Abstract:
Partikelströmungen sind für viele natürliche Prozesse von zentraler Bedeutung, von Nanopartikeln in der Luft bis hin zu großräumigen Sedimentablagerungen in den Ozeanen. Ihre Bedeutung erstreckt sich auch auf viele industrielle Anwendungen, z.B. bei der Verarbeitung von Lebensmitteln, Mineralien und Chemikalien, in der Biotechnologie, bei Energieanwendungen und bei der Herstellung von Farben, Kunststoffen und Kosmetika. Ein tieferes Verständnis der komplexen Dynamik dieser Systeme ist daher wichtig und bietet erhebliche Vorteile für die Umwelt und technologische Fortschritte.
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Diese Arbeit befasst sich mit nicht-kolloidale Suspensionen, bei denen Feststoffpartikel mit vernachlässigbarer Brownscher Bewegung in einer Flüssigkeit dispergiert sind. Diese Systeme sind in industriellen Prozessen und technischen Anwendungen weit verbreitet, wo sie eine Schlüsselrolle bei der Gestaltung von Materialeigenschaften, Prozesseffizienz und Produktqualität einnehmen. In vielen dieser Anwendungen haben die Partikel jedoch komplexe Formen, die die Dynamik der Suspensionen erheblich beeinflussen. Die derzeitige Forschung zur Dynamik von Suspensionen befasst sich jedoch größtenteils nur mit vereinfachten, meist kugelförmigen, Geometrien. Wenn komplexe Partikelformen betrachtet werden, dann oft nur in geringer Anzahl oder die Untersuchungen konzentrieren sich auf qualitative Beschreibungen und nicht auf quantitative Bewertungen.
Das Hauptziel dieser Arbeit ist daher die Entwicklung und Validierung eines neuartigen Modells, das die Dynamik von Suspensionen mit hohen Partikelvolumenanteilen (bis zu 30%) erfassen kann und gleichzeitig beliebige konvexe Partikelformen zulässt. Um dieses Ziel zu erreichen, werden in dieser Arbeit fünf Schlüsselbeiträge vorgestellt, die auf vier Einzelarbeiten basieren.
Der erste Beitrag befasst sich mit der Herausforderung der Leistung bei der Simulation einer großen Anzahl von vollständig aufgelösten Partikeln.
In dieser Arbeit wird die Lattice-Boltzmann-Methode (LBM) verwendet, die für ihre hohe Effizienz bekannt ist. Konkret wird für Partikelströmungen die LBM-basierte homogenisierten Lattice-Boltzmann-Methode (HLBM) verwendet. Obwohl HLBM effektiv ist, nutzt es die Möglichkeiten von LBM für Hochleistungssimulationen noch nicht vollständig aus. Daher wird ein mit HLBM kompatibles Schema für die Zerlegung oberflächenaufgelöster Partikel eingeführt. Dieses Schema reduziert den Kommunikations- und Rechenaufwand für partikelbezogene Operationen erheblich erheblich, indem es die Kommunikation auf eine definierte Nachbarschaft jeder Verarbeitungseinheit beschränkt, anstatt alle Einheiten miteinander kommunizieren zu lassen. Dieser Ansatz führt zu bis zu fünfmal schnelleren Simulationen und ermöglicht die Simulation einer wesentlich größeren Anzahl von oberflächenaufgelösten Partikeln.
Der zweite Beitrag stellt ein neuartiges diskretes Kontaktmodell vor, welches für komplexe konvexe Partikelformen entwickelt wurde und mit HLBM kompatibel ist. Durch die Integration des nichtlinearen Kontaktmodells wird die Beschränkung von HLBM auf eine Zweiwegekopplung und damit auf moderate Partikelvolumenanteile überwunden, so dass vollständig aufgelöste Partikelströmungssimulationen mit Vierwegekopplung möglich werden. Das Modell berücksichtigt sowohl die elastische Verformung als auch die viskose Dämpfung der interagierenden Festkörper und ermittelt sowohl Normal- als auch Tangentialkräfte durch Diskretisierung des Kontaktbereichs. Die Validierung anhand von Trocken- und Nasskontakten bestätigt die Robustheit, Vielseitigkeit und Genauigkeit der entwickelten Kontaktbehandlung.
Der dritte Beitrag ist die Realisierung eines einheitlichen modularen Partikel-Frameworks für die Simulation von Partikelströmungen mit Vierwegekopplung. Implementiert in der Open-Source-Software OpenLB bietet dieses Framework eine flexible Architektur, die in der Lage ist, eine Vielzahl von Partikelströmungsproblemen effizient zu lösen. Das modulare Design ermöglicht eine einfache Erweiterbarkeit und Anpassung an unterschiedliche Simulationsanforderungen, einschließlich vollständig aufgelöster und subskaliger Partikelsimulationen, obwohl sich diese Arbeit hauptsächlich auf erstere konzentriert. Darüber hinaus sorgt die Integration automatisierter Tests für kontinuierliche Qualität und Zuverlässigkeit, so dass die Software robust und an künftige Entwicklungen und veränderte Forschungsanforderungen anpassbar bleibt.
Der vierte Beitrag demonstriert die Anwendung des entwickelten direkten numerischen Simulationsansatzes auf die Untersuchung der Schwarmsedimentation. Die Untersuchung vergleicht das Sedimentationsverhalten von Kugel- und Würfelschwärmen für Archimedes-Zahlen zwischen und und Partikelvolumenfraktionen zwischen % und %. Die Ergebnisse zeigen, dass sich Würfel um % bis % langsamer sedimentieren als Schwärme volumengleicher Kugeln, während Kugeln eine stärkere Tendenz zur Clusterbildung aufweisen. Diese Ergebnisse unterstreichen die starke Abhängigkeit des Sedimentationsverhaltens von der Partikelform und deuten darauf hin, dass die Form eine entscheidende Rolle bei Trennprozessen spielt.
Der abschließende Beitrag gibt einen umfassenden Überblick über den entwickelten Ansatz und betrachtet verschiedene seiner berichteten Anwendungen, um Stärken und Schwächen zu identifizieren. Zu den Stärken zählen der monolithische Charakter des Ansatzes, der eine nahtlose Simulation verschiedener Szenarien mit Fluid-Festkörper-Wechselwirkungen ermöglicht und damit den Modellierungsprozess effizient gestaltet, sowie die Fähigkeit, beliebige konvexe Partikelformen in Simulationen mit Vierwegekopplung und beliebige Formen in Simulationen mit Zweiwegekopplung zu handhaben und dabei lokale Partikel-Fluid-Wechselwirkungen an der Partikeloberfläche detailliert abzubilden. Das parallele Design gewährleistet zudem eine hervorragende Recheneffizienz und eignet sich daher für umfangreiche Simulationen. Allerdings führt die Notwendigkeit kleiner Zeitschritte aufgrund der diffusiven Skalierung zu einem relativ hohen Rechenaufwand. Darüber hinaus begrenzt die derzeitige Beschränkung auf starre Partikel die Anwendbarkeit in Szenarien mit deformierbaren oder flexiblen Objekten.
Diese Beiträge führen zu einem robusten, vielseitigen und gut dokumentierten Framework für die Simulation von Partikelströmungen mit komplexen Partikelformen. Dieses Framework wurde bereits in mehreren ingenieurwissenschaftlichen Anwendungsstudien eingesetzt und hat wertvolle Erkenntnisse zur Verbesserung der Prozesseffizienz und Produktqualität geliefert. Diese Studien zeigen auch die Fähigkeit des Frameworks, eine Vielzahl von Szenarien zu behandeln, die sowohl Suspensionen als auch Aerosole beinhalten. Die Vielseitigkeit und die freie Verfügbarkeit des Frameworks machen es zu einem wertvollen Werkzeug für die zukünftige industrielle und akademische Forschung.
Abstract (englisch):
Particulate flows are central to many natural processes, ranging from nanoparticles in the air to large areas of sedimentation in the oceans. Their importance also extends to numerous industrial applications, including food, mineral and chemical processing, biotechnology, energy applications, and the manufacture of paints, plastics, and cosmetics. A deeper understanding of the complex dynamics of these systems is therefore important and offers significant environmental benefits and technological advances.
This thesis focuses on non-colloidal suspensions, where solid particles with negligible Brownian motion are dispersed in a liquid. ... mehrThese systems are ubiquitous in industrial processes and engineering applications where they play a key role in shaping material properties, process efficiency and product quality. In many of these applications, the particles have complex shapes that significantly influence the dynamics of the suspensions. However, current research on suspension dynamics is mostly only concerned with simplified, usually spherical, geometries. When complex particle shapes are considered, it is usually only in small numbers, or the studies focus on qualitative descriptions rather than quantitative evaluations.
The primary objective of this work is therefore to develop and validate a novel model capable of capturing suspension dynamics with high particle volume fractions (up to 30%), while allowing for arbitrary convex particle shapes. To achieve this goal, the thesis presents five key contributions, which are based on four individual works.
The first contribution addresses the performance challenge when simulating large numbers of surface resolved particles. This work uses the LBM, which is known for its high efficiency. Specifically, for particulate flows, the LBM-based HLBM is used. However, while HLBM is effective, it has yet to take full advantage of the capabilities of LBM for high-performance simulations. Therefore, a surface resolved particle decomposition scheme compatible with HLBM is introduced. This scheme significantly reduces the communication and computational overhead of particle-related operations by restricting communication to a defined neighborhood of each processing unit, rather than having all units communicate with each other. The approach results in simulations that are up to five times faster, making it possible to simulate a significantly larger number of surface resolved particles.
The second contribution introduces a novel discrete contact model designed for complex convex particle shapes and compatible with HLBM. By integrating the nonlinear contact model, the limitation of HLBM to two-way coupling and thus moderate particle volume fractions is overcome, allowing for four-way coupled, fully resolved particulate flow simulations. The model accounts for elastic deformation and viscous damping aspects of interacting solids, and evaluates both normal and tangential forces by discretizing the contact region. The validation with dry and wet contacts confirms the robustness, the versatility, and the accuracy of the developed contact treatment.
The third contribution is the realization of a unified modular particle framework for four-way coupled particulate flow simulations. Implemented in the open source software OpenLB, this framework provides a flexible architecture capable of efficiently solving various particulate flow problems. The modular design allows for easy extensibility and adaptation to different simulation needs, including both fully resolved and subgrid scale particle simulations, although this work primarily focuses on the former. In addition, the integration of automated testing ensures ongoing quality and reliability, keeping the software robust and adaptable to future developments and evolving research requirements.
The fourth contribution demonstrates the application of the developed direct numerical simulation approach to the study of hindered settling. The investigation compares the settling behavior of swarms of spheres and cubes for Archimedes numbers between and and particle volume fractions between % and %. The results show that cubes settle % to % slower than swarms of volume-equivalent spheres, while spheres have a higher tendency to cluster. These results underscore the strong dependence of settling behavior on particle shape and suggest that shape plays a critical role in separation processes.
The final contribution provides a comprehensive review of the developed approach and an examination of various reported applications to identify strengths and limitations. Key strengths include the monolithic nature of the approach, which allows seamless simulation of diverse fluid-solid interaction scenarios, streamlining the modeling process, and its ability to handle arbitrary convex particle shapes in four-way coupled simulations and arbitrary shapes in two-way coupled simulations while accurately representing local surface interactions. The parallel design also ensures superior computational efficiency, making it suitable for large-scale simulations. However, the requirement for small time steps due to diffusive scaling results in relatively high computational effort. Furthermore, the current limitation to rigid particles restricts its applicability in scenarios involving deformable or flexible entities.
These contributions result in a robust, versatile, and well-documented framework for simulating particulate flows with complex particle shapes. This framework has already been used in several studies of engineering applications, providing valuable insights that support improvements in process efficiency and product quality. These studies also demonstrate the framework's ability to handle a wide variety of scenarios involving both suspensions and aerosols. The versatility and free availability of the framework make it a valuable tool for future industrial and academic research.