Abstract:
Die Entwicklung neuer Materialien steht zunehmend unter dem Druck, schneller, effizienter und nachhaltiger zu erfolgen. Klassische, experimentell geprägte Ansätze sind hierfür oft zu zeit- und kostenintensiv. Digitale Methoden eröffnen die Möglichkeit, Materialentwicklungsprozesse systematisch zu beschleunigen, indem Daten, Simulationen und maschinelles Lernen in einem konsistenten Forschungsdatenmanagement zusammengeführt werden.
Diese Arbeit adressiert diese Herausforderung am Beispiel offenzelliger Polyurethanschaumstrukturen aus dem Fahrzeugleichtbau, für die Struktur-Eigenschaft Beziehungen untersucht werden. ... mehrHierfür wird ein vollständig digitaler Entwicklungsprozess realisiert, der auf generischen, modularen Workflows basiert und in der virtuellen Forschungsumgebung Kadi4Mat verankert ist. Grundlage bildet ein Konzept zum FAIRen Materialdesign, das mit Kadi4Mat umgesetzt wird. Zentrales Rückgrat ist eine in Kadi4Mat geführte Materialdatenbank, die fortlaufend mit Rekonstruktionen, generierten Mikrostrukturen und Simulationsergebnissen erweitert wird und aus der die Struktur-Eigenschaft Beziehungen extrahiert werden.
Als Ausgangspunkt der Untersuchung wird eine Methode zur schnellen und präzisen Rekonstruktion digitaler Zwillinge aus CT-Daten entwickelt. Ein Segmentierungsnetzwerk, das auf synthetisch erzeugten Trainingsdaten basiert, ermöglicht hochgenaue Ergebnisse, während die geometrische Charakterisierung der Mikrostrukturen in einem automatisierten Workflow erfolgt.
Zur Erweiterung des Strukturraums wird ein 3D-Diffusion-GAN vorgestellt, das realistische Mikrostrukturen mit gezielt einstellbaren Eigenschaften erzeugt. Die Methode übertrifft etablierte, geometriebasierte Ansätze sowohl hinsichtlich der Genauigkeit als auch der Geschwindigkeit. Neben einer eigenschaftskonditionierten Variante wird eine bildkonditionierte Version implementiert, die ohne explizite Merkmalsextraktion auskommt.
Die makroskopischen mechanischen Eigenschaften werden in einem phasenfeldbasierten Simulationsworkflow ermittelt, der anhand experimenteller Daten realer Schaumproben validiert wurde. Dadurch wird eine hohe Übereinstimmung zwischen Simulation und Experiment erreicht.
Die erzeugten und simulierten Strukturen fließen in eine Materialdatenbank ein, die mit einem Analyseworkflow ausgewertet wird. Dieser kombiniert maschinelles Lernen mit Methoden der erklärbaren KI und identifiziert verständliche Struktur-Eigenschaft Beziehungen. Das trainierte Modell sagt mechanische Eigenschaften mit hoher Genauigkeit auf Basis weniger Struktureigenschaften vorher. Die Ergebnisse werden in Form interpretierbarer Materialkarten dargestellt und können unmittelbar für das Materialdesign genutzt werden.
Insgesamt zeigt die Arbeit, dass sich der gesamte Materialentwicklungsprozess von der Datenerfassung über Modellierung und Simulation bis zur datengetriebenen Analyse in einer einheitlichen, reproduzierbaren und skalierbaren Struktur abbilden lässt. Die entwickelten Workflows sind generisch, modular und FAIR dokumentiert, sodass sie auf weitere Materialsysteme übertragbar sind. Der Einsatz maschineller Lernverfahren automatisiert zentrale Arbeitsschritte und steigert die Effizienz des Entwicklungsprozesses deutlich.
Am Anwendungsfall der Schaumstrukturen wird demonstriert, dass mechanische Eigenschaften wie Druckmodul und Stauchgrenze mit hoher Genauigkeit aus wenigen mikrostrukturellen Eigenschaften vorhergesagt werden können. Dies reduziert den Bedarf an zeit- und kostenintensiven Experimenten erheblich und ermöglicht die gezielte Auswahl vielversprechender Strukturen. Die Arbeit liefert damit sowohl einen methodischen Beitrag zum generischen, datengetriebenen Materialdesign als auch einen konkreten Mehrwert für die Entwicklung energieabsorbierender Leichtbauelemente.
Abstract (englisch):
The development of new materials is increasingly under pressure to proceed faster, more efficiently, and more sustainably. Traditional, experiment-driven approaches are often too time- and cost-intensive. Digital methods provide a promising pathway to systematically accelerate material development processes by integrating data, simulations, and machine learning within a consistent research data management framework.
This thesis addresses this challenge using the example of open-cell polyurethane foam structures for automotive lightweight design. A fully digital development process is developed, based on generic, modular workflows anchored in the virtual research environment Kadi4Mat. ... mehrThe foundation is a FAIR material design concept, realized through Kadi4Mat. At its core, a materials database within Kadi4Mat serves as the backbone, continuously populated with reconstructions, generated microstructures, and simulation results, from which the structure–property linkages are extracted.
As a starting point, a method is developed for the rapid and precise reconstruction of digital twins from CT data. A segmentation network trained on synthetically generated datasets enables highly accurate results, while the geometric characterization of the microstructures is carried out in an automated workflow.
To expand the accessible design space, a 3D diffusion GAN is introduced that generates realistic microstructures with controllable properties. The method outperforms established geometry-based approaches in both accuracy and computational efficiency. In addition to a property-conditioned version, an image-conditioned variant is implemented that does not require explicit feature extraction.
Macroscopic mechanical properties are determined using a phase-field-based simulation workflow, validated against experimental data from real foam specimens. This ensures strong agreement between simulations and experiments.
The generated and simulated structures are integrated into a curated material database, which is analyzed using a workflow that combines machine learning with explainable AI techniques. This approach enables the identification of comprehensive structure–property relationships. The trained model predicts mechanical properties with high accuracy based on only a few structural descriptors. The results are presented in the form of interpretable material maps, which can be directly applied to material design.
Overall, this work demonstrates that the entire material development process—from data acquisition through modeling and simulation to data-driven analysis—can be represented within a unified, reproducible, and scalable framework. The developed workflows are generic, modular, and FAIR-documented, making them transferable to other material systems. The use of machine learning automates key steps and significantly increases the efficiency of the development process.
The application to polyurethane foam structures shows that mechanical properties such as compressive modulus and plateau stress can be accurately predicted from a small set of microstructural properties. This substantially reduces the need for time- and cost-intensive experiments and enables the targeted selection of promising structures. Thus, the thesis contributes both a methodological foundation for generic, data-driven material design and a concrete added value for the development of energy-absorbing lightweight components.