Effekte von Kapazitätsmechanismen in gekoppelten Strommärkten
Zimmermann, Florian 1 1 Institut für Industriebetriebslehre und Industrielle Produktion (IIP), Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Abstract:
Das Ziel der Europäischen Union einen einheitlichen Binnenmarkt zu etablieren, sorgt u.a. für immer größere Stromhandelskapazitäten zwischen den Mitgliedsstaaten. Darüber hinaus steigt der Anteil der erneuerbaren Energien im Stromsektor weiter an. Neben der Treibhausgasneutralität weisen die erneuerbaren Energien auch sehr geringe variable Betriebskosten auf. Das führt durch den Merit-Order-Effekt zu geringeren Erlösen von disponiblen Kraftwerken. Diese Kraftwerke sind im derzeitigen Stromsystem jedoch weiterhin für eine zuverlässige Versorgung mit Strom notwendig. Um eine hohe Zuverlässigkeit des Stromsystems zu erhalten, können Marktdesigns helfen, die nicht nur den erzeugten Strom, sondern auch die gesicherte Kapazität vergüten und damit für gesicherte Erlöse der disponiblen Kraftwerke sorgen. ... mehrIm Rahmen dieser Dissertation werden deshalb verschiedene Marktdesigns vorgestellt. Da Marktdesignänderungen meist unilateral erfolgen, können Effekte auf andere Märkte entstehen, die untersucht werden.
Für die Untersuchungen im Rahmen dieser Dissertation wird ein etabliertes agentenbasiertes Strommarkt-Simulationsmodell erweitert und angewendet. Dafür wird der geografische Rahmen des Modells um weitere Märkte ergänzt, sodass nunmehr 16 europäische Länder simuliert werden können. Zudem wird das Modell methodisch durch die Integration einer langfristigen Preisvorhersage weiterentwickelt, die grenzüberschreitende Effekte von implizit gekoppelten Strommärkten für Investitionsentscheidungen berücksichtigt. Darüber hinaus wird eine Methodik zur Bestimmung des stündlichen Einsatzes der saisonalen Speicherwasserkraftwerke in das Modell integriert. Beides wird durch die geografische Erweiterung notwendig, um die regional verbreiteten Erzeugungstechnologien bzw. die Besonderheiten der modellierten Märkte abbilden zu können.
Diese Dissertation beinhaltet vier Fachbeiträge, wovon ein Beitrag die theoretischen Hintergründe der Marktdesigns und speziell Kapazitätsmechanismen beleuchtet. Die verbleibenden drei Beiträge führen jeweils eine Fallstudie mit unterschiedlichem Betrachtungsschwerpunkt (u.a. Analysen von Marktdesignoptionen, Investitionsanreizen oder grenzüberschreitenden Effekten) durch.
Die Ergebnisse zeigen, dass Energy-Only-Märkte (die nur verkaufte Energie vergüten) effizient hinsichtlich der kurzfristigen Ressourcenallokation (Kraftwerkseinsatz) funktionieren, jedoch langfristig Knappheitssignale für Investitionsanreize notwendig, aber unsicher sind. Deshalb sind Kapazitätsmärkte langfristig vorteilhafter, da sie für kontinuierliche Investitionen zur Gewährung der Angemessenheit der Erzeugungskapazitäten sorgen. Hinsichtlich der Angemessenheit der Erzeugungskapazitäten kann im Energy-Only-Markt die Implementierung einer strategischen Reserve kurz- bis mittelfristig Abhilfe schaffen, jedoch ist die Reserve langfristig eher ineffizient. Das Marktdesign und die (daraus folgenden) Investitionen können darüber hinaus langfristige grenzüberschreitende Effekte in anderen Ländern hervorrufen. Ein Kapazitätsmarkt in einem Land kann zu sinkenden Preisen am Stromgroßhandel und damit zu unrentablen Kraftwerken in benachbarten gekoppelten Marktgebieten führen, weshalb eher Kraftwerke in Ländern mit Kapazitätsmarkt angereizt werden. Jedoch scheinen mit dem weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien in Europa Abhängigkeiten von einzelnen großen Strommärkten, insbesondere bzgl. Preiskorrelationen, abzunehmen.
Abstract (englisch):
The European Union's aim of establishing a single internal market leads to increasing electricity trading capacities between the member states. Furthermore, the share of renewable energy sources in the electricity sector continues to grow. Besides their greenhouse gas neutrality, renewable energies also have low variable operating costs. Due to the merit order effect, these low costs lead to lower revenues for dispatchable power plants. However, dispatchable power plants remain necessary for a reliable supply in today's electricity system. In order to maintain the reliability of the electricity system, market design mechanisms can help not only remunerate the generated electricity but also the secured capacity and thus ensure revenues for the dispatchable power plants. ... mehrThis dissertation, therefore, presents various market designs. As market design changes are usually unilateral, effects on other markets can arise, which are examined.
An established agent-based electricity market simulation model is extended and applied for the investigations in this dissertation. For this purpose, the geographical framework of the model is enlarged so that 16 European countries can be simulated. In addition, the model is methodologically improved by integrating a long-term price forecast that considers the cross-border effects of implicitly coupled electricity markets for investment decisions. Furthermore, a methodology for determining the hourly dispatch of seasonal storage hydropower plants is integrated into the model. Both are necessary due to the geographical expansion in order to be able to represent the regionally deployed generation technologies or the particular characteristics of the modelled markets.
This dissertation contains four articles, of which one article highlights the theoretical background of market designs and capacity remuneration mechanisms. The remaining three contributions each conduct a case study with a different focus (e.g., analyses of market design options, investment incentives, or cross-border effects).
The results show that energy-only markets (in which only the energy sold is remunerated) are efficient in terms of short-term resource allocation (power plant dispatch), but in the long run, scarcity signals are necessary for investment incentives, but the signals' occurrence is uncertain. Therefore, capacity markets are more beneficial in the long run as they foster continuous investment to ensure generation adequacy. Concerning generation adequacy, in the energy-only market, implementing a strategic reserve can help in the short to medium term, but the reserve is rather inefficient in the long term. The market design and the (resulting) investments can also cause long-term cross-border effects in other countries. A capacity market in one country can lead to falling wholesale electricity prices and thus to unprofitable power plants in neighbouring coupled market areas, which is why investments in power plants in countries with capacity markets are more likely to be incentivized. However, with the further expansion of renewable energies in Europe, dependencies on single large electricity markets, especially regarding price correlations, seem to decrease.