Abstract:
Die Natur bedient sich Millionen von Jahren der Evolution, um adaptive physikalische Systeme mit effizienten Steuerungsstrategien zu erzeugen. Im Gegensatz zur konventionellen Robotik plant der Mensch nicht einfach eine Bewegung und führt sie aus, sondern es gibt eine Kombination aus mehreren Regelkreisen, die zusammenarbeiten, um den Arm zu bewegen und ein Objekt mit der Hand zu greifen. Mit der Forschung an humanoiden und biologisch inspirierten Robotern werden komplexe kinematische Strukturen und komplizierte Aktor- und Sensorsysteme entwickelt. Diese Systeme sind schwierig zu steuern und zu programmieren, und die klassischen Methoden der Robotik können deren Stärken nicht immer optimal ausnutzen. ... mehrDie neurowissenschaftliche Forschung hat große Fortschritte beim Verständnis der verschiedenen Gehirnregionen und ihrer entsprechenden Funktionen gemacht. Dennoch basieren die meisten Modelle auf groß angelegten Simulationen, die sich auf die Reproduktion der Konnektivität und der statistischen neuronalen Aktivität konzentrieren. Dies öffnet eine Lücke bei der Anwendung verschiedener Paradigmen, um Gehirnmechanismen und Lernprinzipien zu validieren und Funktionsmodelle zur Steuerung von Robotern zu entwickeln. Ein vielversprechendes Paradigma ist die ereignis-basierte Berechnung mit SNNs. SNNs fokussieren sich auf die biologischen Aspekte von Neuronen und replizieren deren Arbeitsweise. Sie sind für spike- basierte Kommunikation ausgelegt und ermöglichen die Erforschung von Mechanismen des Gehirns für das Lernen mittels neuronaler Plastizität. Spike-basierte Kommunikation nutzt hoch parallelisierten Hardware-Optimierungen mittels neuromorpher Chips, die einen geringen Energieverbrauch und schnelle lokale Operationen ermöglichen.
In dieser Arbeit werden verschiedene SNNs zur Durchführung von Bewegungss- teuerung für Manipulations- und Greifaufgaben mit einem Roboterarm und einer anthropomorphen Hand vorgestellt. Diese basieren auf biologisch inspirierten funktionalen Modellen des menschlichen Gehirns. Ein Motor-Primitiv wird auf parametrische Weise mit einem Aktivierungsparameter und einer Abbildungsfunktion auf die Roboterkinematik übertragen. Die Topologie des SNNs spiegelt die kinematische Struktur des Roboters wider. Die Steuerung des Roboters erfolgt über das Joint Position Interface. Um komplexe Bewegungen und Verhaltensweisen modellieren zu können, werden die Primitive in verschiedenen Schichten einer Hierarchie angeordnet. Dies ermöglicht die Kombination und Parametrisierung der Primitiven und die Wiederverwendung von einfachen Primitiven für verschiedene Bewegungen. Es gibt verschiedene Aktivierungsmechanismen für den Parameter, der ein Motorprimitiv steuert — willkürliche, rhythmische und reflexartige. Außerdem bestehen verschiedene Möglichkeiten neue Motorprimitive entweder online oder offline zu lernen. Die Bewegung kann entweder als Funktion modelliert oder durch Imitation der menschlichen Ausführung gelernt werden. Die SNNs können in andere Steuerungssysteme integriert oder mit anderen SNNs kombiniert werden. Die Berechnung der inversen Kinematik oder die Validierung von Konfigurationen für die Planung ist nicht erforderlich, da der Motorprimitivraum nur durchführbare Bewegungen hat und keine ungültigen Konfigurationen enthält.
Für die Evaluierung wurden folgende Szenarien betrachtet, das Zeigen auf verschiedene Ziele, das Verfolgen einer Trajektorie, das Ausführen von rhythmischen oder sich wiederholenden Bewegungen, das Ausführen von Reflexen und das Greifen von einfachen Objekten. Zusätzlich werden die Modelle des Arms und der Hand kombiniert und erweitert, um die mehrbeinige Fortbewegung als Anwendungsfall der Steuerungsarchitektur mit Motorprimitiven zu modellieren. Als Anwendungen für einen Arm (3 DoFs) wurden die Erzeugung von Zeigebewegungen und das perzeptionsgetriebene Erreichen von Zielen modelliert. Zur Erzeugung von Zeigebewegun- gen wurde ein Basisprimitiv, das auf den Mittelpunkt einer Ebene zeigt, offline mit vier Korrekturprimitiven kombiniert, die eine neue Trajektorie erzeugen. Für das wahrnehmungsgesteuerte Erreichen eines Ziels werden drei Primitive online kombiniert unter Verwendung eines Zielsignals.
Als Anwendungen für eine Fünf-Finger-Hand (9 DoFs) wurden individuelle Finger-aktivierungen und Soft-Grasping mit nachgiebiger Steuerung modelliert. Die Greif- bewegungen werden mit Motor-Primitiven in einer Hierarchie modelliert, wobei die Finger-Primitive die Synergien zwischen den Gelenken und die Hand-Primitive die unterschiedlichen Affordanzen zur Koordination der Finger darstellen. Für jeden Finger werden zwei Reflexe hinzugefügt, zum Aktivieren oder Stoppen der Bewegung bei Kontakt und zum Aktivieren der nachgiebigen Steuerung.
Dieser Ansatz bietet enorme Flexibilität, da Motorprimitive wiederverwendet, parametrisiert und auf unterschiedliche Weise kombiniert werden können. Neue Primitive können definiert oder gelernt werden. Ein wichtiger Aspekt dieser Arbeit ist, dass im Gegensatz zu Deep Learning und End-to-End-Lernmethoden, keine umfangreichen Datensätze benötigt werden, um neue Bewegungen zu lernen. Durch die Verwendung von Motorprimitiven kann der gleiche Modellierungsansatz für verschiedene Roboter verwendet werden, indem die Abbildung der Primitive auf die Roboterkinematik neu definiert wird. Die Experimente zeigen, dass durch Motor- primitive die Motorsteuerung für die Manipulation, das Greifen und die Lokomotion vereinfacht werden kann. SNNs für Robotikanwendungen ist immer noch ein Diskussionspunkt. Es gibt keinen State-of-the-Art-Lernalgorithmus, es gibt kein Framework ähnlich dem für Deep Learning, und die Parametrisierung von SNNs ist eine Kunst. Nichtsdestotrotz können Robotikanwendungen - wie Manipulation und Greifen - Benchmarks und realistische Szenarien liefern, um neurowissenschaftliche Modelle zu validieren. Außerdem kann die Robotik die Möglichkeiten der ereignis- basierten Berechnung mit SNNs und neuromorpher Hardware nutzen. Die physikalis- che Nachbildung eines biologischen Systems, das vollständig mit SNNs implementiert und auf echten Robotern evaluiert wurde, kann neue Erkenntnisse darüber liefern, wie der Mensch die Motorsteuerung und Sensorverarbeitung durchführt und wie diese in der Robotik angewendet werden können. Modellfreie Bewegungssteuerungen, inspiriert von den Mechanismen des menschlichen Gehirns, können die Programmierung von Robotern verbessern, indem sie die Steuerung adaptiver und flexibler machen.
Abstract (englisch):
Nature takes advantage of millions of years of evolution to generate adaptive physical systems with efficient control strategies. In contrast to conventional robotics, humans do not just plan a motion and execute it; there is instead a combination of multiple control loops working together to move the arm and grasp an object with the hand. With the research on humanoid and biologically-inspired robots, complex kinematic structures and complicated actuator and sensor systems are being developed. These systems are difficult to control and program, and classical robotics methods cannot fully take advantage of their capabilities. ... mehrNeuroscience research has made much progress towards understanding the different brain regions and their corresponding functions. Nevertheless, most of the models are based on large-scale simulations that focus on reproducing the connectivity and statistical neural activity. This opens a gap in applying different paradigms to validate brain mechanisms and learning principles, and develop functional models to control robots. One promising paradigm is event-based computation using SNNs. SNNs focus on the biological aspects of neurons, replicating the way real neurons work. They are designed for spike-based communication, enabling research on brain-like mechanisms for learning using plasticity. Spike-based communication enables hardware optimizations that allow low energy consumption and fast local operations using neuromorphic chips.
This work proposes different SNNs to perform motion control for manipulation and grasping tasks with a robotic arm and an anthropomorphic hand, based on biolo- gically-inspired functional models of the human brain. A motor primitive is modeled in a parametric way with an activation parameter and a mapping function to the robot kinematics. The topology of the SNNs reflects the kinematic structure of the robot. The robots are controlled using the joint position interface. In order to model complex motions and behaviours, primitives are arranged in different layers in a hierarchy. This allows the combination and parameterization of the primitives and the reuse of low-level primitives for different motions. There are different activation mechanisms for the parameter that controls a motor primitive — voluntary, rhythmic, and reflexes. There are different ways to learn new motor primitives, ei- ther online or offline, and either modeling the motion as a function or learning from human demonstration. The SNNs can be integrated with other control systems or combined with other SNNs. Computation of the inverse kinematics or the validation of configurations for planning is not required because the motor primitive space has only feasable motions and contains no invalid configurations.
The scenarios considered for the evaluation are: pointing at different targets, follow- ing a trajectory, performing rhythmic or repetitive motions, performing reflexes, and grasping simple objects. Additionally, the arm and hand modeling are combined and extended to model multi-legged locomotion as a generalization use case of the motor primitives control architecture. As applications for an arm (3 Degrees of Freedoms (DoFs)), generating pointing motions and perception-driven target reaching were modeled. To generate pointing motions, one base primitive to point to the center of a plane was combined offline with a set of four correction primitives generating a new trajectory. For perception-driven target reaching, three primitives are combined online during the motion using a perception signal of a target. As applications for a five-finger hand (9 DoFs), individual finger activations and soft-grasping with compliant control were modeled. The grasping motions are modeled with motor primitives in a hierarchy, with finger primitives representing synergies between joints and hand primitives representing different affordances coordinating the fingers. Two reflexes are added for each finger: one to activate or stop the motion with contact and one to activate the compliant controller.
This approach provides flexibility, as motor primitives can be reused, parameterized, and combined in different ways. New primitives can be defined or learned. A key aspect of this thesis is that in contrast to deep learning and end-to-end learning methods, the SNNs do not require huge datasets to learn new motions. Using motor primitives, the same modeling approach can be used for different robots by redefining the mapping of the primitives to the robot kinematics. The experiments showed that by using motor primitives, the motor control could be simplified for manipulation, grasping, and locomotion. The use of SNNs for robotics applications is still a point of discussion. There is no state-of-the-art learning algorithm, there is no frame- work similar to those for deep learning, and the parametrization of SNNs is an art. Nevertheless, robotics applications – like manipulation and grasping – can provide benchmarking tasks and realistic scenarios to validate neuroscience models. Addi- tionally, robotics can take advantage of the capabilities of event-based computation with SNNs and neuromorphic hardware. A physical imitation of a biological system implemented entirely with SNNs and evaluated with real robots can provide new insights into how humans perform motor control and sensor processing, and how it can be applied to robotics. Model-free motion controllers, inspired by human brain mechanisms, can improve the way robots are programmed by making the control more adaptive and flexible.