Abstract:
Diese Dissertation untersucht die wässrige Verarbeitung von Lithium-Nickel-Mangan-Oxid (LiNi$_{0,5}$Mn$_{1,5}$O$_{4}$, LNMO) in positiven Elektroden für Lithium-Ionen-Batterien (LIB) unter Verwendung von wasserverarbeitbaren oder -löslichen Bindemitteln zur Verbesserung der mechanischen Eigenschaften und der elektrochemischen Leistung von LIBs.
Im ersten Kapitel werden die Grundlagen für diese Arbeit gelegt und durch Vorbehandlung des Aktivmaterials der Einfluss des Eintauchens in Wasser auf LNMO untersucht. Die Untersuchungen zeigen, dass LNMO in reinem und angesäuertem Wasser zur Auslaugung von Lithium sowie von Mangan- und Nickelionen bei Phosphorsäurezusatz neigt. ... mehrDie Auslaugung verhindert den Einsatz von Polyvinylidenfluorid-Latices, da die resultierende Konzentration an mehrwertigen Ionen eine schnelle Koagulation der Latices auslöst. Eine Verarbeitung im sauren Milieu führt somit aufgrund der Koagulate zu massiven Beschichtungsdefekten. Das Eintauchen in reines Wasser führt hingegen zu einem vorteilhaften Entfernen von resistiven Oberflächenverunreinigungen – Rückstände von Kalium, Natrium, Schwefel und Sauerstoff –, was zu einer Verbesserung der Rateneigenschaften der Kathoden führt. Obwohl es durch die Zugabe von H3PO4 zur Bildung von kristallinem Li3PO4 kommt, welches die Langzeit-Kapazitätserhaltung fördert, schränkt der damit verbundene Verlust von Lithium- und Übergangsmetall-Ionen die Verwendung in der wässrigen LNMO-Verarbeitung ein.
Ein Hauptaugenmerk der Arbeit liegt auf der Untersuchung des Einflusses der freien Oberflächenenergie auf die Eigenschaften von Kathoden. Der erste Teil der Untersuchung beschäftigt sich mit Leitadditiven und bewertet die Wechselwirkungskräfte zwischen den Elektrodenbestandteilen durch Berechnung der freien Oberflächenenergien. Die Ergebnisse zeigen, dass die freie Oberflächenenergie des Leitadditivs eine entscheidende Rolle bei der Verteilung des Binders innerhalb der Elektrode spielt. Es wurde eine bevorzugte Adhäsion der verwendeten Carboxymethylcellulose und des Polyvinylidenfluorid-Latex an Leitadditiv-Oberflächen mit maßgeblich dispersiver freier Oberflächenenergie beobachtet, was zu ausgeprägten Kohlenstoff-Binder-Domänen und einer geschwächten mechanischen Integrität aufgrund der begrenzten freien Verfügbarkeit des Bindemittels führt. Es wurden zwei Ansätze zur Verbesserung der Adhäsionskraft ermittelt: die Verkleinerung der Leitadditiv-Oberfläche zur Erhöhung der freien Polymerverfügbarkeit und die Verwendung von Kohlenstofffasern mit geringerer Binderaffinität. Neben der höheren Adhäsion, verbesseren die eingesetzten Kohlenstofffasern die Zyklenstabilität, da sie aufgrund ihrer geringeren spezifischen Oberfläche weniger Reaktionsstellen für parasitäre Elektrolytreduktion bieten.
Darüber hinaus wurde untersucht, wie sich der Einsatz von Polyvinylidenfluorid-Latexbindern mit variierenden Oberflächenenergie-Beiträgen auf die Elektrodeneigenschaften auswirkt. Ein Latex mit einem hohen polaren Beitrag weist eine gleichmäßigere Verteilung innerhalb der Kathode auf, was zu einer größeren Haftfestigkeit auf Kosten eines erhöhten Grenzflächen- und Volumenwiderstandes, aufgrund der isolierenden Wirkung der Latexpartikel, führt. Die Untersuchung zeigt auch, dass Latices mit höherer Polarität ein höheres Wasserrückhaltevermögen aufweisen, was sich auf die langfristige Kapazitätserhaltung auswirkt, da Restwasser die Bildung einer ausgeprägten Feststoff-Elektrolyt-Grenzfläche verstärkt. Durch eine verstärkte Trocknung können diese Unterschiede jedoch minimiert und eine Kapazitätserhaltung von ca. 70 % über 1000 Zyklen bei allen getesteten Kathoden erreicht werden. Dies deutet darauf hin, dass hochpolare PVDF-Latices bei angemessener Trocknung verbesserte Haftungseigenschaften bieten.
Der dritte Teil der Untersuchungen zur freien Oberflächenenergie betrachtet den Einfluss des Aluminiumstromsammlers. Hierfür wurde unter Einsatz verschiedener wasserlöslicher Binder die Oberflächenenergie des Stromsammlers gezielt durch eine Coronabehandlung modifiziert. Die Behandlung hat eine Verbesserung der Benetzbarkeit durch die wässrigen Pasten zur Folge. Durch intensive Behandlung der Aluminiumfolie sinkt der Kontaktwinkel der Paste um 50-60°. Es zeigt sich jedoch auch, dass hohe Intensitäten der Coronabehandlung zu einer Abnahme der Haftfestigkeit der Kathode führt, da sie zu einer verstärkten Wechselwirkung des Aluminiums mit Wasser, jedoch einer verringerten Wechselwirkung mit den Bindemitteln, führt.
Durch Anwendung und Kombination aller Erkenntnisse konnten LNMO-Kathoden mit hoher Aktivmaterial-Beladung (3,8 mAh/cm²), hoher Haftung (27,8 N/m), geringem spezifischem Widerstand (1,72 Ω·cm) und moderater Tortuosität (3,00) hergestellt werden. Elektrochemische Tests zeigen vergleichbare Rateneigenschaften zu Kathoden mit niedriger Aktivmaterial-Beladung (1,9 mAh/cm²), bis zu einer C-Rate von 1 C. Coronabehandlung (25,5 J/cm²) der Kathode führte zu deutlich verbesserter Ratenfähigkeit, in besonderem Maße bei höheren C Raten. Unter Einsatz der Elektrolyt Additive LiBOB und TMSP erzielen die Elektroden eine Kapazitätserhaltung von 80 % über 1000 Zyklen.
Diese Arbeit liefert wesentliche Erkenntnisse zur wasserbasierten Verarbeitung von LNMO und identifiziert optimale Bedingungen für Adhäsion, Leitfähigkeit und Langzeit-Kapazitätserhaltung zur Herstellung hochleistungsfähiger Kathoden für Lithium-Ionen-Batterien.
Abstract (englisch):
This dissertation investigates the aqueous processing of lithium nickel manganese oxide (LiNi$_{0.5}$Mn$_{1.5}$O$_{4}$, LNMO) in positive electrodes for lithium-ion batteries (LIB) using water-processable or -soluble binding agents to enhance the mechanical properties and electrochemical performance of LIBs.
A primary objective was to assess the influence of submersion in pure and acidified water on LNMO, which was found to facilitate the leaching of lithium-ions, as well as manganese and nickel ions when exposed to phosphoric acid. This leaching impedes the use of polyvinylidene fluoride (PVDF) latices, as the resultant multivalent ion concentration triggers rapid coagulation, rendering acidified processing unviable. ... mehrSubmersion in pure water, however, led to a beneficial removal of resistive surface impurities – identified as residues of potassium, sodium, sulfur, and oxygen – that improved the electrode’s rate capabilities. Thus, while acidification forms crystalline Li3PO4 species improves long-term capacity retention, its associated lithium and transition metal loss restricts its use in aqueous LNMO processing.
The study further evaluated the interaction forces among electrode constituents by calculating interfacial free energies. Findings indicate that surface free energy (SFE) of the conductive additive (CA) plays a pivotal role in binder distribution within the electrode. Preferential binder adhesion to CA surfaces with highly dispersive SFE was observed, leading to pronounced carbon-binder domains (CBDs) and weakened mechanical integrity due to limited free binder availability. Two approaches to enhance adhesion strength were identified: reduction of CA surface area to increase free polymer availability, and the use of vapor-grown carbon fibers (VGCFs) with lower binder affinity. Beyond improved adhesion, VGCFs enhanced cycling stability by offering less reaction sites for parasitic electrolyte reduction .
Furthermore, it was investigated how SFE components of PVDF latex binders impact electrode properties. A latex with a high polar component displayed uniform distribution across slurry components, yielding strong adhesive strength at the expense of increased interface and bulk resistivity due to the insulating nature of latex particles. Analysis also showed that latices with higher polarity retain more water, impacting long-term cycling performance by promoting pronounced solid-electrolyte interphase (SEI) formation. However, extended drying mitigated these differences resulting in capacity retentions of approx. 70 % across all tested cathodes, suggesting that high-polarity PVDF latices offer improved adhesion if adequately dried.
Corona treatment of aluminum current collectors was tested to investigate the impact of the current collectors SFE on aqueous slurry wetting and electrode adhesion. Intense treatment improved wettability, lowering the contact angle by 50° 60° through increased slurry-current collector interaction. However, adhesion strength benefitted only from low-intensity treatment. High-intensity treatment resulted in an increasingly stronger interaction of the current collector with water at the expense of the interaction with the binders which effectively resulted in a lower adhesion strength.
Finally, combining these findings enabled the production of robust high-loading LNMO cathodes (3.75 mAh/cm²) with excellent adhesion (27.8 N/m), low bulk resistivity (1.72 Ω cm), and moderate tortuosity (3.00). Electrochemical tests showed that these cathodes perform comparably to low-loading counterparts up to 1C, with enhanced rate capability at higher C-rates following corona treatment at 25.5 J/cm². Additionally, additives LiBOB and TMSP improved long-term stability, achieving 80% capacity retention over 1000 cycles. This work advances the understanding of aqueous processing for LNMO, identifying optimal conditions for adhesion, conductivity, and lifetime of cathodes suitable for high-performance lithium-ion batteries.