Irritierte Produzenten: Technikbeziehungen & Produzentenorientierungen von Tech-Entwickler:innen im Digitalen Kapitalismus

Ausgehend von Arbeitskonflikten um die Ausrichtung des digitalen Wandels in der Big-Tech- und Plattformindustrie untersucht die Arbeit die Orientierungen von Tech-Expert:innen in der digitalen Ökonomie zu Technologie, Gesellschaft und sozialer Ungleichheit. Unter Rückgriff auf neomarxistische Klassentheorien, Konzepte des digitalen Kapitalismus und machttheoretische Berufssoziologien werden die Beziehungen dieser Lohnabhängigenfraktion zu Technologie auf drei Ebenen rekonstruiert. Auf der Produktionsebene wird untersucht, wie sie Technologien für Herrschaftsordnungen im digitalen Kapitalismus entwickeln. Auf der Marktebene werden ihre biografische Erfahrungen innerhalb der digitalen Ökonomie nachvollzogen und wie diese ihre beruflichen Orientierungen zu Technologie prägen. Auf der Ebene sozialer Selbstpositionierung wird betrachtet, welche Gesellschaftsbilder und politischen Urteile sie zum digitalen Wandel ausbilden. Um diese drei Ebenen zu erschließen, werden die Tech-Entwickler:innen der digitalen Ökonomie mit industriellen Ingenieur:innen und Informatiker:innen verglichen. Der Kontrast dieser Gruppen zeigt, dass die neuen Tech-Entwickler:innen in ihren Biographien Erfahrungen des Kontrollverlustes über die Entwicklung von Technologie erleben, weil sie in beruflichen Ordnungen sozialer Schließung von klassenspezifischer Ungleichheit betroffen sind. ... mehrDiese Erfahrungen übersetzen sich bei einigen von ihnen in eine Kritik des digitalen Wandels als ungleicher Ordnung, in der sie sich selbst nicht mehr als verantwortliche Produzent:innen, sondern als Betroffene des digitalen Wandels betrachten. Empirisch stützt sich die Arbeit auf 23 biografische Interviews mit IT-Beschäftigten und Ingenieur:innen in den USA und Deutschland, 17 Experteninterviews mit Vertreter:innen professioneller Verbände, Gewerkschaftssekretär:innen und Aktivist:innen, eine Dokumentenanalyse professioneller Ausbildungsordnungen sowie auf die Auswertung von Arbeitsmarktdaten.