Forschung

Einleitung
Nachdem der Begriff im 19. Jahrhundert seine spezifische Bedeutung im Bereich der Wissenschaft erhalten hatte, entwickelte sich Forschung im 20. Jahrhundert zu einem eigenständigen Grundbegriff der allgemeinen und politischen Sprache. Obwohl er weiterhin zentrale Bedeutung für den Bereich Wissenschaft besaß, reichte seine Semantik darüber hinaus. In deutschsprachigen Konversationslexika erschien Forschung erstmals in den 1950er-Jahren als Lemma.[1] Im Großen Brockhaus von 1954 wurde «Forschung» 1. als wissenschaftliche Tätigkeit, in methodischer, systematischer Weise «neue Erkenntnisse zu gewinnen», definiert,[2] 2. stand der Begriff für die Summe von Forschungsaktivitäten in ihrer institutionell komplexen Organisation und 3. für deren politisch-gesetzliche Rahmenbedingungen – genannt wurde u. a. die im Grundgesetz der Bundesrepublik garantierte Forschungsfreiheit. Der beachtliche Umfang des Artikels deutet darauf hin, dass der Brockhaus – wie für Konversationslexika üblich – erst verzögert auf den Relevanzgewinn des Begriffs im gesellschaftlichen Wortschatz reagierte.
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Wie sich die Semantik von ‹Forschung› im Verhältnis zum ↗Wissenschaftsbegriff im 20. ... mehrJahrhundert veränderte, ist eine der Leitfragen. Der veränderte Sprachgebrauch ist vor dem Hintergrund langfristiger Entwicklungen der Forschungslandschaft zu sehen. Die enzyklopädischen Beschreibungen von ‹Forschung› als spezifische Praxis der Wissensgenerierung und institutionelles Arrangement bilden bis heute den relativ stabilen semantischen Kern des Begriffs. Die Vorstellungen, wie Forschung organisiert werden sollte und welche gesellschaftlichen und politischen Erwartungen an sie geknüpft wurden, unterlagen jedoch einem Wandel. Die damit einhergehenden begrifflichen Differenzierungen waren umkämpft und ideologisch aufgeladen.
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Wie sich politische Zäsuren auf die Semantik des Forschungsbegriffs und das sich expandierende Wortfeld auswirkten, ist eine weitere zentrale Frage. Neben den Regimewechseln waren internationale Entwicklungen wie die Konkurrenz der Nationalökonomien, die militärische Relevanz von Forschung für das Wettrüsten infolge der Weltkriege sowie die Systemkonkurrenz zwischen Ost und West mit Beginn des Kalten Krieges prägend. Wie der Brockhaus-Eintrag erkennen lässt, entwickelte sich Forschung zu einem spezifischen Politikfeld. Obwohl sich erst ab den 1960er-Jahren die Bezeichnung Forschungspolitik etablierte,[3] zeichnete sich bereits seit dem späten 19. Jahrhundert ab, dass der Staat jenseits der auf die universitäre Wissenschaft konzentrierten Kultuspolitik der deutschen Länder ein gesteigertes Interesse an Forschung zeigte. Forschung wurde somit zum Gegenstand parlamentarischer und gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse.