Welche Rolle spielt Vertrauen für die Risikowahrnehmung von Rezipient*innen in verschiedenen Kommunikationskontexten?

Vor dem Hintergrund eines erodierenden Vertrauens in staatliche Institutionen erscheint die Frage nach Faktoren, die das Vertrauen in Institutionen (des Strahlenschutzes) erhöhen können, gesellschaftlich
relevant. Ziel des vorliegenden Projekts war es, Erkenntnisse über die Voraussetzungen und Wirkung von Vertrauen im Bereich des Strahlenschutzes zu gewinnen. Behandelt wurden folgende Fragestellungen:
1) Was sind Gründe und Faktoren für Vertrauen in Institutionen des Strahlenschutzes?
2) Wie wirkt sich die (Online-)Kommunikationspraxis des BfS auf das Vertrauen in das BfS aus?
3) Und wann bzw. unter welchen Bedingungen wird sie als vertrauenswürdig wahrgenommen?
4) Beeinflusst Vertrauen die Wahrnehmung und Bewertung von Strahlenrisiken?
5) Welche Strategien zur Verbesserung des Vertrauens in Behörden des Strahlenschutzes lassen sich
ableiten?
Um die Forschungsfragen beantworten zu können, wurde ein dreistufiger Mixed-Methods-Forschungsansatz gewählt. Aufbauend auf den Ergebnissen einer umfangreichen Literaturrecherche (Arbeitspaket 1) wurden 40 qualitative Leitfadeninterviews (Arbeitspaket 2) durchgeführt, deren Befunde zusammen mit denen aus der Literaturrecherche wiederum als Grundlage für eine quantitative, standardisierte Online-Umfrage dienten (Arbeitspaket 3), um die Erkenntnisse der ersten beiden Arbeitspakete auf ihre Verallgemeinerbarkeit zu prüfen. ... mehrIm Rahmen der Online-Umfrage wurde eine struktur-identische, für ausgewählte soziodemographische Merkmale repräsentative, Stichprobe in Deutschland in Privathaushalten lebender Personen ab 18 Jahren befragt (n = 1.011 Personen).
Zu 1) Die Ergebnisse der Recherchen und Analysen legen nahe, dass Vertrauen als komplexes, mehrdimensionales Konstrukt zu verstehen ist, das zudem veränderbar ist, etwa durch persönliche Erfahrungen. Zu den wichtigsten Vertrauensdimensionen zählen die wahrgenommene Expertise, das Wohlwollen, die Integrität, die Transparenz und die Dialogbereitschaft des Vertrauensnehmers. Am Beispiel des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) konnte gezeigt werden, dass verschiedene Faktoren das Vertrauen in eine staatliche Institution beeinflussen können. Am stärksten wurde das Vertrauen in das BfS vom Vertrauen der Befragten in Wissenschaft und in staatliche Institutionen beeinflusst (je höher, desto höher das Vertrauen in das BfS). Moderate Korrelationen zeigten sich mit der Bekanntheit des BfS unter den Befragten und der Bekanntheit des jeweiligen Strahlenthemas sowie mit dem interpersonalen Vertrauen der Befragten (je unbekannter oder geringer, desto geringer auch das Vertrauen in das BfS). Schwache Korrelationen zeigten sich zwischen dem Vertrauen in das BfS und dem Alter der Befragten (je älter, desto geringer) sowie mit der Bewertung des rezipierten BfS-Kommunikationsmaterials (je besser, desto höher).
Zu 2) Zudem zeigen die Analysen signifikante Effekte der Rezeption von (Online-)Kommunikationsmaterial des BfS auf das Vertrauen in dieses. Das Vertrauen in das BfS erhöhte sich nach der Rezeption von BfS-Videomaterial signifikant. Zusätzlich wurden weitere strahlenschutzrelevante Aspekte durch die Rezeption von BfS-Kommunikationsmaterial beeinflusst: Die Befragten schätzten danach die Relevanz des Themas Strahlenschutz signifikant höher ein, fühlten sich signifikant besser über das jeweilige Strahlenthema informiert und glaubten auch häufiger, sich selbst vor Risiken durch Strahlung schützen zu können sowie vom BfS vor solchen Risiken geschützt zu werden. Auch signifikante Effekte auf die Wahrnehmung der Risiken durch Strahlung konnten festgestellt werden (eine Verringerung der Risikowahrnehmung der gesundheitlichen Auswirkungen von Mobilfunkstrahlung und eine Erhöhung der Risikowahrnehmung im Falle von Radon).
Zu 3) Das BfS-Kommunikationsmaterial wurde insbesondere dann als vertrauenswürdig empfunden, wenn es den Rezipient*innen leicht verständlich, aktuell, sachlich und faktenbasiert, verlässlich, nicht interessengeleitet und transparent erschien und/oder einen Bezug zu ihrem Lebensalltag aufwies und professionell gestaltet wirkte.
Zu 4) Zwischen dem Vertrauen der Befragten und ihrer Risikowahrnehmung und Besorgnis bezüglich etwaiger gesundheitlicher Auswirkungen von Strahlung zeigten sich signifikante, wenn auch lediglich schwache, Korrelationen. Insbesondere das Vertrauen in das BfS sowie in staatliche Institutionen und in Wissenschaft korrelierte mit der Risikowahrnehmung und Besorgnis. Je höher das Vertrauen der Befragten in das BfS, staatliche Institutionen oder in Wissenschaft und Forschung, desto geringer fiel ihre Risikowahrnehmung und Besorgnis bezüglich Mobilfunkstrahlung aus und desto höher fiel ihre Risikowahrnehmung bezüglich Radon aus. Die Richtung des Zusammenhangs ist jedoch nicht eindeutig zu bestimmen. Es erscheint plausibel, Vertrauen sowohl als potenziell beeinflussende als auch als potenziell abhängige Variable zu betrachten.
Zu 5) Als Strategien zur Verbesserung des Vertrauens in Behörden des Strahlenschutzes lassen sich, basierend auf den Ergebnissen der vorliegenden Analysen, u. a. ableiten, dass eine Erhöhung der Bekanntheit und des Kontakts dieser Institutionen mit den Bürger*innen (etwa durch die Kommunikation auf verschiedenen Kanälen) sich positiv auf das Vertrauen in die Behörden auswirken kann, ebenso wie eine gezielte Betonung der Vertrauensdimensionen Expertise, Wohlwollen, Integrität, Transparenz und Dialogbereitschaft, etwa durch explizite Verweise auf eigene Forschungsaktivitäten und eine unabhängige, objektive Arbeitsweise, durch die Erläuterung der Relevanz des Themas Strahlenschutz im konkreten Alltag der Bürger*innen oder das Aufgreifen von Sorgen und Fragen der Bürger*innen und deren Beantwortung, etwa in Form von spezifischen Praxistipps für den Alltag.