Abstract:
Eine der leistungsstärksten spektroskopischen Methoden zur Strukturaufklärung von (Bio-) Molekülen ist die Kernspinresonanzspektroskopie (engl. NMR). Kürzlich wurden anisotrope NMR-Techniken entwickelt, die auch die dreidimensionale Charakterisierung von Analyten erlauben. Derartige räumliche Informationen sind jedoch nur verfügbar, wenn sich ein Teil der zu untersuchenden Moleküle entlang des Magnetfeldes ausrichtet. Die gegenwärtig verwendeten Methoden zur Ausrichtung von Analyten sind durch vielfältige Limitierungen geprägt, was ihre breite Anwendung verhindert. Deshalb ist das Thema der vorliegenden Arbeit die Synthese von Polymernetzwerken als optimierte Orientierungsmedien für anisotrope NMR-Analysen.
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Mithilfe konventioneller radikalischer Copolymerisationstechniken wurden zunächst vernetzte Polystyrol (PS) -Netzwerke hergestellt, die in Form von Stäbchen als anfängliches Modellsystem verwendet wurden. Zu Beginn wurde der Einfluss des Anteils an Vernetzer (Divinylbenzol) auf die mechanischen Eigenschaften, sowie die Ausrichtungseigenschaften der Stäbchen bestimmt. Dabei zeigte sich, dass eine Erhöhung des Vernetzungsgrades zu einer erhöhten Ausrichtung führt, allerdings wird die mechanische Flexibilität dadurch herabgesetzt. Erstrebenswert ist jedoch ein flexibles Gel, das bei mechanischem Beanspruchung robust bleibt und gleichzeitig gute Ausrichtungseigenschaften besitzt. Daher wurde der Zusatz von Weichmachern während der Netzwerksynthese systematisch untersucht. Diese Zusätze verleihen den Stäbchen weichere und flexiblere Eigenschaften, wodurch die Gefahr des Gelbruchs beim Quellen und Verformen verringert wird. Diese erhöhte Stabilität gewährte eine häufigere Wiederverwendbarkeit der Stäbchen über mehrere Quell- und Entquellzyklen. Darüber hinaus ermöglichten diese flexiblen Proben die Ausrichtung des Analyten durch mechanisches Zusammendrücken des Gels zusätzlich stark anzupassen. Dennoch ist die benötigte Menge an Additiv relativ hoch (mindestens 17,5% v/v), um das Reißen und Brechen beim Quellvorgang wirksam zu vermeiden. Somit ist nicht auszuschließen, dass die jeweiligen NMR-Resonanzen des Weichmachers letztendlich die vom Analyten stammenden Signale stören. Darüber hinaus ist zu vermuten, dass die Menge an Additiv im Gel nach mehreren Quell- / Entquellzyklen abnimmt, wodurch es seine flexiblen Eigenschaften verliert. Daher wurde die Verwendung verschiedener Styrolderivate zur direkten Herstellung weicherer Stäbchen untersucht. Vorversuche zeigten, dass PS-Gele, die aus Styrolmonomeren mit langen Alkylketten in para-Position hergestellt wurden, eine verminderte Rissbildung während des Quellens der Proben zeigen. Dennoch waren die mit diesem Ansatz erhaltene Stäbchen sehr spröde, weshalb weitere Untersuchungen erforderlich sind, um ihre mechanische Eigenschaften zu optimieren und ihre zukünftige Anwendung als NMR-Ausrichtungsmedium zu garantieren.
Eine Alternative zur Optimierung der aktuellen Ausrichtmedien stellt die Einführung von funktionellen Gruppen in die Netzwerke dar. Dazu wurden zwei neuartige funktionalisierte PS-basierte Systeme entwickelt; eines mit chiralen Gruppen, das zweite mit paramagnetischen Bindungstaschen. Für die chiralen Stäbchen wurden sowohl (+) - als auch (-) - Menthol-Styrol-Monomere synthetisiert und deren Copolymerisations-verhalten mit Styrol untersucht. Vernetzte Stäbchen, die geringe (5 mol-%) und hohe (25 mol-%) Mengen jedes Enantiomers enthielten, wurden hergestellt und charakterisiert. Diese chiralen Ausrichtungsmedien ermöglichen die eindeutige Unterscheidung der Enantiomeren von optisch aktiven Analyten. Die anisotropen NMR-Experimente zeigen ein markant unterschiedliches Verhalten der Stereozentren des jeweiligen Analyten innerhalb der (+) - oder (-) - Stäbchen, doch die spezifischen Wechselwirkungen zwischen Polymerketten und Analyt können nicht eindeutig belegt werden. Für das zweite funktionelle System wurde ein Phenantrolinderivat des Styrols als Comonomer verwendet. Die in die PS-Netzwerke eingebauten Phenanthrolineinheiten (0,8 mol-%) sind gute Liganden für Lanthanoidionen, die wiederum die Ausrichtung der Analyten über paramagnetische Wechselwirkungen beeinflussen. Europium wurde als Model-Lanthanoid ausgewählt, da es mit Phenanthrolin einen stark rot fluoreszierenden Komplex bildet, der einen visuellen Anhaltspunkt für die erfolgreiche Funktionalisierung der Gele liefert.
Im letzten Teil dieser Arbeit wurde die Synthese topologisch homogener Polymernetzwerke als potentielle Orientierungsmedien untersucht. Für diesen Ansatz wurden wohl-definierte telechele PS-Stränge durch reversible Additions-Fragmentierungs-Transfer-Polymerisation (RAFT-Polymerisation) hergestellt und später gemäß Click-Chemie-Protokollen vernetzt. Zunächst wurde die UV-induzierte Nitrilimin-vermittelte Tetrazol-En-Cycloaddition (NITEC) als Vernetzungsmethode untersucht. Diese Reaktion findet unter UV-Bestrahlung zwischen einem Tetrazol und einem aktivierten En statt und erzeugt ein stark fluoreszierendes Pyrazolin-Addukt. Zu diesem Zweck wurde ein spezielles RAFT-Agens entwickelt, um damit α,ω-Tetrazol-funktionalisierte PS-Ketten herzustellen. Die Umsatzkinetik dieser endständig funktionalisierten PS-Ketten konnte während der NITEC-Addition mittels Fluoreszenzspektroskopie überwacht werden. Einerseits zeigten Stufenwachstumspolymere, die durch eine solche NITEC-Addition mit Bismaleimiden erhalten wurden, eine zum Reaktionsumsatz korrelierende Zunahme der Fluoreszenzemission. Durch die Umsetzung der Tetrazol-PS-Stränge mit trifunktionellen Maleimid-Linkern konnten schließlich fluoreszierende Netzwerke erhalten werden. Dieser neue Ansatz ist herausragend, da jede gebildete Verbindung als eine fluoreszierende Einheit erscheint. Somit konnte die genaue Anzahl der Vernetzungen im Netzwerk leicht über Fluoreszenzemissionsmessungen quantifiziert werden. Diese Methode ist das erste literaturbekannte Beispiel für die direkte Quantifizierung des Vernetzungsgrades während der Netzwerkbildung. Aufgrund der Einschränkungen hinsichtlich der Lichtdurchdringungstiefe konnte diese Methode jedoch nicht erfolgreich für die Synthese zylindrischer PS-Stäbchen angewendet werden. Um dieses Problem zu umgehen, wurden Thiol-En-Michael-Addition-Protokolle als alternative Vernetzungsmethode untersucht. Wiederum wurden wohl-definierte Polystyrolstränge unterschiedlicher Länge mittels RAFT-Polymerisationstechniken erhalten, die anschließend zu α,ω-thiol-funktionalisiertem Polystyrol aminolysiert wurden. Diese telechelen Ketten wurden im Basischen mithilfe eines tetrafunktionellen Acrylats vernetzt, wodurch endverknüpfte PS-Netzwerke mit einstellbarer Maschengröße erhalten wurden. Erwartungsgemäß wirkt sich eine Änderung der durchschnittlichen Maschengröße auf das Quellverhalten der Netze aus. So zeigten Thiol-En-Gele höhere Quellraten bei höheren Molekulargewichten der Vorläuferpolymere. Zusätzlich wurden Netzwerke aus gemischten Strängen mit unterschiedlichem Molekulargewicht hergestellt und charakterisiert. Die makroskopischen Eigenschaften dieser gemischten Netzwerke ähnelten stark den Netzwerken, die aus Einzelsträngen mit demselben durchschnittlichen Molekulargewicht hergestellt wurden. Die Mikrostruktur dieser gezielt heterogenen Netzwerke unterscheidet sich hingegen stark. Die Eignung dieser Thiol-En-Netzwerke (homo- und heterogen) als optimierte Ausrichtungsmedien wurde mit den radikalbasierten Netzwerken mit ähnlichem Vernetzungsgrad verglichen.
Zusammenfassend behandelt die vorliegende Promotionsschrift die Entwicklung von Polymergelen als Orientierungsmedien mit verbesserten mechanischen, funktionellen und ausrichtenden Eigenschaften. Darüber hinaus wurden Untersuchungen zur kontrollierten Synthese von Netzwerken durchgeführt und alternative Methoden zur Netzwerkcharakterisierung wie die Fluoreszenzspektroskopie vorgestellt. Auf diese Weise kann der Einfluss der inneren Struktur des Gels auf sein Ausrichtungsverhalten beurteilt werden. Die hier vorgestellte Arbeit ebnet den Weg für das rationale Design optimierter polymerbasierter Ausrichtungsmedien, um die Anwendung der NMR-Spektroskopie in anisotropen Medien als Standardanalysetechnik zu erweitern.
Abstract (englisch):
One of the most powerful spectroscopic methods employed for the structural elucidation of (bio)molecules is nuclear magnetic resonance (NMR) spectroscopy. Recently, anisotropic NMR techniques have been developed, which permit the spatial characterization of analytes. Nevertheless, this information is only available if the molecules of interest are partially aligned with respect to the magnetic field. The methods currently used for the alignment of analytes present several limitations that hinder their wide application. Hence, the present work investigates the synthesis of polymer networks as optimized alignment media for anisotropic NMR analyses.
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First, conventional free-radical copolymerization techniques were employed to obtain crosslinked polystyrene (PS) networks, which were shaped into sticks and used as initial model system. The influence of the amount of crosslinker (divinylbenzene) on the mechanical properties and on the alignment characteristics of the sticks was determined. An increase in the degree of crosslinking translates into a higher alignment strength, at the expense of a decreased mechanical flexibility. However, it is highly desirable to have a flexible gel – robust against mechanical failure – and at the same time, to preserve good alignment properties. Thus, the addition of plasticizers during the synthesis of the networks was systematically investigated. These additives rendered the sticks softer and more flexible in comparison to the samples without plasticizer. Therefore, breaking of the gels upon swelling and deformation was diminished, and the reusability of the sticks was enhanced by making them stable against several cycles of swelling and deswelling. On the other hand, with these flexible samples it was possible to precisely adjust the alignment strength by mechanically compressing the gel. Notwithstanding, the amount of additive needed to effectively avoid cracking and breaking upon swelling is relatively high (at least 17.5% v/v). Thus, it cannot be ruled out that the particular NMR resonances of the plasticizer will eventually interfere with the signals stemming from the analyte. Moreover, it is plausible that the amount of additive inside the gel decreases after several swelling/deswelling cycles, eventually losing its plasticizing effect. Therefore, the possibility of using different styrene derivatives was investigated in order to produce intrinsically softer sticks. Preliminary experiments demonstrated that PS gels prepared from styrenic monomers with long alkyl chains in para position display diminished formation of cracks upon swelling. Nevertheless, the sticks obtained by this approach were very brittle, hence further studies are necessary to optimize their mechanical properties for future application as NMR alignment media.
The second step in the optimization of the current alignment media was the introduction of functionality into the networks. Two novel functional PS-based systems were developed, one including chiral moieties and the second one with paramagnetic binding tags. For the chiral sticks, (+)- and (-)-menthol-styrene monomers were synthesized and their copolymerization behavior with styrene was studied. Crosslinked sticks containing low (5 mol%) and high (25 mol%) amounts of each enantiomer were prepared and characterized. These chiral alignment media allowed the unambiguous enantiodifferentiation of optically active analytes. The corresponding anisotropic NMR experiments revealed a markedly different behavior of the stereocenters of the analyte when analyzed inside the (+)- or (-)-sticks, but the specific interactions between polymer chains and analyte cannot be unraveled. For the second functional system, a phenanthroline derivative of styrene was utilized as comonomer. The phenanthroline units incorporated into the PS networks (0.8 mol%) are good ligands for lanthanide ions, which in turn influence the alignment of analytes via paramagnetic interactions. Europium was selected as model lanthanide because it forms a strongly red fluorescent complex with phenanthroline, giving a visual cue for the successful functionalization of the gels.
In the last part of the current thesis, the synthesis of topologically homogeneous polymer networks as potential alignment media was investigated. As general approach, well-defined telechelic PS strands were prepared by reversible addition-fragmentation transfer (RAFT) polymerization, and later on crosslinked using click chemistry protocols. Initially, the UV-induced nitrile imine-mediated tetrazole-ene cycloaddition (NITEC) was explored as crosslinking methodology. This reaction takes place between a tetrazole and an activated ene under UV irradiation, generating a strongly fluorescent pyrazoline adduct. A custom RAFT agent was designed for this purpose and utilized to obtain α,ω-tetrazole-functionalized PS chains. The conversion kinetics of these end-capped PS chains during NITEC addition can be monitored by fluorescence spectroscopy. On the one hand, step-growth polymers obtained by reaction with bismaleimides showed concomitant increase in the fluorescence emission with increasing reaction conversion. Moreover, by reacting the tetrazole-PS strands with a trifunctional maleimide linker, fluorescent networks were obtained. A critical advantage of this approach is the appearance of one fluorescent unit for each link formed. Hence, the number of crosslinks in the network was readily quantified via fluorescence emission readouts. This method represents the first example in the literature for the direct quantification of crosslinking degree during network formation. Nonetheless, limitations concerning light penetration depth prevented the application of this methodology for the synthesis of cylindrical PS sticks. To circumvent this issue, Michael-type thiol-ene protocols as alternative crosslinking methodology were investigated. Again, RAFT polymerization techniques were employed to obtain well-defined polystyrene strands of different length, which were subsequently aminolyzed to yield α,ω-thiol-functional polystyrene. These telechelic chains were crosslinked under basic conditions using a tetrafunctional acrylate, thus affording end-linked PS networks with tunable mesh size. As expected, changing the average mesh size has an effect in the swelling behavior of the networks. Thiol-ene gels exhibited higher swelling ratios when the molecular weight of the precursor polymers was increased. In addition, networks obtained from mixed strands of different molecular weight were prepared and characterized. These mixed networks exhibited macroscopic properties analogous to networks prepared from single strands with the same average molecular weight. However, introducing heterogeneity deliberately yields a significantly different internal microstructure. Finally, the performance of the thiol-ene networks (single and mixed) as optimized alignment media was compared with free-radical-based networks of similar crosslinking degree.
In summary, the present doctoral thesis addresses the development of polymer gels as alignment media with improved mechanical, functional, and alignment properties. Furthermore, investigations on the controlled synthesis of networks were carried out, introducing alternative network characterization methods such as fluorescence spectroscopy. In this way, the effect of the internal structure of the gel on its alignment behavior can be assessed. The work herein presented paves the way for the rational design of optimized polymer-based alignment media, in order to widen the application of NMR spectroscopy in anisotropic media as standard analytical technique.