Abstract:
Nachhaltigkeit wird in der heutigen Gesellschaft immer wichtiger, um zu einer "grüneren" Zukunft beizutragen. In der Materialwissenschaft sind Kollagene die am häufigsten vorkommende, kommerziell genutzte Proteinfamilie auf dem globalen Bioprinting-Markt. Mehrere Nachteile tierischer Kollagene erfordern die Suche nach nachhaltigen Alternativen. In dieser Arbeit wurde ein neues, veganes rekombinantes kollagenähnliches Protein (rCol) für die Erforschung verschiedener biomedizinischer Anwendungen charakterisiert, um einen Beitrag zur wachsenden Nachfrage nach neuartigen Therapien in der regenerativen Medizin zu leisten. ... mehrDer Schwerpunkt lag dabei auf Implantaten, Medizinprodukten und dem 3D-Druck von künstlichen Geweben und Organen. Um diesen Anwendungen gerecht zu werden, konzentrierte sich die Arbeit auf die Entwicklung neuartiger Hydrogelsysteme. Zu Beginn wurde rCol charakterisiert und die Grenzen des Materials identifiziert. Die im Vergleich zu Säugetierkollagenen hohe Löslichkeit (bis zu 200 mg/ml) in einem weiten pH-Bereich, die hohe Biokompatibilität und die vergleichsweise niedrige Viskosität gewährleisten eine einfache Handhabung bei Konservierung der triplehelikalen Struktur. Aufgrund des geringen Molekulargewichts musste rCol für die Hydrogelbildung chemisch vernetzt werden. Nach einer ersten Bewertung verschiedener Vernetzungsmethoden wurden zwei Vernetzer ausgewählt und detaillierter untersucht. Der Vernetzer DMTMM synthetisierte feste Hydrogele ab 10 mg/ml rCol mit einem breiten Festigkeitsbereich (1,5 - ≥42 kPa) und hoher Porosität, die ein hohes Quellverhalten ermöglichen, um ein flexibles "Weichgewebepflaster" für die Verabreichung von Medikamenten zu schaffen. Durch die Einbettung Meloxicam-beladener Mikropartikel konnte eine anhaltende Wirkstofffreisetzung gezeigt werden. Als Wirkstoffdepot bietet das Pflaster einen interessanten Ansatz, für z. B. die Krebstherapie oder Wundheilung, um einen oder mehrere Wirkstoffe simultan oder mit verschiedenen Freisetzungs-profilen abzugeben. Hybride mit bioinerten Polyethylenglykol ergaben Hydrogel mit mindestens 5 mg/ml rCol mit zellabweisenden Eigenschaften. Zusammen mit der formulierungsabhängigen biologischen Abbaubarkeit ist diese Formulierung sehr attraktiv als Barrieremembran in der Chirurgie, um das Einwachsen von Weichteilgewebe nach einer Operation zu verhindern, ohne dass eine anschließende, manuelle Entfernung erforderlich ist. Darüber hinaus wurden injizierbare Formulierungen für minimalinvasive Anwendungen und für Hautinjektionen im kosmetischen Bereich erforscht. Zusätzlich wurde rCol separat mit Norborneneinheiten (rColN) und mit primären Thiolen (rColS) für die Photopolymerisation mittels Thiol-En-Chemie chemisch modifiziert. Es wurde ein hoher Funktionalisierungsgrad (15-98%) unter Beibehaltung der Triplehelix und einer hervorragenden Biokompatibilität (83-110% Zellviabilität) erreicht. Alle Derivatisierungsschritte wurden ohne organische Lösungsmittel in einer einstufigen Reaktion bei Raumtemperatur durchgeführt und zeigten hohe Reproduzierbarkeit und hohe Ausbeuten (82-99%). Die resultierende Zweikomponententinte aus rColN und rColS zeigte eine Hydrogelbildung ab 2,5 mg/ml rColNS, einer niedrigen Photoinitiatorkonzentration (0,3 mg/ml Lithium-Phenyl-2,4,6-trimethylbenzoylphos-phinat (LAP)) und Belichtungszeiten von wenigen Millisekunden. Im Vergleich zur radikalischen Kettenwachstumspolymerisation von rColN benötigte rColNS dreimal weniger Photoinitiator und viermal weniger Kollagen, um ein Hydrogel zu bilden, was mit der hohen Umsatzrate der Photopolymerisation (86-96%) assoziiert wurde. Insbesondere die schnelle Gelbildung bei sehr niedrigen und biokompatiblen Konzentrationen an Photoinitiator macht diese Technologie für Zellverkapselungsstudien sehr attraktiv. Ein weiteres Highlight war die unerwartete breite Festigkeit (G' von 0,5 bis ≥57 kPa), die nach aktuellem Wissen bisher für kein Kollagenhydrogel veröffentlicht wurde und den nächstliegenden Stand der Technik (16 kPa) um das 3,5-fache übertraf. Dieser breite Bereich könnte sowohl für die Entwicklung von Weichgewebe als auch für steifere Implantate von Interesse sein. Darüber hinaus konnte in 2D- und 3D-Experimenten eine ausgezeichnete Biokompatibilität mit menschlichen Zellen sowie eine formulierungsabhängige und damit einstellbare biologische Abbaubarkeit nachgewiesen werden. In 3D-Zellverkapselungsexperimenten konnte die Streckung von menschlichen Fibroblasten innerhalb eines Tages und eine hohe Zellviabilität in Langzeitkulturen nachgewiesen werden. rColS war außerdem in der Lage, temperatursensitive Hydrogele zu bilden, die hinsichtlich ihrer Reversibilität und möglicher Anwendungen untersucht wurden. Während normale, hochviskose Kollagene auf den 3D-Druck durch Extrusion beschränkt sind, zeigte rColNS hervorragende Eigenschaften für niederviskose Drucktechnologien wie Stereolithografie und Jetting. Die niedrige Viskosität von rColNS gewährleistet eine einfache Handhabung bei der Verarbeitung bei Raumtemperatur, um hochtransparente Hydrogele zu synthetisieren. Soweit bekannt, wurden bisher noch keine 3D-Druckversuche mit Stereo-lithografie oder Jetting unter Verwendung der Thiol-En-Chemie mit einem rekombinanten Kollagen veröffentlicht die zum Druck stabiler zylindrischer Strukturen führten. Die Verar-beitung der rColNS-Biotinte mit Zellen über Drop-on-Demand beeinträchtigte die Zellviabilität nicht. Darüber hinaus wurde gezeigt, dass der Hybriddruck mit RESOMER® die me-chanische Festigkeit weiter erhöhen konnte, um so den Anwendungsbereich zu erweitern. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese Arbeit das neuartige rCol charakterisiert und verschiedene Vernetzungsoptionen für verschiedene biomedizinische Anwendungen evaluiert hat. Insbesondere die entwickelte rColNS-Formulierung zeigte eine ausgezeichnete Biokompatibilität und ein breites Anwendungsspektrum und wird voraussichtlich einen wichtigen Beitrag als hochwirksame, rekombinante und vegane Kollagenalternative leisten, die den 3D-Bioprinting-Markt in eine nachhaltigere Zukunft revolutionieren könnte.
Abstract (englisch):
Sustainability is becoming increasingly important in today's society to contribute to a “greener” future. In material science, collagens represent the most abundant, commercially used protein family in the global bioprinting market. Several drawbacks of standard animal-derived sourcing require the need for sustainable alternatives. In this thesis, a new, vegan recombinant collagen-like protein (rCol) was characterized for research and evaluation of various biomedical applications to contribute to the growing demand for novel therapies in regenerative medicine (improvement of patient well-being and product efficiency). ... mehrThe focus was placed on implants, medical devices and 3D printing of artificial tissues and organs. To do justice to these applications, the work concentrated on the development of new types of hydrogel systems. At the beginning, rCol was characterized and material limitations were identified (e.g. structural analyses, temperature effects on the protein structure, solubility, viscosity and biocompatibility). Compared to mammalian collagens, the high solubility (up to 200 mg/ml) in a broad pH range, the high biocompatibility and its comparably low viscosity ensures convenient material handling while ensuring a triple-helical conformation. Due to the low molecular weight, rCol required chemical crosslinking for hydrogel formation. After initial evaluation of various crosslinking methods, two crosslinkers were selected and investigated separately. The crosslinker DMTMM synthesized solid hydrogels starting from 10 mg/ml rCol with a wide range of storage moduli (1.5 - ≥42 kPa) and high porosities allowing high swelling ratios to craft a flexible "soft tissue patch" for drug delivery. By embedding meloxicam-loaded microparticles, a sustained drug release was demonstrated. As a drug de-pot, the patch offers an interesting approach, e.g. for cancer therapy or wound healing, to transport one or more active ingredients in one dosage form (with or without different release profiles). Hybrids of the naturally bioinert polyethylene glycol (PEG) with at least 5 mg/ml rCol, resulted in a hydrogel with cell-repellent properties. Together with formulation-dependent biodegradability, this formulation is very attractive for biodegradable barrier membranes in surgery to prevent soft tissue ingrowth after operation without the need for subsequent manual removal. Furthermore, injectable formulations thereof in isotonic solutions were explored for minimally invasive applications and as for skin injections in the cosmetic sector. Furthermore, rCol was chemically modified by thiol-ene chemistry to enable photopolymerization. rCol was modified separately with norbornene units (rColN) and with primary thiols (rColS). High levels of functionalization were achieved (15-98%) while maintaining the triple helix and excellent biocompatibility (83-110% cell viability). All derivatization steps were performed without organic solvents in one-step reactions at RT and showed high reproducibility and high yields (82-99%). The resulting two-component ink of rColN and rColS showed hydrogel formation at low collagen concentrations from 2.5 mg/ml rColNS, a low photoinitiator concentration (0.3 mg/ml Lithium phenyl(2,4,6-trimethylbenzoyl)phosphinate (LAP)) and exposure times of a few milliseconds. In contrast to radical chain growth polymerization of rColN, rColNS required three times less photoinitiator and four times less collagen to form a hydrogel which was associated with the high turnover rate of the photopolymerization (86-96%). In particular, the rapid gelation at very low and highly biocompatible photoinitiator concentrations made this technology very attractive for cell encapsulation studies. Another highlight was the unexpectedly wide range of stiffness (storage moduli (G') from 0.5 to ≥57 kPa), which has not been published for any collagen hydrogel and which surpassed the closest state of the art (16 kPa) 3.5 times. This wide range could be of interest for both soft tissue development and stiffer implants. Next, excellent biocompatibility with human cells (HeLa, NIH3T3, HFF and SW1353 cells) as well as formulation-dependent and thus adjust-able biodegradability could be demonstrated in 2D and 3D experiments. 3D cell encapsula-tion experiments demonstrated cellular stretching of human fibroblasts within one day and great cell viability in long-term cultures. rColS was also able to form temperature-sensitive hydrogels which were explored regarding reversibility and potential applications. While nor-mal collagens are highly viscous and therefore often limited to 3D printing by extrusion, the rColNS showed excellent properties for low-viscosity printing technologies such as stereo-lithography and drop-on-demand. The low viscosity of rColNS ensures easy handling (in-creased formulation homogeneity, avoidance of bubble entry) while handling at room tem-perature to synthesize highly transparent hydrogels. As far as known, 3D printing trials with stereolithographic processing and drop-on-demand printing have not yet been published yet using thiol-ene chemistry and a recombinant collagen which led to the printing of stable cy-lindric structures. Processing rColNS bioink with cells via Drop-on-Demand did not interfere with the cell viability. Additionally, hybrid prints with RESOMER® were demonstrated to further increase mechanical strength and extend the range of applications. In summary, this work characterized the novel rCol and evaluated different crosslinking options for diverse biomedical applications. In particular, the developed rColNS formulation showed excellent biocompatibility and a wide range of applications and is expected to make an important contribution as highly effective, recombinant and vegan collagen alternative which could revo-lutionize the 3D bioprinting market into a more sustainable future.