Abstract:
Die Analyse menschlicher Bewegung außerhalb des Labors unter realen Bedingungen ist in den letzten Jahren sowohl in sportlichen als auch in medizinischen Anwendungen zunehmend bedeutender geworden. Mobile Sensoren, welche am Körper getragen werden, haben sich in diesem Zusammenhang als wertvolle Messinstrumente etabliert. Auf Grund des Umfangs, der Komplexität, der Heterogenität und der Störanfälligkeit der Daten werden vielseitige Analysemethoden eingesetzt, um die Daten zu verarbeiten und auszuwerten. Zudem sind häufig Modellierungsansätze notwendig, da die gemessenen Größen nicht auf direktem Weg aussagekräftige biomechanische Variablen liefern. ... mehrSeit wenigen Jahren haben sich hierfür Methoden des maschinellen Lernens als vielversprechende Instrumente zur Ermittlung von Zielvariablen, wie beispielsweise der Gelenkwinkel, herausgestellt.
Aktuell befindet sich die Forschung an der Schnittstelle aus Biomechanik, mobiler Sensoren und maschinellem Lernen noch am Anfang. Der Bereich birgt grundsätzlich ein erhebliches Potenzial, um einerseits das Spektrum an mobilen Anwendungen im Sport, insbesondere in Sportarten mit komplexen Bewegungsanforderungen, wie beispielsweise dem Eishockey, zu erweitern. Andererseits können Methoden des maschinellen Lernens zur Abschätzung von Belastungen auf Körperstrukturen mittels mobiler Sensordaten genutzt werden. Vor allem die Anwendung mobiler Sensoren in Kombination mit Prädiktionsmodellen zur Ermittlung der Kniegelenkbelastung, wie beispielsweise der Gelenkmomente, wurde bisher nur unzureichend erforscht. Gleichwohl kommt der mobilen Erfassung von Gelenkbelastungen in der Diagnostik und Rehabilitation von Verletzungen sowie Muskel-Skelett-Erkrankungen eine zentrale Bedeutung zu.
Das übergeordnete Ziel dieser Dissertation ist es, festzustellen inwieweit tragbare Sensoren und Verfahren des maschinellen Lernens zur Quantifizierung sportlicher Bewegungsmerkmale sowie zur Ermittlung der Belastung von Körperstrukturen bei der Ausführung von Alltags- und Sportbewegungen eingesetzt werden können.
Die Dissertation basiert auf vier Studien, welche in internationalen Fachzeitschriften mit Peer-Review-Prozess erschienen sind. Die ersten beiden Studien konzentrieren sich zum einen auf die automatisierte Erkennung von zeitlichen Events und zum anderen auf die mobile Leistungsanalyse während des Schlittschuhlaufens im Eishockey. Die beiden weiteren Studien präsentieren jeweils einen neuartigen Ansatz zur Schätzung von Belastungen im Kniegelenk mittels künstlich neuronalen Netzen. Zwei mobile Sensoren, welche in eine Kniebandage integriert sind, dienen hierbei als Datenbasis zur Ermittlung von Kniegelenkskräften während unterschiedlicher Sportbewegungen sowie von Kniegelenksmomenten während verschiedener Lokomotionsaufgaben.
Studie I zeigt eine präzise, effiziente und einfache Methode zur zeitlichen Analyse des Schlittschuhlaufens im Eishockey mittels einem am Schlittschuh befestigten Beschleunigungssensor. Die Validierung des neuartigen Ansatzes erfolgt anhand synchroner Messungen des plantaren Fußdrucks. Der mittlere Unterschied zwischen den beiden Erfassungsmethoden liegt sowohl für die Standphasendauer als auch der Gangzyklusdauer unter einer Millisekunde.
Studie II zeigt das Potenzial von Beschleunigungssensoren zur Technik- und Leistungsanalyse des Schlittschuhlaufens im Eishockey. Die Ergebnisse zeigen für die Standphasendauer und Schrittintensität sowohl Unterschiede zwischen beschleunigenden Schritten und Schritten bei konstanter Geschwindigkeit als auch zwischen Teilnehmern unterschiedlichen Leistungsniveaus. Eine Korrelationsanalyse offenbart, insbesondere für die Schrittintensität, einen starken Zusammenhang mit der sportlichen Leistung des Schlittschuhlaufens im Sinne einer verkürzten Sprintzeit.
Studie III präsentiert ein tragbares System zur Erfassung von Belastungen im Kniegelenk bei verschiedenen sportlichen Bewegungen auf Basis zweier mobiler Sensoren. Im Speziellen werden unterschiedliche lineare Bewegungen, Richtungswechsel und Sprünge betrachtet. Die mittels künstlich neuronalem Netz ermittelten dreidimensionalen Kniegelenkskräfte zeigen, mit Ausnahme der mediolateralen Kraftkomponente, für die meisten analysierten Bewegungen eine gute Übereinstimmung mit invers-dynamisch berechneten Referenzdaten.
Die abschließende Studie IV stellt eine Erweiterung des in Studie III entwickelten tragbaren Systems zur Ermittlung von Belastungen im Kniegelenk dar. Die ambulante Beurteilung der Gelenkbelastung bei Kniearthrose steht hierbei im Fokus. Die entwickelten Prädiktionsmodelle zeigen für das Knieflexionsmoment eine gute Übereinstimmung mit invers-dynamisch berechneten Referenzdaten für den Großteil der analysierten Bewegungen. Demgegenüber ist bei der Ermittlung des Knieadduktionsmoments mittels künstlichen neuronalen Netzen Vorsicht geboten. Je nach Bewegung, kommt es zu einer schwachen bis starken Übereinstimmung zwischen der mittels Prädiktionsmodell bestimmten Belastung und dem Referenzwert.
Zusammenfassend tragen die Ergebnisse von Studie I und Studie II zur sportartspezifischen Leistungsanalyse im Eishockey bei. Zukünftig können sowohl die Trainingsqualität als auch die gezielte Verbesserung sportlicher Leistung durch den Einsatz von am Körper getragener Sensoren in hohem Maße profitieren. Die methodischen Neuerungen und Erkenntnisse aus Studie III und Studie IV ebnen den Weg für die Entwicklung neuartiger Technologien im Gesundheitsbereich. Mit Blick in die Zukunft können mobile Sensoren zur intelligenten Analyse menschlicher Bewegungen sinnvoll eingesetzt werden.
Die vorliegende Dissertation zeigt, dass die mobile Bewegungsanalyse zur Erleichterung der sportartspezifischen Leistungsdiagnostik unter Feldbedingungen beiträgt. Zudem zeigt die Arbeit, dass die mobile Bewegungsanalyse einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Gesundheitsdiagnostik und Rehabilitation nach akuten Verletzungen oder bei chronischen muskuloskelettalen Erkrankungen leistet.
Abstract (englisch):
In recent years, human movement analysis in real-life settings outside the laboratory has experienced increasing attention in sports and medical applications. At the same time, wearable sensors have been evolved as valuable tools. This has allowed to acquire large-scale human movement data that are typically complex, heterogeneous, and noisy. In this context, modeling approaches are required, as the measured quantities often do not directly reflect meaningful biomechanical variables. More recently, machine learning methods have emerged as promising modeling tools that exploit unstructured data for estimating relevant target variables, such as joint kinematics and dynamics.
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Although research in this field is still in its initial phase, there is a great potential not only to enlarge the range of numerous applications in sports but also to obtain biomechanical measures used to infer the load on body structures, such as joint forces. This applies in particular to unique sports such as ice hockey skating. Furthermore, little research has been conducted with respect to the direct estimation of biomechanical surrogate measures for knee joint load (i.e., joint dynamics) using wearable technology. This is of paramount importance, as ambulatory joint load assessment can improve health diagnostics and rehabilitation of injuries as well as musculoskeletal diseases.
The overall aim of this thesis is to assess how, and to what extent, wearable sensors and machine learning techniques can biomechanically quantify sports performance and the load on body structures during the execution of everyday and sport movements.
This thesis is based on four studies that are published in international peer-reviewed journals. The first two studies focus on the automated event detection and mobile performance analysis during ice hockey skating. The other two studies present the outcome of an artificial neural network (ANN) approach to estimate knee joint forces during sport movements and for the ambulatory assessment of joint loading in knee osteoarthritis using wearable sensors.
Study I provides a precise, efficient, and simple way to perform temporal analyses in ice hockey skating by means of a skate-mounted accelerometer. Validation of this novel approach is performed based on plantar pressure data. Accuracies of both data acquisition methods vary in less than one millisecond for contact and stride time.
Study II highlights the potential of accelerometers for assessing skating technique elements as well as elements characterizing the propulsive power of skating strides. Discriminating effects across skill levels and sprint phases are shown for contact time and stride propulsion. The highest strength of association with the sprint performance is shown for stride propulsion.
In study III, an ANN is trained to estimate three-dimensional knee joint forces based on two wearable sensors integrated in a knee sleeve. The examination is performed across a variety of movements, including linear motions, changes of direction, and jumps. The ANN-estimated knee joint forces show good agreement with inverse dynamics-calculated reference data for most of the investigated movements, except for the medio-lateral force component.
Finally, in study IV, the developed approach for an ambulatory assessment of joint loading in knee osteoarthritis displays a strong agreement between the ANN-estimated knee flexion moments and reference data for the majority of analyzed locomotion tasks. The ANN-estimated knee adduction moment shows a lower conformity in comparison to the knee flexion moment, ranging from weak in cutting and fast running to strong for walking straight. As a consequence, cautious interpretation is required with respect to the ANN-based estimation of the knee joint loading by way of the ambulatory minimal body-worn sensor setup.
The findings of study I and study II help to overcome limitations in the assessment of ice hockey skating and open new possibilities for in-field performance diagnosis. Thus, the training quality and player development can substantially benefit from wearable performance sensors. Since estimating meaningful biomechanical quantities from wearable sensor data is not a trivial task, the methodological steps and findings of study III and study IV pave the way for the development of novel health technologies. Looking ahead, wearable sensors could serve as a smart monitoring device for human movement analysis in real-world settings.
Ultimately, wearable human movement analysis can facilitate sports performance diagnosis, improve health diagnostics and rehabilitation of injuries as well as musculoskeletal diseases.