Abstract:
Mit dem Ziel, den Stromsektor zu dekarbonisieren und dem Klimawandel zu begegnen, steigt der Anteil erneuerbarer Energieressourcen in den Energiesystemen rund um den Globus kontinuierlich an. Aufgrund des intermittierenden Charakters dieser Ressourcen kann die Aufrechterhaltung des momentanen Gleichgewichts zwischen Erzeugung und Verbrauch und damit der Netzfrequenz ohne angemessene Maßnahmen jedoch eine Herausforderung darstellen. Da erneuerbare Energiequellen mit Umrichterschnittstellen dem System selbst keine Trägheit verleihen, nimmt gleichzeitig die kumulative Systemträgheit ab, was zu schnelleren Änderungen der Netzfrequenz und Bedenken hinsichtlich der Netzstabilität führt. ... mehr
Ein Schwungrad-Energiespeichersystem (Flywheel Energy Storage System, FESS) kann schnell große Leistungsmengen einspeisen oder aufnehmen, um das Netz nach einer abrupten Änderung der Erzeugung oder des Verbrauchs zu unterstützen. Neben der schnellen Reaktionszeit hat ein FESS den Vorteil einer hohen Leistungsdichte und einer großen Anzahl von Lade- und Entladezyklen ohne Kapazitätsverlust während seiner gesamten Lebensdauer. Diese Eigenschaften machen das FESS zu einem gut geeigneten Kandidaten für die Frequenzstabilisierung des Netzes oder die Glättung kurzfristiger Leistungsschwankungen auf lokaler Ebene.
In dieser Dissertation wird die Netzintegration eines Hochgeschwindigkeits-FESS auf der Niederspannungsebene aus mehreren Perspektiven untersucht. Zunächst wird das Problem der Platzierung und Dimensionierung eines FESS in Niederspannungsverteilnetzen für Leistungsglättungsanwendungen behandelt. Um den am besten geeigneten Standort für ein FESS zu finden, wird eine datengetriebene Methode zur Abschätzung der relativen Spannungsempfindlichkeit vorgestellt, die auf dem Konzept der Transinformation basiert. Der Hauptvorteil der vorgeschlagenen Methode besteht darin, dass sie kein Netzmodell erfordert und nur Messwerte an den interessierenden Punkten verwendet. Messergebnisse aus einem realen Netz in Süddeutschland zeigen, dass mit dem vorgeschlagenen Ansatz die Netzanschlusspunkte mit einer höheren Spannungsempfindlichkeit gegenüber Wirkleistungsänderungen, welche am meisten von einem durch FESS ermöglichten, glatteren Leistungsprofil profitieren können, erfolgreich zugeordnet werden können. Darüber hinaus wird eine neue Methode zur Dimensionierung von Energiespeichersystemen unter Verwendung von Messdaten eingeführt. Der vorgeschlagene Ansatz erkennt wiederkehrende Verbrauchsmuster in aufgezeichneten Leistungsprofilen mit Hilfe des "Motif Discovery"-Algorithmus, die dann zur Dimensionierung verschiedener Speichertechnologien, einschließlich eines FESS, verwendet werden. Anhand von gesammelten Messdaten aus mehreren Niederspannungsnetzen in Deutschland wird gezeigt, dass die Speichersysteme mit den aus den detektierten Mustern abgeleiteten Charakteristika während der gesamten Messperiode effektiv für ihre Anwendungen genutzt werden können.
Als nächstes wurde ein dynamisches Modell eines Hochgeschwindigkeits-FESS entwickelt und mit experimentellen Ergebnissen in mehreren Szenarien, unter Berücksichtigung der Verluste und des Hilfsenergiebedarfs des Systems, validiert. In den untersuchten Szenarien wurde eine maximale Differenz von nur 0,8 % zwischen dem Ladezustand des Modells und dem realen FESS beobachtet, was die Genauigkeit des entwickelten Modells beschreibt.
Nach Festlegung des erforderlichen Aufbaus wurde die Leistungsfähigkeit eines 60 kW Hochgeschwindigkeits-FESS während mehrerer Frequenzabweichungsszenarien mit Hilfe von Power Hardware-in-the-Loop-Tests beurteilt. Die Ergebnisse der PHIL-Tests zeigen, dass das Hochgeschwindigkeits-FESS sehr schnell nach einer plötzlichen Frequenzabweichung reagiert und in knapp 60 ms die erforderliche Leistung erreicht, wobei die neuesten Anforderungen der Anwendungsregeln für die Frequenzunterstützung auf der Niederspannungsebene erfüllt werden.
Um schließlich die Vorteile des schnellen Verhaltens des FESS für Energiesysteme mit geringer Trägheit zu demonstrieren, wurde ein neuartiger adaptiver Trägheits-Emulationsregler für das Hochgeschwindigkeits-FESS eingeführt und seine Leistung in einem Microgrid mit geringer Trägheit durch Simulationen und Experimente validiert. Die Simulationsergebnisse zeigen, dass die Verwendung des FESS mit dem vorgeschlagenen Trägheits-Emulationsregler die maximale Änderungsrate der Frequenz um 28 % und die maximale Frequenzabweichung um 44 % während der Inselbildung des untersuchten Microgrid reduzieren kann und mehrere zuvor vorgestellte adaptive Regelungskonzepte übertrifft. Der vorgeschlagene Regler wurde auch auf einem realen 60 kW FESS mit dem Konzept des Rapid Control Prototyping implementiert, und die Leistungsfähigkeit des FESS mit dem neuen Regelungsentwurf wurde mit Hilfe von PHIL-Tests des FESS validiert. Die PHIL-Ergebnisse, die die allererste experimentelle Validierung der Trägheitsemulation mit einem FESS darstellen, bestätigen die Simulationsergebnisse und zeigen die Vorteile des vorgeschlagenen Reglers.
Abstract (englisch):
With the aim of decarbonizing the electricity sector and addressing climate change, the share of renewable energy sources in power systems around the globe is consistently increasing. However, due to the intermittent nature of these sources, maintaining the instantaneous balance between the generation and the demand, and therefore, the grid frequency, can be challenging without adequate measures. In addition, since converter-interfaced renewables do not inherently provide inertia to the system, the cumulative system inertia is simultaneously decreasing, resulting in faster changes in the grid frequency and concerns over the grid stability. ... mehr
A Flywheel Energy Storage System (FESS) can rapidly inject or absorb high amounts of power in order support the grid, following an abrupt change in the generation or in the demand. In addition to the quick response time, a FESS has the advantage of a high power density and a large number of charging and discharging cycles, with no capacity loss throughout its lifetime. These characteristics make the FESS a well-suited candidate for providing frequency support to the grid or smoothing out short-term power variations at a local level.
The work presented in this thesis studies the grid integration of a high-speed FESS in low voltage distribution grids from several perspectives. First, the problem of allocation and sizing of a FESS in low voltage distribution grids for power smoothing applications is addressed. In order to find the most suitable location for a FESS, a data-driven method for estimating the relative voltage sensitivity is introduced based on the concept of mutual information. The main advantage of the proposed method is that it does not require a grid model, and uses only the measurement values at points of interest. Measurement results from several real distribution grids in southern Germany show that the proposed approach can successfully allocated the grid connection points with a higher voltage sensitivity to active power changes, which can benefit the most from a smoother power profile, using a FESS. Moreover, a new method for sizing energy storage systems using historical measurement data is introduced. The proposed approach detects reoccurring consumption patterns in the measured power profiles using the motif discovery algorithm, which are then used for sizing different energy storage technologies, including a FESS. Using collected measurement data from several low voltage distribution grids in southern Germany, it is demonstrated that the storage systems with the characteristics derived from the detected patterns only can be effectively used for their intended applications during the whole measurement period.
Next, a dynamic model of a high-speed FESS has been developed, which incorporates the losses and auxiliary power requirements of the system. The model is validated with experimental results from a real FESS in several scenarios. A maximum difference of only 0.8 % has been observed between the state of charge of the real FESS and its model during the investigated scenarios, reflecting the accuracy of the developed model.
After establishing the required setup, the performance of a 60 kW high-speed FESS during several frequency deviation scenarios has been evaluated by means of Power Hardware-in-the-Loop (PHIL) testing. The PHIL testing results show that the high-speed FESS responds very quickly and reaches the required power in just under 60 ms following a frequency deviation, while complying with the latest grid code requirements for frequency support at the low voltage level in Germany.
Lastly, in order to demonstrate the advantages of the rapid response of the FESS in low-inertia power systems, a novel adaptive inertia emulation controller for the high-speed FESS has been introduced and its performance has been validated in a low-inertia microgrid using simulations and experiments. Simulation results show that the use of the FESS with the proposed inertia emulation controller can reduce the maximum rate of change of frequency by 28 %, and the maximum frequency deviation by 44 % during the islanding of the studied microgrid. In addition, the proposed controller outperforms several previously reported adaptive control designs in terms of limiting the frequency deviations. The proposed controller has also been implemented on a real 60 kW FESS using the concept of rapid control prototyping, and the performance of the FESS with the new control design has been validated by means of PHIL testing. The PHIL results, which are the very first experimental validation of inertia emulation using a FESS, confirm the simulation results, demonstrating the benefits of the proposed controller in low-inertia power systems.