Abstract:
Mauerwerk wird häufig als Material für den Bau von Wohngebäuden auf der ganzen Welt verwendet. Es zeichnet sich durch mehrere Vorteile wie hohe Wärmedämmung, Feuerbeständigkeit und Kosteneffizienz aus. Allerdings haben vergangene seismische Ereignisse wie die Erdbeben in Kaschmir (Pakistan, 2005), Chile (2010), L’Aquila (Italien, 2009), Amatrice (Italien, 2016) gezeigt, dass bestehende Gebäude aus Mauerwerk unter seismischen Einwirkungen erhebliche Schäden bis hin zum Einsturz erleiden können. Dieses schlechte strukturelle Verhalten wird im Allgemeinen durch mehrere Faktoren verursacht, wie z. ... mehrB. das Fehlen guter Verbindungen zwischen den tragenden Bauteilen (z. B. Wände, Decken) und eine geringe Zug- sowie Scherfestigkeit des Mauerwerks. Daher ist die seismische Verstärkung bestehender Tragwerke von grundlegender Bedeutung, um den potenziellen Bodenbewegungen infolge eines Erdbebens standzuhalten.
In dieser Hinsicht werden Verbundwerkstoffe häufig für die statische Sanierung und Verstärkung von Mauerwerksbauten verwendet. Eine gängige Technik besteht in der Aufbringung von hochleistungsfähigen Textilstreifen oder Geweben auf das Mauerwerkssubstrat mit organischen Matrizen (faserverstärkte Polymere (FRP)) oder offenen Textilgeweben, die mit anorganischen Matrizen (gewebeverstärkte zementäre Matrix (FRCM) oder textilverstärkter Mörtel (TRM)) aufgebracht werden. Die am häufigsten ver-wendeten Fasermaterialien zur Herstellung der Verbundwerkstoffe sind alkalibeständiges (AR) Glas, Kohlenstoff, Aramid, Basalt oder Polyparaphenylenbenzobisoxazol (PBO).
Allerdings haben die FRPs einige Einschränkungen, wie z.B. Hitzeempfindlichkeit, problematische Anwendung auf nassen Substraten. Außerdem benötigen sie eine Oberflächenvorbereitung und die Un-durchlässigkeit der Polymermatrix kann zu Haftungsproblemen mit dem Mauersubstrat führen. Schließlich gelten Polymere als Gefahrstoffe, die vor, während und nach ihrer Verwendung besondere Handhabungsprozesse erfordern. Daher wurden Verbundwerkstoffe auf Zement- oder Kalkmörtelbasis entwickelt. Um die genannten Anwendungsgrenzen zu überwinden, wurde die organische Matrix des FRP durch eine anorganische ersetzt. In dieser Hinsicht haben die FRCM/TRM viele Vorteile gegenüber den FRPs, z. B. physikalische/chemische Kompatibilität mit dem Mauerwerkssubstrat, Dampfdurchlässigkeit, hohe Beständigkeit gegenüber erhöhten Temperaturen und Ultraviolettstrahlung, mögliche Anwendung auf unregelmäßigen oder nassen Substraten mit minimaler oder keiner Oberflächenvorbereitung.
Die FRCM/TRM-Textilkomponente ist in der Regel ein offenes Gewebe aus Fasergarnen, die in zwei oder mehr Richtungen angeordnet sind. Sie können trocken, beschichtet oder vorimprägniert sein. Die Textilgitter werden vollständig in die Matrix eingebettet, wodurch die Fasergarne geschützt werden können und die Spannungsübertragung zwischen Substrat und Textilkomponente gewährleistet ist. Die Matrizen bestehen in der Regel aus feinkörnigem Mörtel mit Portlandzement und trockenen organischen Polyme-ren. Letztere werden in der Regel zugesetzt, um die Abbindezeit, die Verarbeitbarkeit und das Verbundverhalten zu verbessern, aber sie reduzieren gleichzeitig den Feuerwiderstand und die Dampfdurchlässigkeit. Daher ist im Allgemeinen ihre Menge geringer als 5% im Gewicht.
Das in dieser Arbeit vorgestellte Verstärkungssystem heißt EQ-GRID. Es wurde am Karlsruher Institut für Technologie in Deutschland zur seismischen Verstärkung und Retrofitting von Mauerwerksbauten entwickelt. Die Textilkomponente ist ein multiaxiales Hybridgitter aus alkalibeständigen Glas- und Polypropylenfasern. Die Matrix ist ein speziell für dieses System entwickelter natürlicher hydraulischer Kalkmörtel (NHL). Sie kann die Maschenöffnungen des Gitters durchdringen und die Garne sehr gut einkapseln. Diese Eigenschaft ist entscheidend für den Verbund an der Schnittstelle Textil-Matrix und Matrix-Substrat.
Da das EQ-GRID-System darauf abzielt, die Festigkeit und das unelastische Verformungsvermögen von Mauerwerkskonstruktionen zu verbessern, wurde am Karlsruher Institut für Technologie in Deutschland eine umfangreiche Versuchskampagne durchgeführt. Die Ergebnisse werden in dieser Arbeit vorgestellt und diskutiert. Das Versuchsprogramm umfasste Zugversuche an Textilproben und Verbundwerkstoff-proben für jede Hauptrichtung des Gitters (vertikal, horizontal und diagonal) sowie Druck- und Biegeversuche an Matrixproben. Daher wurden die mechanischen Eigenschaften des EQ-GRID Systems bestimmt. Darüber hinaus wurden doppel- und einlagige Scherverbundversuche durchgeführt, um das Verbundverhalten des Systems auf Standardmauerwerksziegel zu untersuchen. Die Ergebnisse haben keine vorzeitige Ablösung vom Untergrund gezeigt, obwohl das System ohne mechanische Verankerung aufgebracht wurde. Schließlich wurden zyklische Schubversuche an Mauerwerkswände im Originalzustand und mit EQ-GRID verstärkt durchgeführt, um die Leistungsfähigkeit des verstärkten Bauteils mit dem Original zu vergleichen. Die Ergebnisse wurden in Form von Schub-Drift-Kurven dargestellt, aus denen äquivalente multilineare Kurven ermittelt wurden.
Außerdem wurden der Schubwiderstand und die Tragfähigkeitsdiagramme aller getesteten Mauerwerkswände analytisch bestimmt. Die durch das EQ-GRID System Erhöhung der Tragfähigkeit wird durch die vorgeschlagene Modifikation der Anfangsscherfestigkeit des Mauerwerks und der Steinzugfestigkeit sowie nach der italienischen technischen Norm CNR-DT 215/2018 “Guide for the Design and Construction of Externally Bonded Fibre Reinforced Inorganic Matrix Systems for Strengthening Existing Structures” berechnet.
Darüber hinaus wurden die zyklischen Schubversuche durch die im Programm TREMURI implementierte “Equivalent Frame” Methode modelliert. Diese Modellierungstechnik besteht darin, die Wände in einem Rahmen zu idealisieren. Jede tragende Mauerwerkswand wird in verformbaren Mauerwerkselementen unterteilt, in denen das nichtlineare Verhalten und die Verformung konzentriert sind. Dann werden die Mauerwerkselemente durch starre Knoten verbunden, die Teile der Wand sind, die normalerweise nicht beschädigt werden.
Alle untersuchten Mauerwerkswände wurden durch das im Programm implementierte nichtlineare Balkenelement mit konzentrierter Unelastizität und multilinearem Verhalten modelliert. Die durch das System erhörte Tragfähigkeit wurde nach CNR-DT 215/2018 berechnet. Die von dieser Norm vorgeschlagenen Formeln sind im Programm implementiert und sind mit dem angewendeten nichtlinearen Balkenelement kompatibel.
Schließlich wurden zwei Rütteltischversuche, die an einem Gebäudemodell aus Mauerwerk am Institut für Erdbebeningenieurwesen und Ingenieurseismologie (IZIIS) in Skopje durchgeführt wurden, ebenfalls mit der “Equivalent Frame” Methode modelliert. Ziel war es, das beobachtete Verhalten des Gebäudemodells im Originalzustand und nach der seismischen Ertüchtigung mit EQ-GRID numerisch zu reproduzieren. Dazu wurden Modalanalysen, nichtlineare monotone, zyklische statische und dynamische Analy-sen durchgeführt. Die numerischen Ergebnisse wurden mit den Experimentellen hinsichtlich des Struktur-verhaltens, des erreichten Schadensniveaus und der gemessenen Verschiebungen und Beschleunigungen verglichen. Die Ergebnisse konnten bestätigen, dass die “Equivalent Frame” Methode eine geeignete Modellierungstechnik für unbewehrte sowie textilbewehrte Mauerwerksbauten ist.
Abstract (englisch):
Masonry is a construction material commonly adopted to build residential structures worldwide. It is characterized by several advantages such as high thermal insulation, fire resistance and cost-effectiveness. However, past seismic events like the earthquakes in Kashmir (Pakistan, 2005), Chile (2010), L’Aquila (Italy, 2009), Amatrice (Italy, 2016) have shown that existing masonry buildings can suffer extensive damage under seismic actions until collapse. This poor structural response is generally caused by several factors, such as lack of good connections between the structural elements (e.g. ... mehrwalls, floors) and low masonry tensile, shear strength. Therefore, the seismic strengthening of existing structures is fundamental to sustain the potential ground motion due to the earthquake.
In this regard, composite materials are widely used for repairing and reinforcing masonry buildings. A common technique consists in the application of high-performance textile strips or fabrics to the mason-ry substrate with organic matrices (fibre-reinforced polymers (FRP)) or open textile meshes applied with inorganic matrices (fabric-reinforced cementitious matrix (FRCM) or textile-reinforced mortar (TRM)). The most adopted continuous fibres to create the composite materials are alkali-resistant (AR) glass, carbon, aramid, basalt, or polyparaphenylene benzobisoxazole (PBO).
It is important to stress that the FRPs have limitations, like heat sensitivity and problematic application on wet substrates. They also need surface preparation, and the impermeability of the polymeric matrix may induce bond problems with the masonry substrate. Finally, polymers are considered hazardous materials that require special handling processes before, during, and after their use. Therefore, cement- or lime mortar-based composites have been developed. The organic matrix of the FRP has been replaced with an inorganic one to overcome the mentioned application limits. In this regard, the FRCM/TRM have many advantages compared to the FRPs, e.g. physical/chemical compatibility with the masonry sub-strate, vapour permeability, high resistance to elevated temperatures and ultraviolet radiation, possible application on irregular or wet substrates with minimal or no surface preparation.
The FRCM/TRM textile component usually is an open mesh of continuous fibre yarns arranged in two or more directions. They can be dry, coated, or preimpregnated. The textile grids are completely embedded in the matrix, protecting the fibre yarns and ensuring the stress transfer between masonry substrate and textile component. The matrices are generally made of fine-grained mortar with Portland cement and dry organic polymers. The latter are usually added to improve the setting time, workability, and bond behav-iour, but they reduce the fire resistance and vapour permeability at the same time. Therefore, their quantity is generally lower than 5% by weight.
The reinforcing system presented in this work is named EQ-GRID. It has been developed at the Karlsruhe Institute of Technology in Germany to strengthen and retrofit masonry structures. The textile component is a multi-axial hybrid grid made of alkali-resistant glass and polypropylene fibres. The matrix is a natu-ral hydraulic lime mortar (NHL) explicitly developed for this system. It can penetrate the mesh openings and encapsulate the yarns very well. This property is crucial for the bond at the textile-matrix and ma-trix-support interface.
Since the EQ-GRID system aims to improve masonry structures’ strength and inelastic deformation capacity, a broad experimental campaign has been performed at the Karlsruhe Institute of Technology in Germany. The results are presented and discussed in this work. The test program included tensile tests on bare textile samples and composite specimens for each main direction of the grid (vertical, horizontal and diagonal) and compression and bending tests on matrix specimens. In this way, the mechanical properties of the EQ-GRID system have been determined. Furthermore, double- and single-lap shear-bond tests have been performed to investigate the bonding behaviour of the system applied to standard masonry support. The results have shown no premature debonding from the substrate, although the system was applied without any mechanical anchorage. Finally, cyclic lateral shear tests have been performed on masonry panels in original conditions and strengthened with EQ-GRID to compare the performance of the reinforced structural element with the original one. The results have been depicted in terms of shear-drift curves, from which equivalent multilinear curves have been determined.
Moreover, the in-plane shear strength and failure domains of all the tested masonry panels has been analytically determined. The increase of in-plane load-bearing capacity due to the EQ-GRID system is considered through the proposed modification of the masonry initial shear strength and brick tensile strength as well as after the Italian technical standard CNR-DT 215/2018 “Guide for the Design and Construction of Externally Bonded Fibre Reinforced Inorganic Matrix Systems for Strengthening Exist-ing Structures”.
Furthermore, the cyclic lateral shear tests have been modelled through the Equivalent frame method implemented in the TREMURI program. This modelling technique consists of idealizing the walls in a frame. Each load-bearing masonry wall is subdivided into a set of deformable masonry panels where the nonlinear behaviour and deformation are concentrated. Then, the structural elements are connected by rigid nodes that are parts of the wall not usually subjected to damage.
All the tested masonry panels have been modelled through the nonlinear beam element with lumped inelasticity and piecewise behaviour implemented in the program. During the modelling, the strength increase due to the system has been calculated after CNR-DT 215/2018. The formulations proposed by this standard are implemented in the program and are compatible with the adopted nonlinear beam element.
Finally, two shaking table tests performed on a masonry building model at the Institute of Earthquake Engineering and Engineering Seismology (IZIIS) in Skopje have also been modelled with the Equivalent frame method. The aim was to reproduce the observed behaviour of the masonry building in its original condition and after the seismic retrofitting with EQ-GRID. Therefore, modal analyses, nonlinear mono-tonic, cyclic static and time-history analyses have been performed. The numerical results have been compared to the experimental ones in terms of structural behaviour, achieved damage level, measured displacements and accelerations. The results have confirmed the Equivalent frame method as a model-ling technique suitable for unreinforced masonry buildings and textile reinforced masonry structures.