Abstract:
Die biologische Artenvielfalt, welche für das Funktionieren und die Stabilität von Ökosystemen von entscheidender Bedeutung ist, wird durch den Menschen erheblich bedroht. Die prinzipiell wichtige Rolle, welche Tiere für die dynamischen Prozesse von Ökosystemen spielen, ist unbestritten. Wie genau jedoch die An- oder Abwesenheit vollständiger trophischer Ketten beispielsweise das Wachstum, die Zusammensetzung und den biogeochemischen Kreislauf der Vegetation beeinflusst, ist nicht quantifiziert. Ein verbessertes Verständnis von Ökosystemfunktion und deren Artenzusammensetzung benötigt u. ... mehra. auch ein besseres Verständnis der dynamischen Interaktionen zwischen Tieren und Pflanzen. Zu diesen Interaktionen gehört der Blattfraß durch Herbivoren, mit tiefgreifenden und vielfältigen Auswirkungen auf die Vegetation. Bislang fehlen umfassende, groß angelegte, quantitative Abschätzungen dieser Effekte. Prozessbasierte Modelle haben sich als mächtiges Werkzeug zur Bewertung ökologischer Prozesse erwiesen. Diese Dissertation stellt eine neuartige Kopplung zweier prozessbasierter Modelle vor: das Dynamische Globale Vegetations Modell (DGVM) LPJ-GUESS und das Madingley-Modell, ein Modell zur Simulation multi-trophischer funktioneller Diversität von Tieren. In drei Experimenten werden verschiedene Versionen des gekoppelten Modellsystems präsentiert, bewertet und verglichen.
Zunächst vergleiche ich Ergebnisse der „offline“ gekoppelten Version des Modellsystems mit der „default“ Version von Madingley für vier ausgewählte Biome. Es zeigen sich signifikante Verschiebungen in den simulierten Tierpopulationen, mit Trends zu geringerer Körpermasse und höherer Abundanz. Die Verschiebungen in Körpermasse und dem resultierendem Größenspektrum lassen sich auf ökologische Prozesse zurückführen und ermöglichen eine detaillierte Analyse der vielschichtigen Reaktionen der Tierpopulation auf die Veränderungen der Blattbiomasse. Aus den Ergebnissen beider Modellversionen wurden Potenzgesetze zwischen Herbivorenmasse und Nettoprimärproduktion (NPP) sowie zwischen der von Herbivoren konsumierten Biomasse und NPP abgeleitet. Diese Potenzgesetze zeigen, dass nur das „offline“ gekoppelte Modellsystem Tierpopulationen simuliert, die ähnlich zu Potenzgesetzen in empirischen Datensätzen sind. Die Ergebnisse dieses Experiments bekräftigen den Nutzen weiterer Entwicklung prozessbasierter Modellsysteme als gangbare Methode zur Bewertung multi-trophischer Wechselwirkungen zwischen Tierpopulationen und der Vegetation von Ökosystemen.
Im zweiten Experiment stelle ich die „online“ Version des Modellsystems vor, die bidirektionale Rückkopplungen zwischen grüner Pflanzenbiomasse, ihrem Konsum durch Herbivoren und der gesamten trophischen Pyramide ermöglicht. Verglichen mit der “offline” Version, ist in der „online“ Version eine Reduktion der NPP um -5\%, des LAI um -9\% und der Vegetationskohlenstoffmasse um -10\% zu beobachten. Boreale Ökosysteme zeigen die stärksten Auswirkungen, mit Reduktionen der Kohlenstoffmasse um bis zu -42 \% in manchen Regionen. Die Ergebnisse der LPJ-GUESS Simulationen werden mit Fernerkundungsdaten und Flux-Tower-Messungen verglichen. Es zeigt sich, dass das “online” gekoppelte Modellsystem die Fähigkeit von LPJ-GUESS bewahrt und realistische Biomenverteilungen und Kohlenstoffpools simuliert. Außerdem vergleiche ich Potenzgesetze für alle drei Versionen des Madingley-Modells und komme zu dem Schluss, dass die „online“ Version beide anderen Versionen übertrifft, wenn es darum geht, Tierpopulationen zu simulieren, deren Populationsdynamik ähnlich zu Potenzgesetzen empirischer Daten ist.
Im dritten Experiment modifiziere ich die „online“ Version des Modellsystems um die Auswirkungen der Entnahme großer Tiere auf die simulierte Vegetation zu untersuchen. In zwei separaten Szenarien entfernte ich entweder große Herbivoren oder große Karnivoren aus der Simulation. Diese Entnahme findet statt, nachdem das Modellsystem einen Gleichgewichtszustand erreicht hat. Bei der Entnahme großer Herbivoren steigt die Blattkohlenstoffmasse in borealen Biomen (+10\%), tropischen Regenwäldern (+5\%) und feuchten Savannen (+6\%). Im Gegensatz dazu führt die Entnahme großer Karnivoren zu einer Verringerung der Blattkohlenstoffmasse in borealen Biomen (-11\%), tropischen Regenwäldern (-19\%) und feuchten Savannen (-19\%). Die Auswirkungen der Entnahme großer Tiere wird in borealen Ökosystemen von allgemeinen Ökosystemverschiebungen durch den Klimawandel überschattet. In Afrika ist die Auswirkung der Entfernung großer Karnivoren ähnlich groß, wie die Effekte der \ch{CO2} -Düngung. Allerdings werden weitere, verheerende Effekte des Klimawandels nicht im Modell berücksichtig, weshalb die Entnahme von großen Karnivoren nicht als Kompensation für die Auswirkungen des Klimawandels verstanden werden kann. Simulationen zur Erholung der Tierpopulationen zeigen, dass Ökosysteme Jahrhunderte benötigen, um sich von der vollständigen Entnahme großer Tiere zu erholen, während diese Erholung deutlich schneller erfolgt, wenn ähnliche Tierspezies in nicht betroffenen Gebieten erhalten bleiben. Diese Ergebnisse unterstreichen die entscheidende Rolle des Schutzes der Artenvielfalt im Kontext des Klimawandels.
Abschließend zeigen die Ergebnisse dieser Dissertation die wichtige Rolle, die prozessbasierte Modelle zum besseren Verständnis der komplexen Wechselwirkungen zwischen Tieren und Vegetation beitragen können. Sie demonstrieren, wie die Kopplung dynamischer Vegetations- und Tierpopulationsmodelle unser Verständnis von komplexen Dynamiken in Ökosystemen verbessern kann und betont die Bedeutung des Schutzes der Biodiversität für die Resilienz von Ökosystemen.
Abstract (englisch):
Animal biodiversity faces significant threats from anthropogenic activities. It is well understood in principle that animals play an important role in ecosystem dynamics, but how exactly the presence or absence of full trophic chains affect, e.g., vegetation growth, composition and biogeochemical cycling is still unknown. To address these challenges, it is crucial to improve our understanding of the dynamic interactions between animals and vegetation. Process-based modelling has proven to be a powerful tool for assessing ecological functioning. This thesis presents a novel coupling of two process-based models: the Dynamic Global Vegetation Model (DGVM) LPJ-GUESS and the Madingley model, a framework for simulating multi-trophic animal functional diversity. ... mehrThrough three experiments, I evaluate and compare different versions of the coupled model system.
First, I compare outputs from the “offline” coupled version of the model system to Madingley’s “default” version for four ecosystem types around the globe. Using LPJ-GUESS as an input to Madingley’s herbivory results in significant shifts in simulated animal populations, with trends toward smaller body sizes and increased abundance. The shifts in body mass and animal distributions can be traced back to ecological processes, allowing in-depth analysis of heterotrophic responses to changes in leaf biomass. Power-law relationships for herbivore consumption to NPP and herbivore biomass to NPP derived from both model versions demonstrate substantial improvement in response to the LPJ-GUESS “offline” coupling compared to the “default” state. The results of this experiment encourage further development of the coupled process-based model systems as a viable way to assess multi-trophic interconnections between animal populations and the ecosystem’s vegetation.
Second, I present the fully coupled “online” version of the model system that allows for bidirectional interactions between the availability of green vegetation biomass, herbivory, and the whole trophic chain and vice versa. In this “online” version, an overall reduction of -5\% in ecosystem net primary productivity (NPP), -9\% in leaf area index (LAI) and -10\% in vegetation carbon mass is evident, compared to LPJ-GUESS without herbivory. Boreal ecosystems exhibit the most pronounced impacts, with vegetation carbon mass reductions reaching -42\% in some regions. I evaluate LPJ-GUESS output against remote sensing datasets and flux measurements and find that the “online” coupled model system preserves LPJ-GUESS’s ability to simulate realistic biome distributions and carbon pools. I again compare power-law relationships of herbivore population dynamics for all three different versions of the Madingley model and conclude that the “online” version surpasses both other versions in terms of representing the power-law relationships derived from empirical data.
Finally, I employ the fully coupled version of the model system to investigate the effects of large animal removal on the simulated vegetation. In two separate cases, I either remove large herbivores or large carnivores from the simulation after the system reaches an equilibrium state. In the case of large herbivore removal, leaf carbon mass increases in boreal biomes (+10\%), tropical rainforests (+5\%) and moist savannas (+6\%). Conversely, removing large carnivores reduces leaf carbon mass in boreal biomes (-11\%), tropical rainforests (-19\%) and moist savannas (-19\%). When comparing the effects of large animal removal under climate change, vegetation shifts caused by climate change outweigh the effects of large animal removal in the boreal biomes. In Africa, the effect of large carnivore removal is of a similar magnitude as the effects of \ch{CO2} fertilisation (but reducing overall productivity). Simulations of animal population recovery reveal that ecosystems require centuries to recover from the complete removal of large animals, whereas recovery occurs more rapidly when such populations are preserved in areas that are unaffected by the removal. These results emphasise the critical role of conserving animal biodiversity in the face of climate change.
In conclusion, the results of this thesis highlight the important contribution of process-based modelling towards a better understanding of the complex interconnections between animals and vegetation. It demonstrates how coupling dynamic vegetation and animal population models enhances our understanding of multi-trophic ecosystem dynamics and broadly underpins the important role of animals in ecosystem functioning.