Abstract:
In dieser Arbeit werden NMR-spektroskopische Untersuchungen des Metaboloms zweier biologischer Systeme vorgestellt. Hierbei handelt es sich um den japanischen Reisfisch Medaka sowie humane Immunzellen.
Der erste Teil umfasst die Analyse des Stoffwechselprofils unterschiedlicher Inzucht-Stämme des Modellorganismus Medaka. Diese bieten ideale Voraussetzungen, um zu erforschen, wie das Genom sowie äußere Faktoren den Phänotyp beeinflussen und welche Rolle der Stoffwechsel in diesem Zusammenhang spielt. Während die Auswirkungen von Umweltfaktoren auf den Stoffwechsel und damit das Metabolom von Medaka bereits in zahlreichen Forschungsarbeiten betrachtet wurden, ist der Einfluss des Genoms noch weitgehend unbekannt. ... mehr
Im Rahmen dieser Dissertation wurde zunächst evaluiert, inwieweit sich der genetische Hintergrund verschiedener Medaka Inzucht-Stämme im Leber-Metabolom widerspiegelt. Hierzu wurden 1H-NMR-Spektren von Leberextrakten männlicher und weiblicher Fische der beiden Stämme HO5 und iCab aufgenommen und mittels uni- sowie multivariater statistischer Methoden verglichen. Dabei konnten zahlreiche Metaboliten identifiziert werden, deren relative Konzentration sich zwischen den Inzucht-Stämmen unterscheidet. Diese weisen auf eine unterschiedliche Aktivität diverser Stoffwechselwege hin, wie etwa den Harnstoffzyklus, das Malat-Aspartat-Shuttle, den Cori-Zyklus sowie die Melanin- und Taurinsynthese. Auch zwischen männlichen und weiblichen Fischen waren Unterschiede im Metabolom erkennbar, die zwar geringer ausgeprägt, aber dennoch signifikant waren. Die vorliegenden Ergebnisse belegen zum einen, dass das Leber-Metabolom von Medaka abhängig vom genetischen Hintergrund variiert. Zum anderen konnte gezeigt werden, dass die hier verwendete NMR basierte Methode geeignet ist, um diese subtilen Abweichungen zu erfassen. Folglich könnten NMR-basierte metabolische Untersuchungen zukünftig genomweite Assoziationsstudien an Medaka ergänzen.
Anschließend wurde das Metabolom von Medaka-Embryonen untersucht. Aus embryonalen Stammzellen der beiden Inzucht-Stämme iCab und QuiH werden, statt wie bisher üblich aus Säugetierzellen, in der Arbeitsgruppe von Prof. Joachim Wittbrodt an der Universität Heidelberg Netzhaut-Organoide entwickelt. Dies gelang allerdings bisher nur mit Stammzellen des iCab-Stammes. Somit stellt sich die Frage welchen Einfluss der genetische Hintergrund auf das Differenzierungspotenzial hat. Da im Rahmen dieser Arbeit zuvor bereits Unterschiede im Leber-Metabolom zweier Inzucht-Stämme identifiziert wurden, kann die Untersuchung des Metaboloms einen Ansatzpunkt bieten, um das unterschiedliche Differenzierungspotenzial der Zellen besser zu verstehen. Analog zu den Leberproben wurden 1H-NMR-Spektren von Embryonen des iCab- und QuiH-Stammes aufgenommen und das metabolische Profil mittels uni- und multivariater statistischer Methoden verglichen. Hierdurch konnten diverse Metaboliten identifiziert werden, deren Konzentration sich zwischen den Inzucht-Stämmen unterscheidet und die mit der Differenzierung der Zellen in Richtung retinalen Gewebes in Verbindung stehen könnten. Besonders interessant ist die Beobachtung einer höheren Konzentration von Taurin, Betain und Methionin bei iCab-Embryonen. Taurin wird nachweislich in hohen Mengen in der Netzhaut produziert und ist für die Entwicklung und den Erhalt der selbigen notwendig. Betain und Methionin sind entscheidend für epigenetische Veränderungen, welche wiederum die Zelldifferenzierung beeinflussen können. Der tatsächliche Effekt dieser Substanzen auf die Entwicklung von Netzhaut-Organoiden aus embryonalen Stammzellen von Medaka wird zum aktuellen Zeitpunkt in der Arbeitsgruppe von Prof. Wittbrodt untersucht.
Im zweiten Teil dieser Arbeit wurde anhand einer Analyse des Zellkulturmediums der Einfluss unterschiedlicher Konzentrationen des bakteriellen Endotoxins Lipopolysaccharid (LPS) auf die Entzündungsreaktion sowie den Metabolismus kultivierter humaner peripherer mononuklearer Blutzellen (PBMCs) ermittelt. LPS ist nicht nur ein bedeutender Auslöser akuter Entzündungsreaktionen nach einer bakteriellen Infektion, sondern auch niederschwelliger, nicht-infektiöser Entzündungen, deren Untersuchung Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist.
Als Erstes wurde analysiert, wie genau die Bedingungen in vitro die physiologische Umgebung der Zellen im Blut abbilden. Obwohl unphysiologische Bedingungen den zellulären Metabolismus maßgeblich beeinflussen können, wird dieser Aspekt in vielen Untersuchungen vernachlässigt. Mittels NMR-Spektroskopie wurde die Zusammensetzung des Zellkulturmediums sowie die Konzentration der einzelnen Komponenten bestimmt und mit der Menge im Blut verglichen. Dabei stellte sich heraus, dass die Bestandteile des Zellkulturmediums zwar im Wesentlichen denen von Blutserum entsprechen, die Konzentration einiger Substanzen jedoch deutlich abweicht. Diese Beobachtungen können zukünftig genutzt werden, um ein zellspezifisches Kulturmedium zu entwickeln.
Um zu evaluieren, ab welcher LPS-Konzentration ein inflammatorischer Zustand der Zellen induziert wird, wurden PBMCs durch die Arbeitsgruppe von Dr. Manuel Rodriguez Gomez am Max Rubner-Institut in Karlsruhe durch LPS in einem Konzentrationsbereich zwischen 0.001 und 0.1 ng/ml stimuliert und über mehrere Tage kultiviert. Dieser LPS-Spiegel, der weit geringer ist als bisher in einschlägigen Studien üblich, soll die Bedingungen eines niederschwelligen Entzündungszustandes möglichst realitätsgetreu abbilden. Um das Vorliegen eines pro-inflammatorischen zellulären Phänotyps beurteilen zu können, wurde die extrazelluläre Konzentration der Zytokine Interleukin-6 (IL-6) und IL-8 bestimmt. Zugleich wurde im Rahmen dieser Dissertation der Verlauf verbrauchter und neu gebildeter Substanzen im Zellkulturmedium mittels 1H-NMR-Spektroskopie und anschließender statistischer Datenauswertung analysiert. Dadurch sollte ermittelt werden, ob diese Methode ebenso wie die gängigere aber deutlich aufwendigere Untersuchung intrazellulärer Metaboliten geeignet ist, um metabolische Veränderungen nach Stimulation mit LPS zu erfassen. Bereits bei Stimulation mit der zweitniedrigsten LPS-Konzentration von 0.005 ng/ml wies die Zunahme der Konzentration an IL 6 und IL 8 auf einen pro-inflammatorischen Zustand der Zellen hin. Gleichermaßen konnte ab dieser LPS-Konzentration eine Veränderung in der extrazellulären Konzentration diverser Substanzen beobachtet werden. Besonders auffällig war die hohe Umsetzungsrate von Glucose zu Lactat. Verantwortlich hierfür dürfte die Verschiebung des Stoffwechsels vom Citratzyklus zur sogenannten aeroben Glykolyse sein, ein charakteristisches Merkmal pro-inflammatorischer Immunzellen. Eine weitere Auffälligkeit war die Sekretion von Glutamat, welches eine wichtige Rolle als Immunmodulator spielt.
Diese Beobachtungen zeigen, dass bereits extrem niedrige LPS-Konzentrationen im Bereich von Pikogramm pro Milliliter zu einer Entzündungsreaktion in humanen Immunzellen führen können. Die NMR-spektroskopische Analyse des Zellkulturmediums bietet hierbei eine einfache und schnelle Möglichkeit, die damit einhergehende Umstellung des Stoffwechsels anhand einer Vielzahl von Metaboliten zu verfolgen. Basierend auf diesen Ergebnissen kann nun begonnen werden, den Einfluss verschiedener weiterer Faktoren auf die Entstehung niederschwelliger, chronischer Entzündungen in vitro zu untersuchen.
Abstract (englisch):
This thesis presents NMR spectroscopic studies of the metabolome of two biological systems. These are the Japanese rice fish medaka and human immune cells.
The first part of this work comprises the analysis of the metabolic profile of different inbred strains of the model organism medaka. This organism provides ideal conditions to investigate how both the genome and external factors influence the phenotype, as well as the role of metabolism in this context. While the effects of environmental factors on the metabolism and thus the metabolome of medaka have been considered in numerous research studies, the influence of the genome remains largely unknown. ... mehr
Initially, it was evaluated to what extent the genetic background of different medaka inbred strains is reflected in the liver metabolome. For this purpose, 1H-NMR spectra of liver extracts from male and female fish of the two strains HO5 and iCab were recorded and compared using both univariate and multivariate statistical methods. Numerous metabolites were identified whose relative concentrations differ between the inbred strains. These indicate divergent activity of various metabolic pathways, such as the urea cycle, the malate-aspartate shuttle, the Cori cycle, as well as melanin and taurine synthesis. Differences in the metabolome were also evident between male and female fish, which, while less pronounced, were still significant. These results demonstrate that the liver metabolome of medaka varies depending on the genetic background. Moreover, it was shown that the NMR-based method described here is suitable to detect these subtle variations. Consequently, NMR-based metabolic studies could complement genome-wide association studies in medaka in the future.
Subsequently, the metabolome of medaka embryos was investigated. In the research group of Prof. Joachim Wittbrodt at the University of Heidelberg, retinal organoids are developed from embryonic stem cells of the two inbred strains iCab and QuiH and not, as is usually the case, from mammalian cells. However, success has so far been achieved only with stem cells from the iCab strain. This raises the question of how much the genetic background influences differentiation potential. Since differences in the liver metabolome of two inbred strains had already been identified in the course of this work, an examination of the metabolome might also offer insights into the distinct differentiation potential of these cells. Analogous to the liver samples, 1H-NMR spectra of embryos from the iCab and QuiH strains were recorded, and their metabolic profiles were compared using both univariate and multivariate statistical methods. In this manner, various metabolites were identified whose concentrations differ between the inbred strains and which might be related to cell differentiation towards retinal tissue. Of particular interest is the observation of higher concentrations of taurine, betaine, and methionine in iCab embryos. Taurine is known to be produced in high amounts in the retina and is necessary for its development and maintenance. Betaine and methionine are crucial for epigenetic changes, which in turn may influence cell differentiation. The actual impact of these substances on the development of retinal organoids from medaka embryonic stem cells is currently under investigation in the research group of Prof. Wittbrodt.
In the second part of this thesis, the influence of varying concentrations of the bacterial endotoxin lipopolysaccharide (LPS) on the inflammatory response and the metabolism of cultured human peripheral blood mononuclear cells (PBMCs) was determined through analysis of the cell culture medium. LPS is a significant trigger not only for acute inflammatory responses following bacterial infection, but also for low-grade, non-infectious inflammations, which are the subject of this study.
First, it was analyzed how accurately the in vitro conditions reflect the physiological environment of the cells in the blood. Although non-physiological conditions can significantly influence cell metabolism, this aspect is overlooked in many studies. To this end, the composition of the cell culture medium and the concentration of its individual components were determined using NMR spectroscopy and compared to their levels in the blood. It was found that while the components of the cell culture medium largely correspond to those in blood serum, the concentration of some substances differs significantly. These observations can be used in the future to develop a cell-specific culture medium.
To determine the LPS concentration at which an inflammatory state of the cells is induced, PBMCs were stimulated with LPS in a concentration range between 0.001 and 0.1 ng/ml and cultivated over several days by the research group of Dr. Manuel Rodriguez Gomez at the Max Rubner-Institute in Karlsruhe. This LPS level, which is much lower than commonly used in relevant studies, is intended to realistically reflect conditions of a low-grade inflammatory state. To assess the presence of a pro-inflammatory cellular phenotype, the extracellular concentrations of cytokines interleukin-6 (IL-6) and IL-8 were determined. Concurrently, within the scope of this thesis, the course of both consumed and newly formed substances in the cell culture medium was analyzed using 1H-NMR spectroscopy and subsequent statistical data evaluation. The aim was to determine whether this method, similar to the more common but also more complex examination of intracellular metabolites, could detect metabolic changes after LPS stimulation. Even at the second lowest LPS concentration of 0.005 ng/ml, the increase in the concentration of IL-6 and IL-8 indicated a pro-inflammatory state of the cells. Likewise, from this LPS concentration, changes in the extracellular concentration of various substances were observed. Particularly noticeable was the high conversion rate of glucose to lactate, likely resulting from a metabolic shift from the citric acid cycle to the so called aerobic glycolysis, a characteristic feature of pro-inflammatory immune cells. Another notable observation was the secretion of glutamate, which plays an important role as an immunomodulator.
These findings suggest that even extremely low LPS concentrations, in the picogram per milliliter range, can induce an inflammatory response in human immune cells. The NMR spectroscopic analysis of the cell culture medium provides an easy and rapid method to track the associated metabolic shift using different metabolites. Based on these results, further research can now begin to explore the influence of various other factors on the development of low-grade, chronic inflammations in vitro.