Abstract:
Einleitung:
Bei dieser Dissertation handelt es sich um eine Grundlagenarbeit, die sich mit der motorischen Leistungsfähigkeit (mLF) und der motorischen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in Verbindung mit dem Thema Talentsichtung beschäftigt. Ziel dieser Arbeit ist es, differentielle Aspekte (Entwicklung, Veränderung, Einflussfaktoren) zur Entwicklung der mLF bei Kindern im Alter von sechs bis 14 Jahren zu analysieren und die Ergebnisse in den aktuellen Forschungsstand einzuordnen.
Für diese kumulative Dissertation wurden vier Artikel eingereicht und veröffentlicht: Die Daten von Artikel (1) entstammen dem TrieKis-Projekt (2007-2013), dieses sich mit der mLF von Trierer Grundschulkindern beschäftigte. ... mehrDie Artikel (2), (3) und (4) befassen sich mit dem NRW-Sportschulprojekt, das die Talentsichtung von sportlich talentierten Viert- bzw. Siebtklässlern von 18 Sportschulen zum Ziel hat.
Methode:
Die TrieKis-Grundschulstudie (1) überprüfte die allgemeine motorische Leistungsfähigkeit von zwei Kohorten (N=253; N=315) in den ersten vier bzw. drei Schuljahren mit dem Deutschen Motorik-Test 6-18 (DMT; Bös et al., 2016). Das Ziel der Studie besteht darin, die motorische Entwicklung und die Stabilität der mLF im Grundschulalter zu messen.
Artikel (2) ist ein Übersichtartikel, in dem die Talentförderung und Talentsichtung der NRW-Sportschulen beschrieben und die eingesetzten Diagnoseinstrumente (Motorischer Test 2; Seidel et al., 2014) vorgestellt werden. Zudem beinhaltet das Paper deskriptive Ergebnisse zur Reliabilität der semi- und sportartspezifischen Tests und zum BMI.
Artikel (3) ist eine Trendstudie und zielt darauf ab, die Veränderung der mLF von 11.451 Sportschulbewerbern (3.979 Mädchen, 7.472 Jungen) aus Klasse 4 und 2.614 Sportschülern (1.032 Mädchen, 1.582 Jungen) aus Klasse 7 in den vergangenen zehn bzw. acht Jahren zu analysieren. Neben den einzelnen Jahrgängen werden die Top-10 Jungen/Mädchen einer Kohorte als potentielle Talente definiert und gesondert betrachtet.
Artikel (4) ist eine kombinierte Quer- und Längsschnittstudie, in der das Ausgangsniveau und die Entwicklung der mLF zwischen der 4. und 7. Klasse von 1.590 Sportschülern (w=1.075; m=515) untersucht wird. Die Sportdisziplin, der Trainingsumfang und die Trainingsjahre wurden per Fragebogen erhoben und fließen als Einflussfaktoren in die Analysen ein.
Ergebnisse:
Artikel (1) zeigt, dass die allgemeine motorische Leistungsfähigkeit im Grundschulalter in allen Fähigkeitsbereichen, außer bei der Beweglichkeit, ansteigt. Geschlechtsspezifische Unterschiede liegen beim 20m-Sprint, 6-Minuten-Lauf, Balancieren rückwärts, seitlichen Hin- und Herspringen sowie bei der Rumpfbeuge-Aufgabe vor. 74,4% der Stabilitätskoeffizienten (Pearson) sind moderat (r=0,30 bis 0,60). Die Stabilität der mLF verringert sich bei größer werdenden Zeitspannen.
Die in Artikel (2) berechneten Reliabilitätskoeffizienten der semispezifischen (MT2-A) und sportartspezifischen Testaufgaben (MT2-B Leichtathletik und Schwimmen) streuen zwischen r=0,67 bis r=0,98. Es wurde zudem bestätigt, dass Kinder mit einer schlechteren Körperkonstitution auch eine verminderte motorische Leistungsfähigkeit aufweisen.
Artikel (3) zeigt, dass die motorische Leistungsfähigkeit der Viertklässler in den letzten zehn Jahren stabil geblieben ist. Bei den Siebtklässlern wurde ein Rückgang der mLF in den vergangenen acht Jahren festgestellt. Das motorische Leistungsvermögen der Top-10-Jungen/Mädchen stieg in beiden Klassenstufen an. Die Änderungsraten der Regressionsanalysen in Klasse 7 (weiblich: β=0,80; männlich: β=0,76) waren höher als in Klasse 4 (weiblich: β=0,36; männlich: β=0,32).
Die Ergebnisse aus Artikel (4) dokumentieren, dass das Ausgangsniveau der mLF der Sportschüler aus Klasse 4 deutlich über dem Bundesdurchschnitt (Bös et al., 2009a) liegt und bei beiden Geschlechtern durch die Sportdisziplin und den Trainingsumfang (0,016 ≤ η2 ≤ 0,057) beeinflusst wird.
Die Entwicklung der mLF von Klasse 4 bis 7 wird durch die Sportdisziplin, den Trainingsumfang sowie durch die Interaktion Trainingsumfang und Zeit beeinflusst. Insgesamt liegen eher geringe Effektstärken (0,007 ≤ η2 ≤ 0,083) vor. Im Vergleich zum Bundesdurchschnitt erreichen die Sportschüler keine höheren Leistungszuwächse in dem 3-Jahreszeitraum.
Diskussion / Schlussfolgerung:
Die Stabilität der mLF in Studie (1) war insgesamt nur moderat. Die inter- und intra-individuellen Unterschiede im Zeitpunkt und Tempo der Wachstumsschübe und der Geschlechtsreife beeinflussen die Stabilität der mLF. Die Ergebnisse der Kohorte 2 bestätigten größtenteils die Ergebnisse der Kohorte 1.
Die Ergebnisse aus Artikel (2) zeigen, dass die im NRW-Projekt eingesetzten semi- und sportspezifischen motorischen Tests eine gute Reliabilität aufweisen und weiterhin für Talentsichtungsmaßnahmen eingesetzt werden können. Außerdem bestätigen die Analysen zum BMI Ergebnisse aus anderen Studien (z.B. Greier et al., 2015), wonach Kinder mit einer schlechteren Körperkonstitution auch eine verminderte motorische Leistungsfähigkeit aufweisen.
Der Anstieg der mLF der Top-10-Jungen/Mädchen (Artikel 3) an den Sportschulen kann als Erfolg für die Sportschulen interpretiert werden. Durch Erfahrungswerte der verantwortlichen Personen an den Schulen gelang es evtl. besser, sportlich talentierte Kinder für die Schule zu gewinnen. Durch die Einstellung neuer Trainer und Lehrer könnte sich die Qualität des Sportunterrichtes und die Betreuung der Athleten verbessert haben.
Das Ausgangsniveau und die Entwicklung der allgemeinen mLF (Artikel 4) werden durch die Sportdisziplin und den Trainingsumfang beeinflusst. Das Trainingsalter hat keinen Effekt auf die mLF. Die Trainingsdokumentation könnte durch eine jährliche Abfrage mit Berücksichtigung qualitativer Aspekte des Trainings (Baker et al., 2012) weiter optimiert werden. Es existiert noch Potential, um die mLF, insbesondere in Klasse 7, weiter zu verbessern. Seit dem Schuljahr 2018/19 liegen an den NRW-Sportschulen relativ stabile Stichproben in den Klassenstufen 4 und 7 vor, sodass die Studien (2) – (4) fortgesetzt werden können. In weiterführenden Analysen könnten neben den Trainingsparametern auch sportpsychologische Daten sowie der biologische Reifegrad betrachtet werden.
Abstract (englisch):
Introduction:
This doctoral thesis is a basic work that deals with the physical fitness (PF) and motor development of children and adolescents in conjunction with the topic of talent screening. This work aims to analyze differential aspects (development, change, influencing factors) of PF development in children aged 6-14.
Four articles were submitted and published for this thesis: The data from the article (1) was drawn from the TrieKis project (2007-2013), which explored the PF of primary school children in Trier. Articles (2), (3), and (4) deal with the sport schools project. ... mehrThis study aims to screen sporty fourth- and seventh-graders from 18 different schools.
Methods:
Study (1) aims is to measure the development and the stability of general PF in primary school age. Two longitudinal cohorts of 568 children (N=253; N=315) were measured with the German Motor-Test 6-18 (DMT). This test battery examines the general fitness (Bös et al., 2016).
Article (2) is an overview article that describes the talent promotion system and the PF testing at the sport schools. Additionally, this paper contains descriptive results on the reliability of semi- and sport-specific motor tests and BMI.
Article (3) is a trend study. A total of 11,451 subjects (3979 female, 7472 male) aged 8–12 from the past 10 years were assessed using the DMT in grade 4. 2614 subjects (1032 girls, 1582 boys) aged 11–15 from the past eight years were tested in grade 7. PF talents were defined as the top 10 boys and top 10 girls of each cohort.
Article (4) is a combined cross-sectional and longitudinal study that analyses the initial level of PF and development of PF in pupils from grade 4 to grade 7 at the sport schools. A total of 1590 (1074 female, 516 male) were tested in grade 4 and re-tested in grade 7 using DMT. Additionally, the discipline, training volume, and training age were captured via questionnaire.
Results:
Article (1) shows that PF increased significantly over time in all test tasks except flexibility. Gender-specific differences were found in 20m sprint, 6-minute run, balancing backwards, jumping sideways, and stand and reach. 74.4% of PF stability coefficients were moderate (𝑟=0.30 to 0.60). The stability of PF declined with increased time frames.
The reliability (article 2) of the semi- (MT2-A) and sport-specific tests (swimming and athletics) ranged from r=0.67 to r=0.98. It has also been confirmed that children with a poor body constitution also have a reduced PF compared to their counterparts.
Article (3) shows that the PF of all subjects remained stable in grade 4 and declined in grade 7. The PF
of the top 10 boys and top 10 girls increased in both grades. The improvements were stronger in grade
7 (female: rates of change β=0.80; male: β=0.76) than in grade 4 (female: β=0.36; male: β=0.32). Sit-ups and push-ups showed the highest change rates.
The initial level of PF of boys and girls (study 4) lies above the German average (Bös et al., 2009) and was influenced by sport discipline and training volume (0,016 ≤ η2 ≤ 0,057). The development of PF was influenced by sport discipline, training volume and the interaction between training volume and time. In total, the effect sizes were low (0,007 ≤ η2 ≤ 0,083).
Discussion
The tracking of PF (study 1) was only moderate. Variability in the timing and speed of the adolescent growth spurt and sexual maturation influence the stability of PF. Results from longitudinal cohort 2 largely confirm those from longitudinal cohort 1.
The results of the article (2) showed good reliability of motor tests used for talent screening. The BMI analyses confirm results from other studies (Greier et al., 2015) that children with poor body constitution also have a reduced PF level.
The improvement of PF of the top 10 boys and girls (study 3) can be interpreted as a success for sport schools. The quality and content of overall physical education at the sport schools may have improved, as well as better identification of PF talents.
The training age (study 4) does not affect the general PF. In further studies, more information on the type of training would be useful. (Baker et al., 2012). Generally, it seems that there is still potential to raise the level of PF, especially in grade 7. In the future, more stable samples will be available because all 18 sport schools in NRW have become steady partners of the project and the studies (2) – (4) can be continued. In further analyses, in addition to the training parameters, sports psychological data as well as the biological maturity could be considered.