Abstract:
Werkstoffe im System Mo-Si-Ti sind vielversprechende Kandidaten für Anwendungen bei hohen
Temperaturen und in extremen Umgebungen wie etwa Gasturbinen. Mehrere Legierungen
haben geeignete Eigenschaften in Bezug auf die mechanischen Parameter sowie die Korrosions-
und Oxidationsbeständigkeit gezeigt. Die Entwicklung von Legierungen in diesem System ist
jedoch eine anspruchsvolle Aufgabe, da sie oft schädliche, extrem spröde Phasen beinhalten
und viele der nützlichen Phasen anfällig für katastrophale Oxidation sind. Daher müssen
die Phasen, welche die potenziellen Werkstoffe aufbauen, sowie ihre Zusammensetzungen
... mehr
und Phasenanteile sorgfältig aufeinander abgestimmt werden. Zu diesem Zweck kann die
CALPHAD-Methode verwendet werden. Zwar gibt es einen thermodynamischen Datensatz für
das System Mo-Si-Ti, doch hat die Analyse wärmebehandelter Proben gezeigt, dass er für die
für Gasturbinenanwendungen wichtigsten Bedingungen, d. h. Temperaturen zwischen 1300 und
1600 K und Si-Konzentrationen unter 37,5 at.%, optimiert werden sollte.
Aus diesem Grund wurde in dieser Arbeit der metallreiche Bereich des Mo-Si-Ti-Systems
experimentell untersucht. Die Proben wurden durch Vakuumlichtbogenschmelzen hergestellt
und mittels Rasterelektronenmikroskopie, energiedispersiver Röntgenspektroskopie, Elektronen-
strahlmikroanalyse, Röntgenbeugung, optischer Emissionsspektroskopie mit induktiv gekoppeltem
Plasma und Trägergasheißextraktion analysiert. Für das Tempern und anschließende Abschrecken
wurde ein neuartiger Ofen entwickelt und erprobt. Es wurde darauf geachtet, dass das Risiko
einer Verunreinigung der Proben so gering wie möglich ist. Die Proben wurden sowohl im
Gusszustand als auch nach 330 h Glühen bei 1573 K untersucht. Im gegossenen Zustand bestand
das Ziel darin, die Genauigkeit der Liquidusprojektion und der Scheil-Erstarrungsberechnungen
zu bewerten, die mit dem vorhandenen Datensatz durchgeführt wurden. Es zeigte sich, dass die
Übereinstimmung zwischen Experimenten und Berechnungen im Allgemeinen recht hoch war
und die meisten Mikrostrukturentwicklungen genau vorhergesagt werden konnten. Einige Proben
wiesen Abweichungen von den vorhergesagten Mikrostrukturen auf, was jedoch in den meisten
Fällen nicht auf größere Probleme im Datensatz zurückzuführen war. Vielmehr handelte es sich
um leichte Verschiebungen der ternären Reaktionstemperaturen oder der Position der Maxima
an den Kanten doppelter Sättigung, die beispielsweise zu einer Unterschätzung der Phasenanteile
bestimmter Phasen führten. In einigen wenigen Fällen wiesen die Mikrostrukturen jedoch
Merkmale auf, die mit dem Datensatz nicht berechnet werden können, was darauf hindeutet, dass in bestimmten Regionen andere Reaktionen als die berechneten ablaufen könnten.
Die Auswirkung der Abkühlgeschwindigkeit auf Mo-Si-Ti-Proben wurde untersucht. Dazu
wurden die Proben in einem zweistufigen Verfahren geglüht. Zunächst wurden die Proben
wärmebehandelt und dann im Ofen abgekühlt. Diese Proben wurden analysiert, bevor sie
erneut bei der gleichen Temperatur geglüht wurden. Dieses Mal wurden die Proben in Wasser
abgeschreckt. Ein Vergleich der Mikrostruktur und der Phasenzusammensetzung derselben
Proben in beiden Zuständen ergab, dass die Abkühlungsgeschwindigkeit für Mo-Si-Ti-Proben
relativ unbedeutend ist, was vermutlich auf die langsame Diffusion im System zurückzuführen
ist.
Die Analyse der wärmebehandelten Proben ergab, dass die Zusammensetzung der Phase
Mo3Si mit einem durchschnittlichen Si-Gehalt von 23 at.% durchweg unterstöchiometrisch
ist. Da dies nicht korrigiert werden kann, ohne das Modell des zugrunde liegenden binären
Datensatzes zu ändern, wurde nach einer gründlichen Literaturrecherche beschlossen, das Mo-
Si-System neu zu optimieren. Die Phase Mo3Si wurde sowohl als stöchiometrische Phase
mit der experimentell beobachteten Zusammensetzung als auch mit einem Untergittermodell
modelliert, welches die tatsächliche Defektstruktur repräsentiert und einen Homogenitätsbereich
zulässt. Darüber hinaus wurde das Modell von Mo5Si3 so gewählt, dass die Kristallographie
der Phase so korrekt wie möglich dargestellt wird. Des Weiteren wurden zum ersten Mal
Wärmekapazitätsdaten verwendet, um das System zu optimieren. Es wurde gezeigt, dass alle
zuverlässigen experimentellen Daten aus der Literatur durch die Berechnungen mit dem neuen
Datensatz gut repräsentiert werden konnten.
Die Untersuchung des isothermen Schnittes des ternären Systems bei 1573 K zeigte, dass
sich viele Proben nach 330 h wärmebehandeln nicht im thermodynamischen Gleichgewicht
befanden. Dies war insbesondere dann der Fall, wenn das Gefüge nach der Erstarrung
aus vielen kleinen Körnern bestand oder wenn sich während der Erstarrung viele Nicht-
Gleichgewichtsphasen gebildet hatten. In manchen Fällen war der Nichtgleichgewichtszustand
durch das Vorhandensein von mehr als drei Phasen offensichtlich, aber in einigen Fällen war
eine XRD-Analyse erforderlich, um festzustellen, dass Nichtgleichgewichtsphasen vorhanden
waren. In einigen Fällen änderte sich das Gefüge auch nach 330 h nicht. Dennoch wurden viele
andere Phasengleichgewichte in dem System bestätigt, und ihre genaue Lage wurde in einigen
Fällen präziser definiert als zuvor in der Literatur beschrieben. Die Stöchiometrieabweichung
von Mo3Si konnte für das ternäre System bestätigt werden, und es wurde festgestellt, dass
die β-Phase deutlich mehr Si löst als bisher angenommen. Letztere Erkenntnis ist besonders
vielversprechend für die künftige Legierungsentwicklung, da die Konzentration des in β gelösten
Si einen erheblichen Einfluss auf die Korrosionsbeständigkeit der Legierungen hat.
Auf der Grundlage der experimentellen Ergebnisse, der Neuoptimierung des Mo-Si-Systems
und einer gründlichen Analyse der verfügbaren Literatur über das ternäre System wurde eine
neue Modellierung im Mo-Si-Ti-System durchgeführt. Die Neuoptimierung beschränkte sich auf den metallreichen Bereich, da Si-Gehalte von mehr als 37,5 at.% für die Fragestellung dieser
Dissertation irrelevant sind. Es konnte gezeigt werden, dass der neu entwickelte Datensatz
die zuverlässigen experimentellen Ergebnisse, namentlich die isothermen Schnitte bei 1573
und 1873 K, sehr gut wiedergibt. Ebenso scheinen die invarianten Reaktionen in diesem
Bereich des Systems, obwohl nie direkt experimentell untersucht, sehr plausibel berechnet.
Die Liquidusprojektion ist ebenfalls akzeptabel, und es hat sich gezeigt, dass die Scheil-
Erstarrungsberechnungen in der Lage sind, die Mikrostrukturen von Legierungen vorherzusagen,
die durch Vakuumlichtbogenschmelzen hergestellt werden. Somit kann der neu optimierte
Datensatz verwendet werden, um Legierungen im metallreichen Bereich des Systems mit hoher
Genauigkeit zu entwickeln.
Abstract (englisch):
Engineering materials in the Mo-Si-Ti system are promising candidates for applications at
high temperatures and in extreme environments such as gas turbines. Several alloys have
shown suitable properties in terms of mechanical parameters as well as corrosion and oxidation
resistance. However, alloy design in this system is challenging due to the presence of highly brittle
detrimental phases and the fact that many beneficial phases are prone to catastrophic oxidation.
Therefore, the constituent phases of potential materials, as well as their compositions and phase
... mehrfractions, must be carefully tailored. The CALPHAD approach can be used for this purpose.
While a thermodynamic dataset exists for the Mo-Si-Ti system, the analysis of annealed samples
has shown the need to refine it for the conditions most relevant to gas turbine applications, i.e.
temperatures between 1300 and 1600 K and Si concentrations below 37.5 at.%.
Therefore, the metal-rich region of the Mo-Si-Ti system was experimentally investigated. Samples
were prepared by vacuum arc melting and analyzed by scanning electron microscopy, energy
dispersive X-ray spectroscopy, electron probe microanalysis, X-ray diffraction, inductively
coupled plasma optical emission spectroscopy, and carrier gas hot extraction. A novel type
of furnace was developed and tested for annealing and subsequent quenching. Care has been
taken to ensure that the risk of contamination of the samples was as low as possible. The
samples were investigated both in the as-cast state and after annealing for 330 h at 1573 K. In
the as-cast state, the objective was to evaluate the accuracy of the liquidus projection and Scheil
solidification calculations performed with the existing dataset. It was found that the agreement
between experiments and calculations was generally quite high and most of the microstructure
evolution could be accurately predicted. Some samples showed deviations from the predicted
microstructures, but in most cases this was not due to major problems in the dataset. Rather,
it was due to slight shifts in ternary reaction temperatures or the position of maxima at the
edges of double saturation which, for example, led to an underestimation of the phase fractions
of certain phases. In a few cases, however, the microstructures showed features that cannot be
calculated with the dataset, suggesting that other reactions than those calculated may occur in
certain regions.
The effect of the cooling rate on Mo-Si-Ti samples was investigated. This was done by annealing
samples in a two-step process. First, the samples were annealed and then furnace cooled. These
samples were analyzed before being annealed again at the same temperature. This time the
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samples were quenched in water. By comparing the microstructure and phase composition of the
same samples in both states, it could be concluded that the cooling rate is quite insignificant for
Mo-Si-Ti samples, likely due to the slow diffusion in the system.
Analysis of the annealed samples revealed that the composition of the phase Mo3Si was
consistently off-stoichiometric with an average Si content of 23 at.%. Since this cannot be
corrected without changing the model in the underlying binary dataset, it was decided after a
thorough literature search to reassess the Mo-Si system. The phase Mo3Si was modeled either as
a stoichiometric phase with the experimentally observed composition, or with a sublattice model
representing the defect structure and allowing for a homogeneity range. In addition, the model
of Mo5Si3 was chosen to represent the crystallography of the phase as accurately as possible.
Furthermore, heat capacity data were used for the first time to optimize the system. It was shown
that all reliable experimental data from the literature could be well represented by the calculations
with the new dataset.
Examination of the isothermal section of the ternary system at 1573 K revealed that many
of the samples were not in thermodynamic equilibrium after heat treatment for 330 h. This
was especially the case when the microstructure after solidification consisted of many small
grains or when many non-equilibrium phases were formed during solidification. Sometimes the
non-equilibrium state was obvious from the presence of more than three phases, but sometimes
XRD analysis was required to determine that non-equilibrium stable phases were present. In
some cases, the microstructures did not change at all. Nevertheless, many other equilibria in
the system were confirmed and their exact locations were in some cases more precisely defined
than previously described in the literature. The off-stoichiometry of Mo3Si could be confirmed
for the ternary system, and it was found that the β phase dissolves significantly more Si than
previously assumed. The latter finding is particularly promising for future alloy development,
since the concentration of Si dissolved in β has a significant influence on the corrosion resistance
of the alloys.
Based on the experimental results, the reassessment of the Mo-Si system and a thorough analysis
of the available literature on the ternary system, a new modeling in the Mo-Si-Ti system was
performed. The reassessment was limited to the metal-rich region, since Si contents higher than
37.5 at.% are irrelevant to the research question of this dissertation. It could be shown that the
newly developed dataset reflects the reliable experimental results, namely the isothermal sections
at 1573 and 1873 K, very well. Likewise, the invariant reactions in this region of the system,
although never directly experimentally investigated, seem very reasonable as calculated. The
liquidus projection is also reasonable, and it has been shown that Scheil solidification calculations
are capable of predicting the microstructures of alloys produced by vacuum arc melting. Thus,
the reassessed dataset can be used to design alloys in the metal-rich region of the system with
high accuracy.