Abstract:
In seinem Vortrag „Bewährte Technik & Strukturen – Good Practice für hybride Lehrräume an Hochschulen“ gibt Andreas Sexauer vom Zentrum für Mediales Lernen (ZML) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) einen detaillierten Einblick in die strategische und praktische Umsetzung von hybrider Lehre. Er beschreibt die Entwicklung als eine fortlaufende „Reise“, die am KIT nicht primär technologiegetrieben ist, sondern aus dem Ziel entsteht, als Präsenzuniversität durch Flexibilisierung, Internationalisierung und verbesserte Teilhabe gezielte Mehrwerte zu schaffen. Der Vortrag beleuchtet den strategischen Ansatz, die konkrete technische Ausstattung von Lehrräumen, den evolutionären Lernprozess seit 2020 sowie die entscheidende Rolle der Hochschulkultur und Didaktik für eine erfolgreiche Implementierung.
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Der Aufbau des Vortrags
Der Vortrag ist als „Reisebericht“ konzipiert, der die Entwicklung der hybriden Lehre am KIT nachzeichnet. Andreas Sexauer beginnt mit der Vorstellung der strategischen Ziele und der daraus resultierenden Mehrwerte, die das KIT durch hybride Formate anstrebt. Darauf aufbauend stellt er das konkrete Digitalisierungskonzept für Lehr- und Lernräume vor, inklusive detaillierter technischer Ausstattungspläne für Hörsäle und Seminarräume. Im zweiten Teil des Vortrags blickt er auf den Entwicklungsprozess seit Herbst 2020 zurück und illustriert anhand von praktischen Beispielen den Lernprozess von einfachen Ad-hoc-Lösungen hin zu durchdachten, mobilen Setups. Abschließend widerlegt er gängige Vorurteile gegenüber hybrider Lehre und betont das notwendige Zusammenspiel von Technik, Software und einer förderlichen Hochschulkultur als Schlüssel zum Erfolg.
Kernaussage: "Wir sind am KIT davon überzeugt, dass hybride Lehre ein ganz wichtiger Baustein für uns als Präsenzuniversität ist."
Diese Aussage unterstreicht die grundlegende Haltung des KIT zur hybriden Lehre. Andreas Sexauer stellt klar, dass sich das KIT weiterhin als Präsenzuniversität mit einem lebendigen Campus versteht. Hybride Formate werden daher nicht als Ersatz für die Präsenzlehre gesehen, sondern als ein strategisches und wichtiges Werkzeug, um das bestehende Angebot zu erweitern und zu verbessern. Das Ziel ist es, die Vorteile der Präsenzlehre beizubehalten und sie durch die Möglichkeiten der digitalen Teilnahme gezielt zu ergänzen. Diese Grundhaltung prägt alle strategischen Entscheidungen und technischen Umsetzungen am KIT und dient als Leitlinie für die Weiterentwicklung.
Kernaussage: "Wir sehen darin eine große Chance auf die Flexibilisierung der Lehre, [...] für mehr Internationalisierung [...] und [...] das Thema Teilhabe besser zu adressieren."
Der Vortrag identifiziert drei zentrale Mehrwerte, die die strategische Motivation des KIT für die Einführung hybrider Lehre bilden. Diese Chancen gehen weit über eine rein technische Aufrüstung hinaus und zielen auf eine qualitative Verbesserung von Lehre und Studium ab:
Flexibilisierung der Lehre: Hybride Angebote ermöglichen es Studierenden und Lehrenden, orts- und teilweise auch zeitunabhängiger an Lehrveranstaltungen teilzunehmen. Dies kommt modernen Lebens- und Lernwirklichkeiten entgegen.
Mehr Internationalisierung: Durch die Möglichkeit der Online-Teilnahme können internationale Gastdozierende einfacher in die Lehre eingebunden und internationale Studierende oder Prüfungsteilnehmende (z.B. bei Doktorprüfungen) ohne zwingende Reisetätigkeit teilhaben. Dies fördert nicht nur den globalen Austausch, sondern leistet auch einen Beitrag zur Nachhaltigkeit.
Mehr Teilhabe: Hybride Formate sind ein entscheidendes Instrument zur Förderung von Inklusion und Chancengerechtigkeit. Sie ermöglichen die Teilnahme für Personen, für die eine physische Anwesenheit schwierig oder unmöglich ist, wie z.B. Studierende mit Behinderungen oder chronischen Krankheiten, Eltern oder Personen in unvorhergesehenen Notsituationen.
Kernaussage: "Wir wollen, dass alle unsere Hörsäle und ein Drittel unserer Seminarräume [...] Medientechnik bekommen, um [...] ad-hoc hybrid arbeiten zu können."
Diese Aussage verdeutlicht den systematischen und flächendeckenden Ansatz, den das KIT verfolgt. Anstatt vereinzelte Leuchtturm-Räume zu schaffen, zielt das "Digitalisierungskonzept Lehr- und Lernräume" darauf ab, hybride Lehre als Standardmöglichkeit zu etablieren.
Umfang der Maßnahmen: Konkret sollen alle 38 zentral verwalteten Hörsäle sowie ein Drittel der 57 zentral verwalteten Seminarräume (ca. 20 Räume) mit interaktiver Medientechnik für die hybride Lehre ausgestattet werden. Die Auswahl der Seminarräume erfolgt nach baulicher Eignung und im Rahmen von Sanierungskonzepten.
Technische Standardisierung: Die Hörsäle werden je nach Größe in drei Kategorien unterteilt und entsprechend ausgestattet. Kernkomponenten sind dabei immer:
Audio: Mikrofone an der Decke oder Wurfmikrofone, um das gesamte Auditorium einbeziehen zu können.
Video: Mindestens zwei Kameras (eine für den Dozierenden, eine für das Publikum oder ein Whiteboard) sowie ein Mitschaumonitor für den Dozierenden, um die Online-Teilnehmenden im Blick zu behalten.
Anschluss: Ein "Bring Your Own Device" (BYOD) Konzept mit einer bereitgestellten Schnittstelle (z.B. USB-C) ermöglicht Lehrenden die unkomplizierte Nutzung ihres eigenen Laptops mit der installierten Raumtechnik.
Ziel: Lehrende sollen nicht mehr einen passenden Raum für ihr hybrides Szenario suchen müssen, sondern können davon ausgehen, dass die Technik in einem Großteil der Räume ad-hoc zur Verfügung steht.
Kernaussage: "Hybride Lehre ermöglicht mehr Präsenz."
Mit dieser auf den ersten Blick paradoxen These fasst Andreas Sexauer eine zentrale Erfahrung des KIT zusammen. Die Einführung hybrider Optionen führt nicht zwangsläufig zu leeren Hörsälen, sondern kann die effektive Präsenz – also die Gesamtzahl der Teilnehmenden – sogar erhöhen.
Evolutionärer Lernprozess: Sexauer skizziert den Weg von den ersten pragmatischen Lösungen im Herbst 2020, die oft nur aus einer einfachen USB-Webcam und einem Adapter für ca. 100 € bestanden, hin zu durchdachteren mobilen Setups für Seminarräume (ca. 600 €). Diese mobilen Sets beinhalten eine Tracking-Kamera, ein Stativ und ein drahtloses Mikrofonsystem und ermöglichen bereits eine hohe Interaktivität.
Inklusion als Präsenzgewinn: Der entscheidende Gedanke ist, dass hybride Formate den Ausschluss von Personen verhindern, die aus verschiedenen Gründen nicht physisch anwesend sein können. Indem man ihnen eine vollwertige Teilnahme ermöglicht, erhöht man die Gesamtzahl der Anwesenden und damit die Reichweite und Wirksamkeit der Lehre.
Didaktische Gestaltung: Anhand einer schematischen Raumaufteilung wird gezeigt, wie durch die Platzierung der Kamera und die Bewegungsfreiheit des Dozierenden verschiedene Interaktionszonen entstehen. Es kann sogar bewusst ein Bereich geschaffen werden, in dem sich Studierende aufhalten können, ohne von der Kamera erfasst zu werden, was dem Datenschutz Rechnung trägt.
Kernaussage: "Hybride Lehre ist ein Zusammenspiel von Kultur, Technik und Software."
Der Vortrag schließt mit der Erkenntnis, dass eine erfolgreiche Implementierung hybrider Lehre weit mehr als nur eine technische Frage ist. Der Erfolg hängt vom harmonischen Zusammenspiel dreier zentraler Säulen ab:
Technik: Die technische Ausstattung muss robust, zuverlässig und vor allem einfach zu bedienen sein. Komplizierte Systeme schaffen Hürden und werden nicht genutzt. Das BYOD-Konzept des KIT ist eine direkte Antwort auf diese Anforderung.
Kultur: Die Akzeptanz für hybride Formate muss in der gesamten Hochschulkultur verankert sein. Ein entscheidender Hebel am KIT war die Einführung von hybriden Optionen auch für Gremiensitzungen und die allgemeine Arbeitswelt. Wenn Lehrende und Mitarbeitende Hybridität im eigenen Arbeitsalltag als nützlich und normal erleben ("So wie ich arbeite, lehre ich auch"), steigt die Bereitschaft, diese Formate auch in der Lehre zu nutzen und Vorurteile abzubauen.
Software: Die Wahl des Konferenztools ist ebenfalls entscheidend. Ein Werkzeug wie Zoom, das am KIT von Anfang an als einfach und stabil wahrgenommen wurde, fördert die Akzeptanz erheblich. Eine umständliche oder unzuverlässige Software kann hingegen schnell zu Frustration führen und die besten technischen und kulturellen Bemühungen untergraben.
Zusammengefasste Handlungsempfehlungen
Aus dem Vortrag lassen sich folgende zentrale Empfehlungen für Hochschulen ableiten, die hybride Lehrräume implementieren möchten:
Beginnen Sie mit dem "Warum": Definieren Sie klare strategische Ziele (z.B. Flexibilisierung, Internationalisierung, Teilhabe), bevor Sie in Technik investieren.
Denken Sie flächendeckend und standardisiert: Entwickeln Sie ein hochschulweites Konzept zur Ausstattung von Lehrräumen, um hybride Lehre zu einer selbstverständlichen Option zu machen.
Setzen Sie auf "Bring Your Own Device" (BYOD): Stellen Sie einfache, standardisierte Schnittstellen (z.B. USB-C) zur Verfügung, damit Lehrende ihre gewohnten Endgeräte nutzen können.
Fokussieren Sie auf Interaktion: Sorgen Sie für eine technische Ausstattung (z.B. Mikrofone für das Publikum, mehrere Kameras, Mitschaumonitor), die eine echte Interaktion zwischen allen teilnehmenden Gruppen ermöglicht.
Starten Sie pragmatisch und lernen Sie: Beginnen Sie mit einfachen, kostengünstigen Lösungen, sammeln Sie Erfahrungen und entwickeln Sie Ihre Konzepte evolutionär weiter. Ein mobiles Setup für Seminarräume ist ein guter, skalierbarer Einstieg.
Fördern Sie einen Kulturwandel: Verankern Sie Hybridität in der gesamten Arbeitskultur der Hochschule, auch in Gremien und Besprechungen, um die Akzeptanz zu steigern und Berührungsängste abzubauen.
Betrachten Sie das Zusammenspiel: Beachten Sie, dass der Erfolg von hybrider Lehre vom Gelingen des Zusammenspiels von einfach zu bedienender Technik, einer nutzerfreundlichen Software und einer offenen, unterstützenden Hochschulkultur abhängt.
Abstract (englisch):
In his presentation, "Proven Technology & Structures – Good Practice for Hybrid Learning Spaces at Universities," Andreas Sexauer from the Center for Media-based Learning (ZML) at the Karlsruhe Institute of Technology (KIT) provides a detailed insight into the strategic and practical implementation of hybrid teaching. He describes the development as an ongoing "journey" that, at KIT, is not primarily technology-driven but rather stems from the goal of creating specific added value as a campus-based university through flexibility, internationalization, and improved participation. ... mehrThe talk illuminates the strategic approach, the concrete technical equipment of teaching spaces, the evolutionary learning process since 2020, and the crucial role of university culture and didactics for a successful implementation.
The Structure of the Talk
The presentation is designed as a "journey report" that traces the development of hybrid teaching at KIT. Andreas Sexauer begins by presenting the strategic goals and the resulting added value that KIT aims to achieve through hybrid formats. Building on this, he introduces the concrete digitalization concept for teaching and learning spaces, including detailed technical equipment plans for lecture halls and seminar rooms. In the second part of the talk, he looks back at the development process since fall 2020 and illustrates the learning curve from simple ad-hoc solutions to well-thought-out, mobile setups using practical examples. Finally, he refutes common prejudices against hybrid teaching and emphasizes the necessary interplay of technology, software, and a supportive university culture as the key to success.
Core Statement: "[Translated] We at KIT are convinced that hybrid teaching is a very important building block for us as a campus-based university."
This statement underscores KIT's fundamental stance on hybrid teaching. Andreas Sexauer makes it clear that KIT continues to see itself as a campus-based university with a vibrant campus life. Hybrid formats are therefore not seen as a replacement for in-person teaching, but as a strategic and important tool to expand and improve existing offerings. The goal is to retain the advantages of in-person teaching and to supplement them purposefully with the possibilities of digital participation. This basic attitude shapes all strategic decisions and technical implementations at KIT and serves as a guideline for future development.
Core Statement: "[Translated] We see this as a great opportunity for the flexibilization of teaching, [...] for more internationalization [...] and [...] to better address the topic of participation."
The presentation identifies three central added values that form the strategic motivation for KIT's introduction of hybrid teaching. These opportunities go far beyond a purely technical upgrade and aim for a qualitative improvement of teaching and studying:
Flexibilization of Teaching: Hybrid offerings allow students and lecturers to participate in courses with greater independence from location and, in some cases, time. This accommodates modern lifestyles and learning realities.
Increased Internationalization: The option of online participation makes it easier to integrate international guest lecturers into teaching and allows international students or examination candidates (e.g., in doctoral exams) to take part without the need for travel. This not only promotes global exchange but also contributes to sustainability.
Greater Participation: Hybrid formats are a crucial instrument for promoting inclusion and equal opportunity. They enable participation for individuals for whom physical presence is difficult or impossible, such as students with disabilities or chronic illnesses, parents, or people in unforeseen emergency situations.
Core Statement: "[Translated] We want all of our lecture halls and one-third of our seminar rooms [...] to receive media technology in order to [...] be able to work in a hybrid mode ad-hoc."
This statement illustrates the systematic and comprehensive approach that KIT is pursuing. Instead of creating isolated flagship rooms, the "Digitalization Concept for Teaching and Learning Spaces" aims to establish hybrid teaching as a standard option.
Scope of the Measures: Specifically, all 38 centrally managed lecture halls and one-third of the 57 centrally managed seminar rooms (approx. 20 rooms) are to be equipped with interactive media technology for hybrid teaching. The seminar rooms are selected based on structural suitability and as part of renovation concepts.
Technical Standardization: The lecture halls are divided into three categories according to size and equipped accordingly. The core components are always:
Audio: Ceiling-mounted or throwable microphones to include the entire auditorium.
Video: At least two cameras (one for the lecturer, one for the audience or a whiteboard) and a preview monitor for the lecturer to keep an eye on online participants.
Connectivity: A "Bring Your Own Device" (BYOD) concept with a provided interface (e.g., USB-C) allows lecturers to easily use their own laptops with the installed room technology.
Goal: Lecturers should no longer have to search for a suitable room for their hybrid scenario but can assume that the technology is available ad-hoc in a majority of the rooms.
Core Statement: "[Translated] Hybrid teaching enables more presence."
With this at first glance paradoxical thesis, Andreas Sexauer summarizes a central experience at KIT. The introduction of hybrid options does not necessarily lead to empty lecture halls but can even increase the effective presence—that is, the total number of participants.
Evolutionary Learning Process: Sexauer outlines the path from the first pragmatic solutions in the fall of 2020, which often consisted of only a simple USB webcam and an adapter for about €100, to more sophisticated mobile setups for seminar rooms (about €600). These mobile kits include a tracking camera, a tripod, and a wireless microphone system, and already allow for a high degree of interactivity.
Inclusion as a Gain in Presence: The key idea is that hybrid formats prevent the exclusion of people who, for various reasons, cannot be physically present. By enabling them to participate fully, the total number of attendees is increased, thereby enhancing the reach and effectiveness of the teaching.
Didactic Design: A schematic room layout shows how different interaction zones can be created through the placement of the camera and the lecturer's freedom of movement. It is even possible to consciously create an area where students can sit without being captured by the camera, which respects data privacy.
Core Statement: "[Translated] Hybrid teaching is an interplay of culture, technology, and software."
The presentation concludes with the insight that a successful implementation of hybrid teaching is far more than just a technical issue. Success depends on the harmonious interplay of three central pillars:
Technology: The technical equipment must be robust, reliable, and, above all, easy to use. Complicated systems create barriers and will not be used. KIT's BYOD concept is a direct response to this requirement.
Culture: Acceptance of hybrid formats must be embedded in the entire university culture. A crucial lever at KIT was the introduction of hybrid options for committee meetings and the general work environment. When lecturers and staff experience hybridity as useful and normal in their own work lives ("The way I work is the way I teach"), the willingness to use these formats in teaching increases, and reservations are reduced.
Software: The choice of the conference tool is also decisive. A tool like Zoom, which was perceived as simple and stable at KIT from the beginning, significantly promotes acceptance. A cumbersome or unreliable software, on the other hand, can quickly lead to frustration and undermine the best technical and cultural efforts.
Summarized Recommendations for Action
The presentation offers the following key recommendations for universities looking to implement hybrid teaching spaces:
Start with "Why": Define clear strategic goals (e.g., flexibility, internationalization, participation) before investing in technology.
Think Comprehensively and Standardized: Develop a university-wide concept for equipping teaching spaces to make hybrid teaching a natural option.
Rely on "Bring Your Own Device" (BYOD): Provide simple, standardized interfaces (e.g., USB-C) so that lecturers can use their familiar devices.
Focus on Interaction: Ensure technical equipment (e.g., audience microphones, multiple cameras, preview monitors) that enables genuine interaction between all participating groups.
Start Pragmatically and Learn: Begin with simple, cost-effective solutions, gather experience, and develop your concepts evolutionarily. A mobile setup for seminar rooms is a good, scalable starting point.
Promote a Cultural Shift: Anchor hybridity in the entire work culture of the university, including in committees and meetings, to increase acceptance and reduce barriers.
Consider the Interplay: Recognize that the success of hybrid teaching depends on the successful interplay of easy-to-use technology, user-friendly software, and an open, supportive university culture.