Abstract:
Durch immer größere und umfangreichere Bauprojekte und die steigende Lebensdauer von Bestandsgebäuden wachsen auch die Anforderungen an nachträgliche lasteinleitende Befestigungselemente. Mit dem Einzug der Digitalisierung in die Bauindustrie werden zunehmend neue Produkte zur Unterstützung eines Life-Cycle-Managements von Bauwerken entwickelt und eingeführt.
Diese Arbeit stellt eine hierin entwickelte Methode ‚ASTRA‘ zur Mechatronisierung von Befestigungsmitteln vor. Das Akronym ASTRA steht für die Entwicklungsschritte dieser Methode ‚ANALYSE-SYNTHESE-TRANSFORMATION‘. ... mehrDen Kern dieser Entwicklungsmethode bildet die Erweiterung eines bestehenden Befestigungsmittels, um eine mechatronische Sekundärfunktion ohne deren Primärfunktion zu beeinflussen. Dies geschieht am Beispiel einer Sensorintegration zur kontinuierlichen Zustandserfassung in ein bestehendes bautechnisch bewertetes Verbundankersystem, ohne dessen Primärfunktion ‚Haltekraft für Anbauteile gewährleisten‘ zu verschlechtern. Hieraus leitet sich die zentrale Forschungsfrage dieser Arbeit ab:
Ist es möglich, ein bautechnisch bewertetes chemisches Befestigungsmittel mit einer geeigneten Entwicklungsmethode für die kontinuierliche Überwachung der Befestigungssituation zu mechatronisieren, ohne dabei seine Primärfunktion zu verschlechtern?
Um diese zentrale Frage zu beantworten, werden zunächst mit Hilfe ausgewählter Methoden und erstellter Ersatzsysteme Teilforschungsfragen beantwortet, die aus dieser Frage abgeleitet wurden. Diese Vorgehensweise und die dafür ausgewählten Methoden werden schließlich als neue Entwicklungsmethode ASTRA zusammengefasst. Durch die Beantwortung der ersten Teilforschungsfrage dieser Arbeit wird der erste Entwicklungsschritt, die Analyse, durch die Überwindung der Beobachtungsbarriere beim Auszugsversuch eines Verbundankers beispielhaft dargestellt. Hierdurch ist es erstmals möglich, die kontinuierlichen Versagensmechanismen, wie die Rissbildung und deren Wachstum, beim zentrischen Auszugsversuch eines Verbundankers zeitlich und räumlich bestimmt zu beobachten und dadurch das Systemverständnis zu Verbundankersystemen zu erweitern. Mithilfe verschiedener Modellbildungsmethoden werden anschließend aus diesen Beobachtungen Erkenntnisse abgeleitet, um potenzielle Designräume zum Einbringen zusätzlicher mechatronischer Gestaltelemente zu identifizieren.
Hierauf folgt die Beantwortung der zweiten Teilforschungsfrage, mit der der zweite Schritt, die Synthese, der neu erstellten Entwicklungsmethode ASTRA vorgestellt wird. Dieser Schritt zeigt die besondere Vorgehensweise im Vergleich zu anderen Entwicklungsmethoden. Hierbei werden die Erkenntnisse nicht direkt in das zu entwickelnde Produkt eingebracht, sondern es werden Ersatzmodelle erstellt, an denen mit geringem Herstellungs- und Versuchsaufwand bereits in einer sehr frühen Phase der Entwicklung eines mechatronisierten Befestigungsmittels Effekte und Wechselwirkungen der in Designräumen eingebrachten Gestaltelemente mit der zu erhaltenden Primärfunktion ermittelt werden können. Diese Ersatzmodelle werden als Gestalt-Funktion-Versuchsmuster (GFZ-Versuchsmuster) bezeichnet. Unterstützt wird auch dieser Entwicklungsschritt mit Experimenten nach Vorgaben des Bewertungsdokumentes EAD 330499-00-0601 im zentrischen Auszugsversuch mit enger Abstützung und mit mathematischen Methoden zur statistischen Bewertung der Ergebnisse. Anhand dieses Entwicklungsschrittes kann somit erstmals der quantifizierte Effekt einer Gestaltänderung bereits im frühen Stadium der Entwicklung von Befestigungsmitteln bestimmt werden, ohne dessen exakte gestalterische oder funktionale Ausprägung in diesem Entwicklungsstadium bereits zu erkennen. Hieraus ergibt sich das Entwicklungsziel dieses Schrittes: die Definition der nutzbaren Designräume für Sekundärfunktionen.
Mit dem dritten Schritt der Entwicklungsmethode, der Rücktransformation, wird die dritte Teilforschungsfrage am Beispiel eines Verbundankers beantwortet. Dieser Schritt hat die Verifizierung der Funktionsprototypen der mechatronisierten Befestigungsmittel, in diesem Beispiel des sensorintegrierten Verbundankers, zum Ziel. Hierfür werden die zuvor identifizierten Designräume genutzt, um methodisch ausgewählte Messprinzipien im Verbundankersystem zu integrieren, ohne dessen Primärfunktion negativ zu beeinflussen. Anschließend wird die eingebrachte Sekundärfunktion, in diesem Beispiel die kontinuierliche Zustandskontrolle, auf zusätzliche ausgewählte Umwelteinflüsse verifiziert.
Erstmals können die hier gezeigten methodischen Forschungsansätze zusammengefasst in der neuen Entwicklungsmethode ASTRA bei der Produktentwicklung zur Mechatronisierung von Befestigungsmitteln unterstützen. Das mechatronisierte Verbundankersystem mit kapazitivem Abstandssensor liefert bereits im Status des Funktionsprototypen robuste und reproduzierbare Signale und könnte zukünftig die Sicherheit, Wartung und den Betrieb von Gebäuden verbessern. Das zweite vorgestellte mechatronisierte Verbundankersystem mit kapazitivem Impedanzsensor benötigt hingegen noch weitere Verbesserungen, um die Signale besser bewerten zu können, und muss robuster gegenüber Umwelteinflüssen konstruiert werden. Dennoch ist es mit dem mechatronisierten Verbundankersystem mit kapazitivem Abstandssensor erstmals möglich, durch integrierte Sensoren bei Verbundankersystemen kontinuierlich deren Zustand durch Erfassung der axialen Verschiebung zu überwachen.
Abstract (englisch):
As a result of ever larger and more extensive construction projects and the in-creasing service life of existing buildings, the requirements for subsequent, load-transmitting fastening elements have grown. Following the digitalization of the construction industry, new products are increasingly being developed and intro-duced to support the life-cycle management of structures.
This thesis presents a new method ‘ASTRA’ for the mechatronization of fasteners. The acronym ASTRA stands for the development steps of this method ANALYSIS-SYNTHESIS-TRANSFORMATION. This method is based on an extension of an existing fastener with a mechatronic secondary function that does not affect its primary function. ... mehrAn example is presented of a sensor integration for continuous condition monitoring in an existing assessed chemical anchor system without degrading its primary function of “ensuring holding force for attachments”. This leads to the central research question of this thesis:
Is it possible to mechatronize a structural assessed chemical anchor with a suitable development method for the continuous monitoring of the fastener situation without altering its primary function?
To answer this central question, certain sub-research questions are answered using selected methods and by creating substitute systems. This approach and the methods utilied are summarized as a new development method ASTRA. By answer-ing the first sub-research question of this thesis, the first development step, the analysis, is exemplified by overcoming the observation barrier during the pull-out test of a chemical anchor. This allows the continuous failure mechanisms, such as crack formation and their growth, to be observed for the first time during the centric pull-out test of a chemical anchor in a temporally and spatially determined manner, thus expanding the system understanding of chemical anchor systems. Various modeling methods are used to identify potential design spaces for the introduction of additional mechatronic design elements.
Following this, the second sub-research question is answered, and the second step synthesis of the newly created development method ASTRA is presented. This step demonstrates the special approach compared with other development meth-ods. Here, the findings are not directly introduced to the product to be developed; however, substitute models are created on which the effects and interaction of the design elements introduced in design spaces with the primary function of being maintained can be determined at a very early stage of the development of a mecha-tronic fastener, with little manufacturing and testing effort. These substitute models are referred to as “embodiment-function-relation test patterns” (GFZ test patterns). This development step is supported with experiments according to the specifica-tions of the assessment document EAD 330499-00-0601 in the centric confined pull-out test and with mathematical methods to statistically evaluate the results. This step thus enables the quantified effect of a design change to be determined at an early stage in the development of fasteners for the first time, without prior knowledge of the exact design or functional characteristics. This results in the development objective of this step: the definition of usable design spaces for secondary functions.
The third step of the development method, the reverse transformation, answers the third sub-research question using the example of a chemical anchor. This step aims to verify the functional prototypes of the mechatronized fasteners using the example a sensor-integrated chemical anchor. For this purpose, the previously identified design spaces are used to methodically integrate selected measurement principles in the chemical anchor system without negatively affecting its primary function. The introduced secondary function (in this example, the continuous condition monitoring) is subsequently verified for additional selected environmen-tal influences.
The methodical research approaches shown in this thesis, which are summarized in a new development method ASTRA, support product development in the mecha-tronization of fasteners. The mechatronized chemical anchor system, which has a capacitive distance sensor, provides robust and reproducible signals in the status of the functional prototype and could improve the safety, maintenance, and opera-tion of buildings in future. Meanwhile, the second mechatronized chemical anchor system presented, which has a capacitive impedance sensor, requires further improvements to better evaluate the signals and should be designed more robustly against environmental influences. Nevertheless, the mechatronic chemical anchor system with a capacitive distance sensor enables the condition of chemical anchor systems to be continuously monitored by detecting their axial displacement using integrated sensors for the first time.