Demand Response - interdisziplinäre Analyse der Anfänge intelligenter Steuerung der Elektrizitätsnachfrage privater Haushalte

Die Maßnahmen zur Erreichung der klima- und umweltpolitischen Emissionsminderungsziele im Energie- und Transportsektor stellen das Elektrizitätssystem vor neue Herausforderungen. Zu diesen Maßnahmen zählen, u. a. die zunehmende Bereitstellung von Elektrizität aus fluktuierenden erneuerbaren Energie-quellen und die Integration von Elektromobilen ins Elektrizitäts-system. Zur Wahrung der Systemstabilität bei gleichzeitiger Transformation des Energiesystems werden mehrere Lösungs-pfade diskutiert, die sich nicht ausschließen, sondern bestenfalls ergänzen. Allen diesen Lösungspfaden ist gemein, dass sie einen gewissen Grad an “Intelligenz” und Steuerung mithilfe von IKT erfordern – unabhängig davon auf welcher Ebene der Wertschöpfungsstufe sie zum Einsatz kommen, sei es bei der Erzeugung, beim Transport, bei der Speicherung, der Bereitstellung oder bei der Nachfrage. Die vorliegende Arbeit fokussiert auf die Nachfrageseite. Sie ergründet, inwieweit sich die Elektrizitätsnachfrage privater Haushalte, unter Berücksichtigung ihrer Entscheidungsprozesse und ihres Verhaltens, gestalten lässt (Demand Response, DR) – unter dem Einsatz von Anreizmechanismen, unter dem Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) und unter Berücksichtigung des Mobilitätsverhaltens.
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Das interdisziplinäre Forschungsdesign sieht einen Mix sozial- und wirtschaftsingenieurswissenschaftlicher Methoden vor: (1) Im ersten Schritt wird die Verhaltensabsicht (d. h. die Absicht die Elektrizitätsnachfrage anzupassen) potenzieller Nutzer qualitativ ergründet, um Ansatzpunkte für die Gestaltung einer Labor- sowie einer Feldstudie abzuleiten. (2) Im zweiten Schritt wird das tatsächliche Verhalten (d. h. die Elektrizitätsnachfrage bei gleichzeitigem Einsatz von Anreizmechanismen) unter (quasi-) realen Bedingungen gemessen, beobachtet sowie mit qualitativen Daten untermauert. (3) In einem dritten Schritt wird das tatsächliche Verhalten mit dem rationalen Verhalten, welches modelliert wird, verglichen.
Die Arbeit zeigt, dass die Verhaltensabsicht für DR geprägt ist von monetären wie auch ökologischen Vorteilen. Gleichzeitig wird die Verhaltensabsicht durch vermutete Einbußen in Alltragsroutinen und Sorgen hinsichtlich Datenschutz beim potenziellen Einsatz von IKT gehemmt.
Diese Motive bestätigen sich bei realen Nutzern sowohl im Labor (quasi-reale Wohnsituation) als auch im Feld (Testfeld Elektromobilität). Die Elektrizitätsnachfrage wird in beiden Studien tatsächlich angepasst – am stärksten beim Einsatz von Tarifmodellen mit Preisanreiz (mit Präferenz für zeitvariable Zonentarife), in Kombination mit IKT-Unterstützung und gepaart mit Informationen zu ökologischen Vorteilen. Gleichzeitig sind nicht alle Anwendungen zur Lastverlagerung geeignet (etwa Beleuchtung oder TV). Größere Haushaltsgeräte, wie etwa Waschmaschine, als auch das Laden des Elektromobils eignen sich hingegen durchaus, werden zu großen Teilen zu preisgünstigen Zeiten genutzt. Auf die Anwendungen wird allerdings zu keinem Zeit-punkt verzichtet, bspw. das Elektromobil bei hohem Tarif nicht zu laden und auf die Folgefahrt zu verzichten. Entsprechend können die vermuteten Einbußen real nicht beobachtet werden.
Es überrascht nicht, dass sich das im Labor und Feld beobachtete Verhalten (Verschiebung der Elektrizitätsnachfrage) auch im Optimiermodell bei rationaler Entscheidung und vollständiger Voraussicht zeigt. Umgekehrt überrascht es durchaus wie nah das reale am rationalen Verhalten liegt. So kann im Laborumfeld beinahe dasselbe preissensible Nachfrageverhalten gemessen werden wie in einem modellierten Haushalt. Dies trifft insbesondere für Ladelasten unter Einsatz der IKT zu.
Im Ergebnis kommt die Arbeit zum Schluss, dass DR (also die Steuerung der Elektrizitätsnachfrage) bei privaten HH, insbesondere bei zukünftig mehr Elektromobilen, ein wichtiger Baustein zur Transformationsgestaltung des Energiesystems sein kann. Erforderlich hierfür ist ein entsprechend ausgestaltetes Anreizsystem, das neben monetären Vorteilen, vor allem eine nutzerfreundliche Informationsaufbereitung bietet, die die ökologischen Vorteile vermittelt und die Zusammenhänge im Kontext der stärkeren Integration erneuerbarer Energien darstellt. Letzteres wird insbesondere für das Aufladen von Elektromobilen von den Nutzern und Nutzerinnen erwartet.
Die Vorteile durch DR können für das Energiesystem aber nur ausgeschöpft werden, wenn diese systemisch sind, was eine Digitalisierung auch anderer Wertschöpfungsstufen erfordert und neue Geschäftsmodelle, auch in Kooperation, ermöglicht. So ist dann insgesamt eine Lösung für die technische Zuverlässigkeit und Datensicherheit zu finden. Gerade letzteres ist ein Umsetzungshemmnis für DR – das zeigen die Befragungsdaten sowohl der potenziellen als auch der realen Nutzer und Nutzerinnen.
Wie andere Arbeiten, unterliegt auch diese, gewissen Grenzen, die u. a. im gewählten Methodenmix, in der Stichprobenauswahl, in der Auswahl der Sekundärdaten, in der (technischen) Gestaltung des Labor- und Feldtests liegen. So eröffnen diese Grenzen aber auch Ansatzpunkte für weitere Forschung, etwa bei der Gestaltung von DR mit Elektromobilen (bspw. Nutzung der Potenziale als mobile Speicher etwa in bidirektionalen Ladestrategien).