Abstract:
Etwa 24 g TOC∙EW⁻¹∙d⁻¹ werden als Schlamm in einer typischen kommunalen Abwasserbehandlungsanlage erzeugt, was 60 % des Zulaufstroms von 40 g TOC∙EW⁻¹∙d⁻¹ entspricht. Typische Abwasserbehand¬lungs¬anlagen zielen darauf ab, den organischen Kohlenstoffgehalt im Schlamm durch anaerobe Vergärung in Biogas umzuwandeln. Allerdings könnte der organische Kohlenstoff im Sinne einer nachhaltigen und zirkulären Wirtschaft besser genutzt werden. So wurde verstärkt daran geforscht, Abwasserbehand¬lungsanlagen in Abwasser-Bioraffinerien umzuwandeln. In dieser Studie wird eine potenzielle Abwasser-Bioraffinerie bewertet, wobei der Fokus auf der Extraktion chemischer Grundstoffe aus dem organischen Kohlenstoffgehalt des Primärschlamms liegt. ... mehrDiese werden in Form eines partikelfreien Hydrolysats bereitgestellt, das reich an kurzkettigen Fettsäuren (SCFAs, short-chain fatty acids) ist und das für die Rückgewinnung biobasierter Produkte genutzt werden kann. Die Hauptziele dieser Dissertation umfassen die Fermentation von SCFAs durch Dunkelfermentation und die Trennung dieser SCFAs von den Feststoffen zur Produktion eines partikelfreien Filtrats unter Verwendung einer Kombination aus Kammerfilterpresse und Mikrofiltration. Darüber hinaus wird ein abschließender Behandlungsschritt in Form einer mikrobiellen Elektrolyse untersucht und bewertet.
Zunächst wurde die Dunkelfermentation im Labor (2 L), im Technikumsmaßstab (40 L) und im Pilotmaßstab (300 L) getestet, um die SCFA-Produktion zu optimieren, indem der Einfluss der Parameter pH-Wert, Temperatur und hydraulische Verweilzeit (HRT, hydraulic retention time) in Batch- und halbkontinuierlichem Betrieb bewertet wurden. Die Ergebnisse zeigten, dass SCFA-Ausbeuten bei kürzeren hydraulischen Verweilzeiten von 1,5 bis 3 Tagen, einem neutralen pH-Wert von 7 und einer mesophilen Temperatur von 32 °C gesteigert werden konnten. Unter diesen Bedingungen erreichten die Ausbeuten 222 ± 24 mgSCFAs∙gVS⁻¹ (VS, volatile solids, Glühverlust) bei einer organischen Beladung von 18 ± 3 gVS∙L⁻¹∙d⁻¹, und 350 ± 55 mgSCFAs∙gVS⁻¹ bei einer organischen Beladung von 11 ± 3 gVS∙L⁻¹∙d⁻¹. Essigsäure und Propionsäure waren die Hauptfermentationsprodukte, die zwischen 30 und 40 % der gesamten SCFA-Konzentration ausmachten. Die Methanproduktion blieb unter 2 NmL∙gVS⁻¹, was zu einer minimalen Reduktion der Feststoffe im Hydrolysat im Vergleich zum Primärschlamm führte.
Nach der Dunkelfermentation besteht das Ziel darin, ein partikelfreies Filtrat zu erzeugen, das überwiegend SCFAs enthält. Der hohe Feststoffgehalt (2 bis 5 %) aufgrund der minimalen Feststoffreduktion begrenzt jedoch die direkte Verwendung der Mikrofiltration, da er zu einem starken Fouling der Mikrofiltrationsmembranen und auch zu einem erheblichen Rückhalt von SCFAs führen kann. Aus diesem Grund wurde das Hydrolysat zunächst mit einem kationischen stärkehaltigen Flockungsmittel, Hydroxypropyltrimethylammonium-Stärke (HPAS), konditioniert und anschließend mit einer Kammerfilterpresse mit einer Maschenweite von 100 µm entwässert. Diese Behandlung entfernte bis zu 60 % der Gesamtschwebstoffe (TS, total solids) bei einer Dosierung von 8–25 mgHPAS∙gTS⁻¹ und lieferte ein Filtrat mit suspendierten Feststoffen zwischen 100 und 1300 mg∙L⁻¹, während eine Volumenrückgewinnung von bis zu 85 % erreicht wurde. Das Filtrat wurde anschließend mit einer keramischen Mikrofiltrationsmembran (α-Al₂O₃) mit einer Porengröße von 0,2 µm filtriert, wobei eine Filtrationsfläche von 0,316 m² in einer Cross-Flow-Konfiguration verwendet wurde. Eine Methode wurde entwickelt, um den Cross-Flow zu optimieren, indem Änderungen im gesamten Filtrationswiderstand überwacht wurden. Eine optimale Cross-Flow-Geschwindigkeit von mindestens 2,3 m∙s⁻¹ wurde für eine Langzeitfiltration festgelegt. Trotz der reduzierten suspendierten Feststoffe nach der Filterpresse und der hohen Cross-Flow-Geschwindigkeit trat ein signifikantes Membranfouling auf, da HPAS die Filterpresse passierte und elektrostatisch mit der Membran interagierte. Durch das Rückspülen alle 600 Sekunden für 20 Sekunden konnte ein Permeatflux von etwa 20 L∙m⁻²∙h⁻¹ (LMH) für einen überwachten Zeitraum von 96 Stunden aufrecht erhalten werden, und die Anpassung des pH-Werts unterhalb des Isoelektrischen Punktes der Membran (um kationisches HPAS abzustoßen) ermöglichte einen Flux von 70 bis 80 LMH für einen Zeitraum von mindestens 140 Stunden. In einem halbkontinuierlichen Kaskadensystem, das Dunkelfermentation, Filterpresse und Mikrofiltration umfasst, filtrierte das System etwa 900 L pro m² Membranfläche ohne chemische Reinigung, während ein Flux im Bereich von 50 bis 60 LMH aufrechterhalten wurde. Chemische Reinigung mit basischen (pH ≈ 12) gefolgt von sauren (pH ≈ 2) Lösungen entfernte organisches und HPAS-bezogenes Fouling und stellte mindestens 75 % des Permeatfluxes wieder her. Im partikelfreien Filtrat konnte eine Rückgewinnung von etwa 4 g TOCSCFAs∙EW⁻¹∙d⁻¹ aus dem Feststoffstrom von 24 g TOC∙EW⁻¹∙d⁻¹ und erreichte Reinheitsgrade von 0,85 bis 0,97 CSCFAs∙DOC⁻¹ (Kohlenstoff (C) in SCFAs pro gelöstem organischen Kohlenstoff (DOC)) erreicht werden.
Für den letzten Behandlungsschritt wurde ein bioelektrochemischer Scheibentauchkörperreaktor (RDBER, rotating disk bioelectrochemical reactor) im Pilotmaßstab (100 L) verwendet, um SCFAs nach der Mikrofiltration mittels mikrobieller Elektrolyse in Wasserstoff umzuwandeln. Der RDBER zeichnet sich durch seine rotierenden Anodenronden mit einer hohen spezifischen Anodenfläche (100 manode²∙mreaktor⁻³) aus. Der RDBER wurde mit den elektroaktiven Bakterienstämmen Geobacter sulfurreducens und Shewanella oneidensis inokuliert und 200 Tage lang im Batch- und im kontinuierlichen Modus betrieben, um pH-Wert, hydraulische Verweilzeit (HRT), Leitfähigkeit, Rezirkulationsraten, Rotationsgeschwindigkeit der Anoden und Anodenpotenzial zu optimieren. Im Batch-Betrieb wurden mit der definierten Kultur maximale Stromdichten von 240 mA∙mAnode⁻² bei einem Anodenpotential von 300 mV vs SHE (Standard-Wasserstoffelektrode) erreicht, als der pH-Wert von 6 auf 7,7 erhöht wurde, bei einer Coulombschen Effizienz (CE) von über 70 %. In der Batch-Phase wurde auch die maximale Wasserstoffproduktion bis zu 36 L H₂∙mReaktor⁻³∙d⁻¹ erreicht. Das Starten des Reaktors mit der definierten Zwei-Spezies-Kultur und synthetischem Substrat verhinderte erfolgreich die Methanogenese, sodass über einen Zeitraum von 130 Tagen eine CH₄-freie Gasphase mit einem Wasserstoffanteil von bis zu 80 % produziert werden konnte. Unter den getesteten Betriebsparametern hatte die Erhöhung der Rezirkulationsgeschwindigkeit des Mediums von 1 auf 3 Zyklen pro Stunde ((m3∙h-1)∙mReaktor-3) den größten Effekt und führte zu einer Erhöhung der Stromdichte um 100 %. Der kontinuierliche Betrieb mit unsterilem Hydrolysat führte zu einer Verschiebung der Reaktorleistung zur Biohythanproduktion (9 % H₂, 86 % CH₄, 3 % CO₂). Bei einer HRT von etwa 3 Tagen wurde eine stabile Stromdichte von 170 mA∙manode⁻² aufrechterhalten, was zu einer CE von 33 % bei einer Produktivität von 3 L H₂∙mReaktor⁻³∙d⁻¹ und 33 L CH₄∙mReaktor⁻³∙d⁻¹ führte. Bildbasierte Analysen des Biofilms auf der Anodenfläche des Reaktors ergaben, dass nur 3,3 m² Anodenfläche (von den dargebotenen 10 m2) tatsächlich bewachsen waren. Unter Berücksichtigung dieser tatsächlich bewachsenen Fläche wurde eine maximale Stromdichte von 510 mA∙mAnode⁻² während des kontinuierlichen Betriebs erreicht. Niedrige relative Geschwindigkeiten zwischen den Anodenscheiben in den mittleren Abschnitten des RDBER behinderten wahrscheinlich den Nährstoff-, Substrat- und Produkttransport, was das Biofilmwachstum und die -verteilung beeinträchtigte. Obwohl die Rotation der Anode die Substrataufnahme in den und die Produktentfernung aus dem Biofilm verbessern kann, führten sowohl die damit verbundene tangentiale Geschwindigkeit als auch die Potentialverteilung vermutlich zu der gefundenen ringförmigen Verteilung des Biofilms auf den Anodenronden. Das Potenzial, das der RDBER im Hinblick auf die Nutzbarmachung bioelektrochemischer Systeme besitzt, kann durch eine Optimierung der Reaktorarchitektur sicherlich signifikant gesteigert werden.
Abstract (englisch):
Around 24 g TOC∙capita-1∙d-1 is generated as sludge in a typical municipal wastewater treatment plant which is 60 % of the influent stream of 40 g TOC∙capita-1∙d-1. Typical wastewater treatment plants aim at recovering the organic carbon content in sludge as biogas via anaerobic digestion. However, recent interests have shifted more towards a sustainable and circular economy warranting a better utilization of the organic carbon content in sludge. Therefore, more efforts have been directed towards redesigning wastewater treatment plants into wastewater biorefineries for a better valorization of organic carbon. ... mehrIn this study, a potential wastewater biorefinery is evaluated by focusing on the extraction of chemical precursors in the form of a particle-free short-chain fatty acids (SCFAs) substrate from the organic carbon content in primary sludge, which can be then used for bio-based products recovery. The main objectives of this thesis include fermenting SCFAs through dark fermentation and separating these SCFAs from the solids into a particle-free permeate using a combination of chamber filter-press and microfiltration. In addition, a terminal treatment step in the form of microbial electrolysis is also assessed.
Firstly, dark fermentation was tested across lab (2 L), bench (40 L), and pilot (300 L) scales to optimize SCFAs production by assessing parameters such as pH, temperature, and hydraulic retention time (HRT) in both batch and semi-continuous modes. Results indicated that SCFA yields could be enhanced at shorter HRTs of 1.5 to 3 days, a neutral pH of 7 and a mesophilic temperature of 32 °C. Under these conditions, yields reached 222 ± 24 mgSCFAs∙gVS-1 (volatile solids, VS) at an organic loading rate (OLR) of 18 ± 3 gVS∙L⁻¹∙d⁻¹, which could be further improved to 350 ± 55 mgSCFAs∙gVS-1 at an OLR of 11 ± 3 gVS∙L⁻¹∙d⁻¹. Acetic and propionic acids were the primary fermentation products, contributing between 30 and 40 % of the total SCFAs concentration. Methane production remained below 2 NmL∙gVS-1, resulting in minimal solids reduction in the hydrolyzate compared to primary sludge.
Following dark fermentation, the aim is to produce a particle-free permeate containing predominantly SCFAs. However, the high solids content (2 to 5 %) due to minimal solids reduction limits the direct use of microfiltration as it can severely foul microfiltration membranes and also result in a significant retention of SCFAs. For this reason, the hydrolyzate was first conditioned with a cationic starch-based flocculant, hydroxypropyltrimethyl ammonium starch (HPAS), and subsequently dewatered with a chamber filter-press with a 100 µm-mesh size. This treatment removed up to 60 % of total solids (TS) at a dosage range of 8–25 mgHPAS∙ gTS-1, yielding a filtrate with suspended solids between 100 and 1300 mg∙L⁻¹, while achieving up to 85 % volume recovery. The filtrate was further processed with a ceramic microfiltration membrane (α-Al₂O₃) of 0.2 µm pore size, utilizing a filtration area of 0.316 m² in a cross-flow configuration. A method was developed to optimize cross-flow by monitoring changes in total filtration resistance, establishing an optimal cross-flow velocity of at least 2.3 m∙s-1 for long-term filtration. Despite reduced suspended solids after the filter-press and the high cross-flow velocity employed, significant membrane fouling occurred due to HPAS passing through the filter-press and interacting electrostatically with the membrane. Backwashing every 600 seconds for 20 seconds sustained a permeate flux of about 20 L∙m-2∙h-1 (LMH) for a monitored period of 96 hours, and adjusting pH below the membrane's isoelectric point (to repel cationic HPAS) maintained flux of 70 to 80 LMH for a monitored period of 140 hours. In a semi-continuous cascade involving dark fermentation, filter-press, and microfiltration, the system filtered approximately 900 L per m2 of membrane area without chemical cleaning, while maintaining flux in the range of 50 to 60 LMH. Chemical cleaning with basic (pH ≈ 12) followed by acidic (pH ≈ 2) solutions removed organic and HPAS-related fouling, respectively, recovering at least 75 % of permeate flux. The particle-free permeate showed a recovery of around 4 g TOCSCFAs∙capita-1∙d-1 from the solids stream of 24 g TOC∙capita-1∙d-1, achieving purity levels of 0.85 to 0.97 CSCFAs∙DOC-1 (carbon (C) in SCFAs per dissolved organic carbon (DOC)).
For the final treatment step, a pilot-scale 100-L rotating disk bioelectrochemical reactor (RDBER) was used to convert SCFAs after microfiltration into hydrogen via microbial electrolysis. The RDBER is distinguished by its rotatory circular anodes with a high specific anodic area (100 manode2∙mreactor−3). The RDBER was inoculated with the electroactive bacterial strains Geobacter sulfurreducens and Shewanella oneidensis and operated for 200 days in batch and continuous modes, testing various physical and chemical parameters. The RDBER was operated for a 200-day period in batch and continuous modes to optimize pH, hydraulic retention time (HRT), conductivity, recirculation rates, rotational speed, and anode potential. The batch phase was operated in the defined dual-species inoculation, and peak current densities of 240 mA∙manode-2 at 300 mV vs SHE (standard hydrogen electrode) was achieved when the pH was increased from 6 to 7.7, reaching Coulombic efficiencies (CE) above 70 %. During the batch phase, maximum hydrogen production reached up to 36 L H₂∙mreactor-3∙d-1. Starting the reactor under the defined dual-species condition successfully prevented methanogenesis, maintaining a CH4-free gas phase with hydrogen content up to 80 % for 130 days. Among the tested operational parameters, increased recirculation rate of the medium content from 1 to 3 cycles per hour ((m3∙h-1)∙mreactor-3) improved current density by 100 %. Continuous operation with unsterile hydrolyzate shifted the reactor to biohythane production (9 % H₂, 86 % CH₄, 3 % CO₂). At an HRT of around 3 days, highest stable current density of 170 mA∙manode-2 was maintained, achieving CE of 33 % with a productivity of 3 L H₂∙ mreactor-3∙d-1. and 33 L CH₄∙mreactor-3∙d-1. Biofilm distribution obtained from gravimetric- and image-based analyses showed that the effective surface coverage was 3.3 m2. Considering the effective biofilm-covered area, the highest possible current density achieved during continuous feeding was 510 mA∙manode-2. Low relative velocities between the anode disks in the middle sections of the RDBER likely hindered nutrient, substrate and product transfer, affecting biofilm growth and distribution. Although the rotatory motion of the anode can improve substrate uptake and product removal, the associated tangential velocity and the potential distribution supposedly led to an annular distribution of biofilm. In any case, the RDBER merits optimization in terms of reactor architecture as there is great potential that can be leveraged to advance bioelectrochemical systems.