Abstract:
Flüssigkeiten nehmen eine zentrale Rolle im Kontinuum der Materiezustände ein. Die enorme Vielfalt an physikalischen und chemischen Eigenschaften, die im flüssigen Zustand zugänglich sind, unterstreicht ihre Rolle als grundlegendes Element beim Aufbau funktionaler Materialien und Systeme. Ihre inhärenten Fähigkeiten als Träger, Reaktionsmedien, dynamische und funktionale Komponenten machen Flüssigkeiten unverzichtbar in der Chemie, Biologie, Materialwissenschaft und Ingenieurwesen. Ziel dieser Arbeit ist es, die funktionale Rolle der flüssigen Phase bei der Konzeption und Entwicklung innovativer Materialien und Materialsysteme zu beleuchten und zu nutzen. ... mehrDiese Arbeit strebt danach, neue Möglichkeiten in der Schaffung und Funktionalisierung von flüssigkeitsbasierten, flüssigkeitsdurchtränkten und vollständig flüssigen Materialien zu erschließen.
Das erste Projekt stellt einen innovativen Ansatz zur Handhabung von Flüssigkeiten auf gemusterten Oberflächen vor, indem „Flüssigkeitsbrunnen“ für andere Flüssigkeiten auf Oberflächen geschaffen werden. Diese Methode erleichtert die Entwicklung dynamischer, selbstreparierender Flüssigkeitsbehälter für gezielte chemische Extraktion und Materialformung, eröffnet neue Wege für präzise Flüssigkeitsmanipulation in Mikrofluidikgeräten und zeigt darüber hinaus das Potenzial von Flüssigkeiten für komplexe Flüssigkeitsmusterung. Einzigartige Eigenschaften werden durch den flüssigen Zustand von Wasserwänden präsentiert, die mit festen Barrieren schwer zu erreichen sind. Die Eigenschaften und das Verhalten von Flüssigkeitsbrunnen werden mittels Raman-Spektroskopie, Kontaktwinkelgoniometrie, Simulationen und Laser-Konfokalmikroskopie sowie verschiedenen Stabilitätstests untersucht. Flüssigkeitsbrunnen ermöglichen die komplexe Verdrängung von Flüssigkeiten mit niedriger Oberflächenspannung (engl. LSTLs) mit präziser Volumenkontrolle. Sie werden als Schablonen in der wassertemplierten Polymerisation verwendet, um Polymere zu formen, wobei die Wasserwand leicht entfernt und neu geformt werden kann für schnelles Prototyping von Polymerfilmen. Die Verwendung von Wasser als durchströmbare, recycelbare Barriere dient der Trennung organischer Moleküle. Simulationen werden angewendet, um die Stabilität der Dreiphasen-Kontaktlinie zu untersuchen, die durch Oberflächenspannungsänderungen aufgrund der Gibbs-Adsorption erleichtert wird. Abschließend bietet dieser Ansatz eine allgemeine, fluorfreie und umweltfreundliche Methode zur Erstellung vollständig flüssiger, funktionaler und selbstheilender Kompartimente für die Einkapselung und Musterung von LSTLs.
Im zweiten Projekt liegt der Fokus auf flüssigkeitsdurchtränkten Materialien, Organogelen, wobei die Infusion verschiedener organischer Flüssigkeiten in 3D-gedruckte Polymere verwendet wird, um die physikalischen und mechanischen Eigenschaften der Organogele zu modulieren. Durch einen nach dem Drucken durchgeführten Quellprozess werden die Eigenschaften eines Polymer-Netzwerks von hochadhäsiv zu rutschig überführt, indem hydrophobe Lösungsmittel, einschließlich mittelkettiger Alkohole, Toluol und Öle, verwendet werden. Dies bewirkt, dass die Organogele von vollständiger Adhäsion zu verschiedenen Graden der Rutschigkeit übergehen, bis die Adhäsion vollständig eliminiert wird. Zusätzlich wird das Quellen in Lösungsmitteln mit unterschiedlichen Schmelzpunkten hinsichtlich seiner Fähigkeit untersucht, das thermo-mechanische Verhalten der Organogele zu modifizieren, ihre thermische Stabilität über einen breiten Temperaturbereich (von -30°C bis 25 und von 25 bis 100°C) zu erweitern und reversible Verhärtungs-Weichungs-Zyklen mit lösungsmittelabgestimmten Übergangstemperaturen zu ermöglichen. Die Eigenschaften der Organogele werden mit Methoden wie optischer Mikroskopie, UV-Vis-Spektroskopie, Rotationsrheometrie, Kontaktwinkelgoniometrie und Quelltests untersucht. Durch Variieren der Arten organischer Flüssigkeiten und Anpassen der 3D-Druck- und Nachbearbeitungsbedingungen beleuchtet die Studie die Beziehung zwischen Lösungsmittelmerkmalen und Organogel-Verhalten und bietet eine lösungsmittelunabhängige vielseitige Organogel-Herstellungsmethode zur weiteren Steigerung ihrer Anwendbarkeit in Mikrofluidik, weicher Robotik oder Extraktionsanwendungen.
Der dritte Abschnitt der Arbeit untersucht die Einbeziehung von flüssigen Porogenen beim 3D-Druck von porösen Polymeren. Die durch Polymerisation ererbte Porosität und eine wohldefinierte makroporöse Geometrie, geschaffen mittels DLP 3D-Druck und kritischer Punkt-Trocknung, werden mit einer computergestützten Studie der simulierten Steifigkeit basierend auf Bildern der Rasterelektronenmikroskopie des Basismaterials kombiniert. Durch Ändern der Tintenzusammensetzung und der Druckparameter wird der Einfluss von Porengröße und relativer Dichte auf die Struktursteifigkeit überwacht. Die simulierten Steifigkeitswerte für das Basispolymer stimmen mit den experimentell bestimmten elastischen Eigenschaften überein. Diese werden in Nanoindentationstests mit Youngs-Modulen von 554 bis 722 MPa basierend auf dem Co-Lösungsmittel-Verhältnis erhalten, was die Struktur-Eigenschafts-Beziehung validiert. Die Einführung von Makroporosität in Form einer 3D-tetraedrischen, biegedominierten Architektur führt zu spezifischen Youngs-Modulen von 79,5 MPa cm3 g-1, was mit Schäumen vergleichbar ist. Dieser Ansatz unterstreicht die entscheidende Rolle von flüssigen Porogenen bei der Definition der Morphologie und Funktionalität der endgültigen Polymerstrukturen und ebnet den Weg für ihren Einsatz in Anwendungen, die spezifische mechanische Eigenschaften erfordern, wie leichte Strukturkomponenten und katalytische Träger.
Jeder Abschnitt dieser Forschung demonstriert nicht nur die einzigartigen Anwendungen von Flüssigkeiten in der Materialwissenschaft, sondern fördert auch das Feld durch die Einführung neuer Methodologien und die experimentelle, theoretische und rechnerische Erforschung der Wechselwirkungen zwischen Flüssigkeit und Material. Durch diese Erkundungen unterstreicht die Forschung das transformative Potenzial von Flüssigkeiten bei der Überbrückung traditioneller und innovativer Materialklassen und setzt einen neuen Maßstab für die Nutzung von Flüssigkeitseigenschaften im Streben nach bahnbrechenden Materiallösungen.
Abstract (englisch):
Liquids occupy a central role in the continuum of material states. The vast diversity of physical and chemical properties accessible in the liquid state underscores their role as a foundational element in the construction of functional materials and systems. The inherent abilities as carriers, reaction media, and dynamic and functional components, make liquids indispensable across chemistry, biology, material science, and engineering applications. The objective of this work is to illuminate and exploit the functional role of the liquid phase in the conception and development of innovative materials and material systems. ... mehrThis work seeks to unlock new possibilities in the creation and functionalization of liquid-derived, liquid-infused, and all-liquid materials.
The first project introduces an inventive approach to liquid containment on patterned surfaces, creating "liquid wells" for other liquids on surfaces. This method facilitates the development of dynamic, self-repairing liquid containers for targeted chemical extraction and material shaping, opening up new avenues for precision liquid manipulation in microfluidic devices and beyond, showcasing the potential of liquids for complex liquid patterning. Unique properties are presented by the liquid state of water walls, which are difficult to achieve with solid barriers. The properties and behaviour of liquid-liquid wells are investigated by Raman spectroscopy, contact angle goniometry, simulations, and confocal laser scanning microscopy, as well as various stability tests. Liquid wells enable the complex displacement of low surface tension liquids (LSTLs) with precise volume control. They are utilized as templates in water-templated polymerization to shape polymers, with the water wall being easily removed and reformed for rapid polymer film prototyping. The use of water as a perfusable recyclable barrier is used in separating organic molecules. Simulation efforts are applied to investigate the stability of the three-phase contact line (air-organic-water), which is shown to be facilitated by surface tension changes due to Gibbs adsorption. In conclusion, this approach offers a general, fluorine-free, and eco-friendly method for creating fully liquid, functional, and self-healing compartments to confine and pattern LSTLs.
In the second project, the focus shifts to liquid-infused materials, organogels, where the infusion of various organic liquids into 3D-printed polymer is used to modulate the organogels' physical and mechanical properties. By employing a post-printing swelling process, the properties of a polymer network are shown to be transitioned from highly adhesive to slippery through the use of hydrophobic solvents, including medium-chain alcohols, toluene, and oils. This caused the organogels to shift from complete adhesion to varying degrees of slipperiness, eventually eliminating adhesion entirely. Additionally, swelling in solvents with different melting points is investigated regarding its ability to modify the thermo-mechanical behaviour of the organogels, extending their thermal stability across a broad temperature range (from -30°C to 25 and from 25 to 100°C) and enabling them to undergo reversible hardening-softening cycles with solvent-tuned transition temperatures. The properties of organogels are examined by such methods, as optical microscopy, uv-vis spectroscopy, rotational rheometry, contact angle goniometry, and swelling tests. By varying the types of organic liquids and adjusting the 3D-printing and post-processing conditions, the study elucidates the relationship between solvent characteristics and organogel behavior and offers a solvent-independent versatile organogel fabrication method for further enhancement of their applicability in microfluidics, soft robotics, or extraction applications.
The third chapter of the work explores the incorporation of liquid porogens in the 3D printing of porous polymers. The polymerization-inherited porosity and a well-defined macroporous geometry created using DLP 3D-printing and critical point drying, are combined with a computational study of simulated stiffness based on scanning electronic microscopy images of the base material. By altering ink composition and printing parameters, the impact of pore size and relative density on structure stiffness is monitored. The simulated stiffness values for the base polymer are found to align with the experimentally determined elastic properties obtained in nanoindentation tests, with Young's moduli ranging from 554 to 722 MPa based on the co-solvent ratio, thus validating the structure-properties relationship. The introduction of macroporosity, in the form of a 3D tetrahedral bending-dominated architecture, yields specific Young's moduli of 79.5 MPa cm3 g-1, which is comparable with the stiffness of foams. This approach highlights the critical role of liquid porogens in defining the morphology and functionality of the final polymer structures, paving the way for their use in applications requiring specific mechanical characteristics, such as lightweight structural components, and catalytic supports.
Each segment of this work not only demonstrates the unique applications of liquids in material science but also attempts to advance the field through the introduction of novel methodologies and the experimental, theoretical, and computational exploration of liquid-material interactions. Through these explorations, this work underscores the transformative potential of liquids in bridging traditional and innovative material classes, setting new benchmars for the utilization of liquid properties in the quest for cutting-edge material solutions.