Abstract:
Polymernetzwerke sind eine besondere Klasse von Materialien, die aus dreidimensional miteinander verknüpften Polymerketten bestehen. Im vereinfachten Idealfall werden Polymernetzwerke als ein Geflecht dargestellt, bei dem der Abstand zwischen den Vernetzungspunkten, auch elastische Kettenlänge genannt, über die gesamte Struktur gleich ist. In Wirklichkeit jedoch verändert das Vorhandensein von Defekten, wie beispielsweise unreagierte funktionelle Gruppen oder Polymerschlaufen, die Länge einiger elastischer Ketten innerhalb des Netzwerkes und beeinflusst somit die Porengrößenverteilung. ... mehrAktuelle Literaturergebnisse heben den negativen Einfluss von strukturellen Defekten auf die Elastizität von Netwerken hervor. In Anbetracht dieser Tatsache, und unter Berücksichtigung, dass Polymernetzwerke Verwendung in unserem alltäglichen Leben finden, wie zum Beispiel in Windeln, Kontaktlinsen, sowie als Materialien zur Abwasserbehandlung, liegt eine entscheidende Herausforderung heutzutage in der Entwicklung neuartiger Synthesestrategien, um homogenere Netzwerke mit maximiertem Anwendungspotential realisieren zu können.
Dementsprechend ist die vorliegende Arbeit auf die Untersuchung moderner Syntheseansätze zur Darstellung von wohldefinierten Polymernetzwerken ausgerichtet. Insbesondere ist die Synthese von Poly(acrylsäure)-Hydrogelen zur Anwendung als Trennmedium in einem membranfreien Prozess zur Entsalzung von Salzwasser in der vorliegenden Arbeit ins Auge gefasst worden.
Zu diesem Zweck wurde die Polymernetzwerkbildung mittels einer reversiblen Additions-Fragmentierungs-Kettentransfer (RAFT) Polymerisation von Acrylsäure als Monomer in der Gegenwart von N,N´-Methylenbisacrylamid als Vernetzer kontrolliert. Hierbei hatte besonders der Einsatz des RAFT-Agenz einen signifikanten Einfluss auf den Vernetzungsprozess im Vergleich zu Netzwerken, die mittels einer herkömmlichen freien radikalischen Polymerisation (FRP) hergestellt worden sind. Anhand der Größenausschlusschromatographie (SEC) war es möglich, zunächst die Bildung von linearen Ketten und danach den Einbau einer zunehmenden Anzahl von äquivalenten Ketten bis zur Gelierung nachzuvollziehen. Die entstandenen Netzwerke wiesen im Vergleich zu FRP-synthetisierten Netzwerken einen höheren Quellungsgrad auf. Unabhängig von der Syntheseroute zeigten die Netzwerke jedoch eine Heterogenität in der Mobilität der elastischen Ketten auf, welches anhand von 1H NMR-Relaxometrie-Experimenten bewiesen wurde. Dieses Verhalten ist dem Vorhandensein von Defekten in der Netzwerk-Mikrostruktur geschuldet, was wiederum die Notwendigkeit erweiterter Charakterisierungsmethoden zur Identifizierung der Art des Strukturdefekts veranschaulicht.
Aus diesem Grund wurde im zweiten Teil der vorliegenden Arbeit eine neuartige Synthese- und Analysetechnologieplattform für die präzise Darstellung und Charakterisierung von Polymernetzwerken entwickelt und dargestellt. Die vorgeschlagene Synthesestrategie ermöglicht die Einführung von nachweisbaren Defekten innerhalb der Netzwerk-Mikrostruktur, indem Heteroatome wie Fluor, die mittels NMR-Spektroskopie nachweisbar sind, extakt an den Vernetzungspunkten eingebaut werden. Der Einbau von Heteroatomen in Polymernetzwerke wurde mit Hilfe der Endgruppen-Kopplungsstrategie unter Anwendung der para-Fluoro-Thiol Reaktion (PFTR) als Ligationswerkzeug während des Vernetzungsprozesses erreicht. Zunächst wurde eine detaillierte mechanistische Studie der PFT-Reaktion durchgeführt, um weitere Erkenntnisse über die Ligationstechnik zu gewinnen. Mögliche Nebenreaktionen, wie zum Beispiel Disulfidbrückenbildung oder Mehrfachsubstitutionen am fluorierten aromatischen Ring, wurden erfolgreich unterdrückt, und die Reaktionsparameter wurden sorgfältig optimiert.
Schließlich wurde eine Vielzahl an Netzwerken mittels PFTR hergestellt, indem ein wohldefinierter bifunktionaler Vorläufer mit einem drei- oder vierarmigen Linker zur Reaktion gebracht wurde. Eine Reihe von Reaktionsbedingungen wurde identifiziert, um das Verfahren auf verschiedene Arten von Polymeren, z. B. Polystyrole und Polymethacrylate, erweitern zu können. Die Größenverteilung der Maschen, und damit der Vernetzungsgrad, wurde durch den Einsatz von bifunktionellen Vorläufern mit unterschiedlichen Molekulargewichten exakt abgestimmt. Bei allen Netzwerken wurde die Anzahl der nicht reagierten Einheiten mittels 19F NMR-Spektroskopie ohne Zersetzung des Netzwerks quantifiziert, was das analytische Leistungsvermögen der vorgeschlagenen Strategie hervorhebt.
Schlussfolgernd lässt sich festhalten, dass die vorliegende Dissertation einen ersten, wichtigen Schritt zu einem tieferen Verständnis der Struktur-Leistungs Beziehung aufzeigt. Die Arbeit schließt mit einem Ausblick auf zukünftige Forschungsvorhaben.
Abstract (englisch):
Polymer networks are a particular class of materials composed of polymer chains which are three-dimensionally connected to each other. In an ideal simplified scenario, polymer networks are represented as a net in which the space between the crosslinking points, also called elastic chain length, is equal throughout the whole structure. In reality, the presence of defects such as unreacted moieties and loops alters the length of some of the elastic chains, and therefore the pore size distribution.
Recent literature shows the negative impact of structural defects on the elasticity of the network. ... mehrAware of this fact, and considering that polymer networks are part of our everyday life in diapers, contact lenses and materials for waste water treatment, one of the current key challenges lies in the development of novel synthetic strategies for the achievement of more homogenous networks, with maximized application potential.
With this in mind, the presented study is oriented towards the investigation of advanced synthetic approaches for the formation of well-defined polymer networks. In particular, the synthesis of poly(acrylic acid) hydrogels with application as separation agent in a membrane-free process for the desalination of salt water was envisaged in the present work.
For this purpose, the network formation was controlled by reversible addition-fragmentation chain transfer (RAFT) polymerization of acrylic acid as monomer in the presence of N,N´-methylenebisacrylamide as crosslinking agent. Importantly, the employment of the RAFT agent had a significant impact on the crosslinking process when compared to the conventional free radical polymerization (FRP). According to size-exclusion chromatography (SEC), in the RAFT-mediated process it was possible to identify first the formation of linear chains, and thereafter the incorporations of an increasing number of equivalent chains until gelation. The resulting networks were characterized by higher degrees of swelling compared to those obtained via FRP. However, independently from the synthetic approach, the networks exhibited heterogeneity in the mobility of the elastic chains as observed in 1H NMR relaxometry experiments. This is associated with the presence of defects in the network microstructure, underpinning the need of advanced characterization techniques for the identification of the type of structural defect.
For this reason, a novel synthetic and analytical technology platform for the precise design of polymer networks is developed in the second part of the presented work. The proposed strategy enable the introduction of traceable defects within the network microstructure by locating heteroatoms such as fluorine, detectable via NMR spectroscopy, precisely at the crosslinking points. The incorporation of heteroatoms was achieved by synthesizing networks via the end-linking strategy using the para-fluoro-thiol reaction (PFTR) as a ligation tool during the crosslinking process. Initially, an in-depth mechanistic study of the reaction was conducted to gain further insights into the ligation technique. Potential side reactions such as disulfide bond formation or multiple substitutions on the fluorinated aromatic ring were successfully suppressed and the reaction parameters were carefully optimized.
Finally, a series of networks was obtained via PFTR upon reaction of a well-defined bifunctional precursor and a three- or four-armed linker. A library of reaction conditions was identified to expand the approach to different types of polymers, e.g. polystyrenes and polymethacrylates. The mesh size distribution, and so the degree of crosslinking, was precisely tuned by using bifunctional precursors with different molecular weights. For all networks, the quantification of the number of unreacted moieties was determined via 19F NMR spectroscopy without degradation of the network, proving the analytical power of the proposed strategy.
In conclusion, the current work reveals a first step towards a deeper understanding of the structure-performance relationship, while an outlook into potential future research is provided in the final part of the current thesis.