liefert. Der bisher vernachlässigte Einfluss von Strahlungsgezeiten, Gezeiten des Grades 3 und bedeutenden Seitenlinien der Harmonischen sind die Haupturssachen für scheinbare Modulationen in früheren Studien. Zusätzliche Tests haben gezeigt, dass die Frequenzbänder der aufgelösten Wellen gut definiert sind, so dass die Wechselwirkung zwischen den Parametern nicht signifikant erscheint. Mit der Methode kann ich validieren, wie stark welche Parameter eine Modulation verursachen. Dies liegt den Schluss nahe, dass die überwiegende Mehrheit der in früheren Studien festgestellten zeitlichen Schwankungen der Gezeitenparameter durch ungeeignete Analysenmodelle verursacht wurden, die Effekte wie Ozeanauflast oder Strahlungsgezeiten (Atmosphäre) in Kombination mit einer a priori Wellengruppierung nicht berücksichtigten. Ich zeige, dass die Anwendung der lokalen Modelle durch korrekte Anpassungen die meisten signifikanten, zeitlich periodischen Variationen erklärt. Daher ist eine Untersuchung der verbleibenden zeitlichen Schwankungen beispielweise zur Untersuchung der Instrumentenstabilität zeitlich variierender Beiträge der Ozeanauflast sinnvoller.
Abstract (englisch):
The already 100 years old harmonic analysis of tides is based on the assumption of separable and non-separable contributions. The resolution discrepancy, known as the Rayleigh criterion in tidal analysis, is strictly related to the duration of the analyzed time series. Although convenient and the most common way for harmonic separation, it does not take into account the actual resolution limited by the signal-to-noise ratio of the data and the capabilities of modern computers and methods. A priori wave groups based on separable constituents had to be composed of harmonics close to the main harmonic within a predefined frequency range. ... mehrIt was necessary since otherwise the problem results in an ill-conditioned system of linear equations, which must be solved in order to find the tidal parameters. Even more sophisticated wave grouping schemes are based on the time series length, so the information about the actual resolution provided by the data is lost.
In addition, worldwide changes in tide patterns over the past 150 years have been noticed, but many of them still lack a clear explanation. In the analysis of gravity records, temporal variations of tidal parameters have been known for over 30 years. Data from superconducting gravimeters (SG) with unprecedented accuracy show systematic variations of tidal parameters. This is confirmed for all tidal wave groups at 19 different SG stations around the globe. The amplitude of variations usually is greater than the standard deviation by a factor of 2 (minimum) to 32 (maximum). One possible reason for temporal variations of tidal parameters is the limited frequency resolution combined with an improper ratio of harmonics in one group, unequally influenced by the ocean loading. The analysis model only considers the body response to tidal forces, while the data contains the ocean response (through loading) as well the other signal contributions which present additional variation of tidal parameters with frequency. This is expected to result in the modulation of the estimates since harmonics within a wave group have a distinct response to tidal forces (loading).
In this thesis I present an alternative approach to classical harmonic tidal analysis, which constrains the solution to be close to a reference model. This regularization stabilizes the linear regression, hence allowing for the inference of model parameters for each tidal harmonic. Overcoming the need to create a priori groups of harmonics, it enables individual treatment of all tidal harmonics. In this way, bias by a priori model parameterization is avoided or significantly reduced, while ill-conditioning does not pollute the solution with over-fitting. The inversion is done iteratively by adjusting the reference model to reduce the data misfit. The frequency dependence of the solution is thus data-driven. I find models for the various spherical degrees independently, which is an important aspect because the ocean loading significantly differs for each degree. The procedure allows for narrow-band variations of the tidal admittance. The significance and estimate of each parameter of concern can be tested. I demonstrate the relationship between harmonic amplitude and resolution. The impact of the regularization is carefully discussed and considered. I test the method, named RATA (Regularization Approach to Tidal Analysis), to determine a local response model from 11.5 years of data recorded by the superconducting gravimeter SG056 at Black Forest Observatory (BFO, Schiltach). As a result, I distinguish 61 significant groups of harmonics for the local tidal response model, with no clear evidence that more groups are resolvable. Some of them highly violate the Rayleigh criterion. A few harmonics that are usually separated according to the Rayleigh criterion are not proven significant. The results are tested against outcomes for the instrument’s second sensor and verified with the unconstrained inversion that uses resolved wave groups. The residual time series is smaller when compared to previous models, with no indication of over-fitting. After a successful application of this method for BFO, analyses for 5 European stations and 8 stations outside Europe are performed. The analysis of European stations confirms the consistency of the method, as well as its ability to achieve super resolution. However, the obvious consistent differences in phases and amplitudes are most likely caused by the distance to the ocean. I discover that the differences between close-frequency large-amplitude harmonics are comparable, or even smaller, than mid-amplitude distant frequency tides. The investigation of additional stations reveals significant disparities between the observed tidal response and the Earth body model assumptions. The stations located on different continents do not show similarities in their estimates. In addition, I find out that the resolution strongly depends on the quality of the data and less on the duration of the time series if it is already sufficiently long (e.g. 7 years). This is supported by the comparative analysis of only half of the data from two stations. Hence, the RATA method might be used to identify the significant contributions without a priori wave grouping assumption. In this way, the resolution power of the harmonic analysis is exploited to a much larger extent, and the risk of over-fitting is strongly reduced by considerations in the regularization method.
Until recently, it was impossible to assess the loading effects directly. While the situation has recently improved with the publications of detailed ocean tide models, I simply approximate the effect of the time-invariant ocean loading and radiation tides in the data by the local response models. An incorrect ratio of harmonics in a wave group may create a spurious periodic ‘beat’ in the synthetic tidal time series, which may easily lead to false conclusions about its reasons. The hypothesis that some of the temporal variations of tidal parameters found in previous studies were caused by inappropriate body tide models in combination with a priori wave grouping is tested. The local response model is used in a non-regularized, unconstrained moving window analysis of 12 wave groups composed from summed harmonics. It was found that the periodic variations of groups M2, K1, µ2, N2, L2, and S2 are reduced by up to a factor of 9 compared to earlier studies. Some long-period variations previously seen in the M1, O1, Q1, and J1 groups are captured as well. This was confirmed for almost all the stations, excluding Syowa, which, however, seems to not provide data of the necessary quality. The previously neglected influence of radiation tides, degree 3 tides, and significant satellite constituents were the main causes of apparent modulations in previous studies. Additional tests proved that tidal groups are well defined, so the cross-talk between parameters does not appear significant, resulting in no trade-off between estimates. The method may be used to validate how strongly given parameter contributes to the modulation.
I conclude that the vast majority of the temporal variations of tidal parameters found in previous studies were caused by inappropriate body tide models not taking effects like ocean loading or radiation into account, in combination with a priori wave grouping. I demonstrate that the application of a local model with correct adjustments explains most of the significant periodic temporal variations. Hence, a proper investigation of the remaining temporal variations to study instrument stability or time-varying contributions of ocean loading is more applicable.